Mitgliedschaft Wohnungsbaugenossenschaft + Kündigungssperre gem. § 112 InsO

  • Irgendwie hat meine Suche zu diesem Thema nichts einschlägiges ergeben, sondern nur zur relevanteren Frage, ob der IV/TH die Genossenschaftsbeteiligung des Schuldners kündigen darf. Darum geht es mir aber nicht.

    Folgender Fall: Die Schuldnerin ist Mitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft. Die Anteile sind einbezahlt, es bestehen keine Mietrückstände aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die laufende Miete wird gezahlt. Wir haben die Schuldnerin gebeten, die Adresse der Genossenschaft mitzuteilen, damit die "Enthaftungserklärung" gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO abgegeben werden kann. Die Schulderin teilt mit, uns diese Daten nicht zu geben. Ihr Argument: In der Genossenschaftssatzung sei ein Recht der Genossenschaft zum Ausschluss des Mitglieds enthalten, sofern über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet werde bzw. ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde. Durch unser Schreiben erfahre die Genossenschaft von der Insolvenz, es drohe daher die Kündigung.

    Bei Wohnraummietverhältnissen gilt ja gem. § 112 Nr. 2 InsO eine Kündigungssperre. Im vorliegenden Fall wäre die Schuldnerin somit geschützt. zudem ist § 112 ja gem. § 119 InsO unabdingbar. Hier geht es jetzt aber um eine Kündigung der Genossenschaftsbeteiligung durch die Genossenschaft. Ist hier § 112 Nr. 2 InsO entsprechend anwendbar? Der BGH hatte ja in seiner Entscheidung IX ZR 58/08 festgestellt, dass die Kündgungsbeschränkung des IV/TH gem. § 109 Abs. 1 S, 2 InsO nicht entsprechend bei Genossenschaftsbeteiligungen gilt. Aber was ist mit § 112 InsO? Gilt der als Schutz von Kündigungen durch die Genossenschaft entsprechend?

    Edit: Mist, falscher § in der Überschrift. Wie kann ich das denn ändern? erl.; Kai

  • Also, in meinem alten Uhlebruck habe ich folgendes gefunden: § 112 RNr. 4: Die Vorschrift gibt keinen Schutz des Schuldners her, sondern ist zum Schutze der Insolvenzmasse gedacht. Es betrifft saomit gar nicht die - in der Insolvenz nicht zu verwertende - Privatwohnung des Schuldnersd, sondern soll eine Zerschlagung der wirtschaftlichen Einheit verhindern.

    Man könnte auch noch als Argument dazufügen, dass es sich ja nicht um ein Wohnraummietverhältnis handelt, das gekündigt wird, sondern um ein Genossenschaftsverhältnis (es kommt zwar auf das gleiche raus, ist aber nach dem BGH ja zu unterscheiden).

    Die Uhlenbruck-Argumnetation klingt für mich logisch; zumal sollte man dem Schuldner entgegenhalten, dass zumindest der IV ja genauso kündigen kann wie die Genossenschaft selbst. Notfalls mal mit versagung drohen. Ist ja schliesslich INsolvenzmasse, die daurch nicht verwertet werden kann...

  • das Genossenschaftsmitglied kann sogar verpflichtet sein, die Insolvenz anzuzeigen, weil es so in der Satzung steht.

    ME ist § 112 InsO hier nicht anwendbar, weil gesellschaftsrechtliche Belange berührt werden, das Nutzungsrecht ist lediglich eine Folge.


    1. Den Schuldner auf seine Mitwirkungspflichten nach § 97 InsO hinweisen.

    2. Mal im Hausflur nach dem Schild suchen "Dies ist ein Objekt der Wohnungsbaugenossenschaft Weltfrieden EG". Ich habe bislang noch fast immer so einen Hinweis im Treppenhaus gefunden.


    PS: Rein formal, aber auch wirklich nur formal ist das Nutzungsrecht bei Wegfall der Mitgliedschaft noch nicht perdu. Es muss noch ein Umstand hinzukommen, der allerdings fast immer erfüllt sein wird, nämlich ein Bedarf an Wohnraum der Genossenschaftsmitglieder, VIII ZR 22/03.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

    Einmal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (27. Juli 2012 um 09:03) aus folgendem Grund: PS

  • Danke fürs Feedback. Ich hatte auch dazu tendiert, hier den § 112 InsO als nicht einschlägig anzusehen.

    Auf § 97 InsO habe ich die Schuldnerin schon hingewiesen. Das hat bisher nicht dazu geführt, dass sie die Auskunft erteilt. Ihre angst vor dem möglichen Wohnungsverlust ist hier jedenfalls bisher größer. Würde hier jemand bei einer solchen Konstellation von der Erklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO absehen? Aus meiner Sicht hührt hier kein Weg dran vorbei, die abzugeben, auch wenn sie immer wieder angegeben hat, dass ihr Beamtengehalt in jedem Fall ausreicht, um die Miete zu zahlen.

  • Um eine Erklärung nach § 109 InsO wird man schon aus haftungstechnischer Sicht nicht umhinkönnen.

    Um den Einzug der Genossenschaftsanteile auch nicht, außer dein Insolvenzgericht tendiert zu einer schuldnerfreundlichen Sichtweise. Diese Problematik sollte man der Schuldnerin auch mal vor Augen führen (das man zur Verwertung verpflichtet ist) und dann, wenn hier möglich, über § 314 I InsO einen Lösungsweg aufzeigen (sofern man die Genossenschaft mit ins Boot bekommt).

    Wäre doch mal spannend zu wissen, wenn nach Zahlung der Ablöse der Genossenschaftanteil nicht mehr Massebestandteil ist und die Genossenschaft dennoch kündigen will. Oder bedarf es laut Statut keiner Kündigung mehr? Dann wäre das Problem bereits eingetreten und der Schuldnerin auch nicht zu helfen.

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  • Die konkrete Satzung liegt mir bisher noch nicht vor. Nach Angaben der Schuldnerin ist die Genossenschaft aber wohl zur Kündigung berechtigt. Eine automatische Beendigung liegt also nicht vor.

  • Würde hier jemand bei einer solchen Konstellation von der Erklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO absehen?


    Gerade in einer solchen Konstellation, dass die Schuldnerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, würde ich nicht auf die Erklärung verzichten.

    Die mögliche Kündigung der Mitgliedschaft muss m.E. auch nicht zwangsläufig dazu führen, dass das Nutzungsverhältnis beendet werden kann. Da müsste man sich mietrechtlichen Rat holen, aber ich bin sicher, dass auch eine Genossenschaft mit einer solchen Klausel nicht einfach die Wohnung kündigen kann, solange keine Rückstände bestehen und das Angebot steht, die Anteile da zu belassen.

  • Die mögliche Kündigung der Mitgliedschaft muss m.E. auch nicht zwangsläufig dazu führen, dass das Nutzungsverhältnis beendet werden kann. Da müsste man sich mietrechtlichen Rat holen, aber ich bin sicher, dass auch eine Genossenschaft mit einer solchen Klausel nicht einfach die Wohnung kündigen kann, solange keine Rückstände bestehen und das Angebot steht, die Anteile da zu belassen.

    Schaue mal in die o.g. Entscheidung rein, der BGH sieht hier genossenschaftliche Belange als stärker zu berücksichtigen als die des einzelnen Nutzers. Insoweit steht sich der (Ex-)Genosse schlechter als ein 08/15 - Mieter.

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  • Die mögliche Kündigung der Mitgliedschaft muss m.E. auch nicht zwangsläufig dazu führen, dass das Nutzungsverhältnis beendet werden kann. Da müsste man sich mietrechtlichen Rat holen, aber ich bin sicher, dass auch eine Genossenschaft mit einer solchen Klausel nicht einfach die Wohnung kündigen kann, solange keine Rückstände bestehen und das Angebot steht, die Anteile da zu belassen.

    Schaue mal in die o.g. Entscheidung rein, der BGH sieht hier genossenschaftliche Belange als stärker zu berücksichtigen als die des einzelnen Nutzers. Insoweit steht sich der (Ex-)Genosse schlechter als ein 08/15 - Mieter.

    Und damit das künftig nicht mehr so ist, soll nach dem RegE ja auch das Genossenschaftsgesetz geändert werden. Nach dem Vorschlag sollen Mitgliedschaften dann nicht mehr kündbar sein, wenn sie Voraussetzung für das Mietverhältnis sind. Als Kappungsgrenze sind 2000 € Nennbetrag der Anteile vorgesehen.

  • Aufgrund der recht hohen Grenze wird sich das Thema damit erledigen. Solch hohe Pflichtbeiträge habe ich bei Otto Normal eG noch nicht gesehen.

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  • 600,00 € bis 1.000,00 € sind bei mir normal als Genossenschaftsanteile.

    Es geht ja hier nicht nur um die Haftung wegen möglicher Mietverbindlichkeiten. Wir hatten auch mal eine Schuldnerin, die partout ihren Vermieter nbicht nenne wollte, selbst wenn dann die Insolvenz flöten gegangen wäre. Hier geht es ja auch um die Verwertung von Vermögensbestandteilen. UNd da kommste halt nicht drumrum. Im Zweifel vielleicht mal mit dem Gericht absprechen, wie Ihr verfahren wollt... (Ich würde in meinen Bericht ziemlich deutlich reinschreiben, dass da ein Genossenschaftsanteil besteht, der wegen fehlender Auskunft nicht verwertet werden kann.)

  • Dieser "Tipp" ist mir ja fast peinlich, aber wie sieht es denn mit einem verstohlenen Blick auf die Kontoauszüge der Schuldnerin aus, den man, zur Prüfung von Anfechtungstatbeständen, sowieso mal machen müsste?

    Die Zahlung der Nutzungsentschädigung oder Miete oder wie auch immer wird ja nicht in bar erfolgen.

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  • Keine Sorge, die Genossenschaft haben wir zwischenzeitlich schon ausfindig gemacht und angeschrieben. Es ging mir zunächst nur um die Frage des Verhältnisses zu § 112 InsO zur Genossenschaftsbeteiligung. Da die Schuldnerin aufgrud ihrer Ängste, die Wohnung zu verlieren, unkooperativ war, war meine Überlegung, ihr eventuell mit Hinweis auf die Kündigungssperre des § 112 InsO die Angst zu nehmen und sie so zur Mitwirkung zu bringen, bevor man andere Maßnahmen wie Hinweise auf § 97 InsO ergreift.

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