Pfänder und danach eröffnete Insolvenz

  • Warum sollte der Pfänder aufgehoben werden? Ist der nicht Kraft Gesetzes unwirksam, wenn er innerhalb der Rückschlagsperrfrist zugestellt wurde? :gruebel:

    dann wäre zumindest deklaratorische Aufhebung ratsam

  • Sicherungen, die unter die Rückschlagsperre des § 88 InsO fallen, werden mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes unwirksam. Die Unwirksamkeit erfasst die materiell-rechtliche Wirkung der Pfändung, mithin das Pfändungspfandrecht, nicht die Verstrickung. Besteht die Verstrickung noch fort, kommt ein Wiederaufleben der Sicherung des Gläubigers in Betracht, wenn der betroffene Gegenstand vom Insolvenzverwalter frei gegeben oder das Insolvenzverfahren ohne Verwertung des Gegenstands aufgehoben wird (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/04, BGHZ 166, 74 Rn. 20-23; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 88 Rn. 36-40).

    Die Unwirksamkeit nach § 88 InsO ist insofern eine schwebende. Dies hindert das Vollstreckungsorgan jedoch nicht, die von ihm angeordnete Vollstreckungsmaßnahme im Falle des § 88 InsO von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten uneingeschränkt aufzuheben und damit die Verstrickung zu beseitigen (Jaeger/Eckardt, InsO, § 88 Rn. 61 und 70; MünchKomm-InsO/Breuer, 2. Aufl. § 88 Rn. 23; HK-InsO/Kayser, aaO Rn. 45; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. § 88 Rn. 24 und 27). Ein solches Vorgehen kann schon deshalb angezeigt sein, um zu verhindern, dass der Drittschuldner weiterhin mit befreiender Wirkung an den Gläubiger leisten kann (vgl. § 836 Abs. 2 ZPO).

    BGH, Beschluss vom 19.05.11 - IX ZB 284/09

  • Waaaaat? Dafür gibt´s sogar´ne BGH-Entscheidung???? :eek:

    Ich hab diese "öffentlich-rechtliche Pfandverstrickung" bislang für unnötigen Firlefanz und juristische Wischi-Waschi-Wichtigtuerei gehalten.... Ich weiß ja auch, dass eine einzige Bank ewig und drei Tage drauf rumgeritten ist (das mittlerweile wohl aufgegeben hat).

    Aber danke, wieder was gelernt....

  • Ich habe eine Verständnisfrage zu folgendem Fall, der am hiesigen VG sonst nicht vorkommt:

    Schuldnerin befindet sich derzeit in der Wohlverhaltensperiode nach beendetem Verbraucherinsolvenzverfahren. Sie bittet schriftlich "um Löschung der Pfändungsmaßnahme des Gläubigers X, da dieser in mein Insolvenzverfahren eingeflossen ist."

    Mit dem Pfüb vom 01.12.2014 wurden Ansprüche der Schuldnerin gegen eine Bank gepfändet. Wann die Zustellung des Pfüb an den DS erfolgte, ist mir nicht bekannt.

    Da die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens am 22.01.2015 erfolgte (Antragseingang am 19.01.2015), dürfte ein Fall des § 88 Inso vorliegen.


    Würdet ihr jetzt den Pfüb wegen Verstoßes gegen § 88 Inso vollständig aufheben? :gruebel: Sollten noch Nachweis angefordert werden? Müsste man den Treuhänder beteiligen?

    Mir stellt sich auch die Frage, weshalb der vormals bestellte Insolvenzverwalter = jetziger Treuhänder für das Restschuldbefreiuungsverfahren offenbar keinen Antrag hinsichtlich des Pfüb beim Inso-Gericht gestellt hat? :gruebel:

  • In der WVP gilt § 294 Abs. 1 InsO.

    D. h., doch keine Aufhebung des Pfüb, trotzdem er im zeitlichen Bereich der Rückschlagsperre erlassen wurde und somit Verstoß gegen § 88 Inso vorliegt? :gruebel:


    Der TH wird keine Antrag gestellt haben, da die pfändbaren Beträge bestimmt direkt vom Arbeitgeber abgeführt worden sind.


    Ich weiß nicht, ob die Schuldnerin tatsächlich arbeitet. (Das ist eher zu bezweifeln.)

    Hier im Forum wurde ja schon häufig diskutiert, dass während des Inso-Verfahrens für entsprechende Anträge das Inso-Gericht nach § 89 Inso zuständig ist. Entsprechende Anträge (des Inso-Verwalters?) an das Inso-Gericht müssten also eigentlich öfter vorkommen.

    Von daher erschließt sich mir nicht, weshalb der Inso-Verwalter in meinem Fall wohl keinen Antrag gestellt hat. (Sicher weiß ich es natürlich nicht, mir liegt die Inso-Akte ja nicht vor.)

  • In der WVP gilt § 294 Abs. 1 InsO. D. h., doch keine Aufhebung des Pfüb, trotzdem er im zeitlichen Bereich der Rückschlagsperre erlassen wurde und somit Verstoß gegen § 88 Inso vorliegt? :gruebel: Der TH wird keine Antrag gestellt haben, da die pfändbaren Beträge bestimmt direkt vom Arbeitgeber abgeführt worden sind.

    Ich weiß nicht, ob die Schuldnerin tatsächlich arbeitet. (Das ist eher zu bezweifeln.) Hier im Forum wurde ja schon häufig diskutiert, dass während des Inso-Verfahrens für entsprechende Anträge das Inso-Gericht nach § 89 Inso zuständig ist. Entsprechende Anträge (des Inso-Verwalters?) an das Inso-Gericht müssten also eigentlich öfter vorkommen. Von daher erschließt sich mir nicht, weshalb der Inso-Verwalter in meinem Fall wohl keinen Antrag gestellt hat. (Sicher weiß ich es natürlich nicht, mir liegt die Inso-Akte ja nicht vor.)


    Mit „Anträge“ beim Insolvenzgericht meinst du sicherlich die Erinnerung gegen den PfÜb. Darüber entscheidet der Insolvenzrichter. Lediglich ein Abhilferecht wird dem Rechtspfleger zugesprochen, wobei dabei häufig auch wiederum der Rechtspfleger der Zwangsvollstreckungsabteilung und nicht der Insolvenzabteilung ins Spiel kommt.

    Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass die Drittschuldner die Insolvenzbeschlagnahme gerne vorziehen und andere Pfändungen in der InsO-Zeit von sich aus nicht beachten. Dies insbesondere wenn der Insolvenzverwalter mit den Drittschuldnern in Kontakt steht (ganz ehrlich: ich bin sehr froh drum). Eine „Aufhebung“ oder besser Ruhendstellung (BGH) des PfÜb kommt bei mir eher selten vor.

  • Auch nach Beendigung des InsO-Verfahrens müsste die Schuldnerin sich eigentlich noch im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO auf § 88 InsO stützen können.
    Fragen könnte man sich allenfalls, ob man nach Verfahrensaufhebung eine solche Erinnerung als verwirkt ansehen könnte, da der Sinn und Zweck des § 88 InsO ja nicht die Beseitigung von Pfändungen zugunsten des Schuldners ist, sondern der Schutz der Masse des Insolvenzverfahrens vor kurz vor Eröffnung durch Zwangsvollstreckung begründete Absonderungsrechte.

    Eigentlich kann dies aber dahin gestellt bleiben, da hinsichtlich der Kontogutschriften ab Insolvenzeröffnung zunächst ein Vollstreckungsverbot nach §89 InsO und jetzt in der Wohlverhaltensphase ein solches nach § 294 InsO vorliegt.

    Soweit das Vollstreckungsgericht - Rechtspfleger - die Erinnerung für begründet erachtet, hilft es dieser ab, nachdem es zuvor den Pfändungsgläubiger beteiligt hat.
    Folgt man § 88 InsO führt dies zur Aufhebung des PfÜBs, folgt man § 294 InsO würde man die Wirkungen des PfÜBs aussetzen.

  • Letzteres scheint in meinem Fall "nicht geklappt" zu haben. Sonst würde sich das Problem wohl tatsächlich nicht stellen.


  • Letzteres scheint mir eben die elementare Frage zu sein.

    Bei einer Aufhebung des PfÜb ist der Rang futsch, auch wenn später die Restschuldbefreiung verweigert werden sollte.

    Bei einer Aussetzung nicht.

    Spannende Frage. Vielleicht kann noch jemand etwas beitragen? Mangels Inso-Gericht hier steht auch entsprechende Literatur nicht zur Verfügung.


  • Jetzt habe ich doch noch eine ergänzende Frage zum Sachverhalt:

    Die Schuldnerin begründet ihren Aufhebungsantrag - auszulegen wohl als Erinnerung nach § 766 ZPO (?) - nur damit, dass der Gläubiger am Insolvenzverfahren teilgenommen habe.

    Mal abgesehen davon, dass mir dafür kein Nachweis vorliegt, dürfte ich überhaupt andere (ggf. mögliche andere) Aufhebungsgründe von Amts wegen berücksichtigen? :gruebel:

    Wir befinden uns im ZPO-Verfahren und damit gilt Parteimaxime. Die bloße Beteiligung des Gl. am (bereits beendeten) Inso-Verfahren ist aus meiner Sicht keine hinreichende Begründung für die Aufhebung des Pfüb.

  • Der Onlinekommentar in Beck Online spricht bei § 88 InsO von einem von Amts wegen zu Berücksichtigen Mangel.

    Da du im Erinnerungsverfahren auch die Voraussetzungen der ZV nochmals vollständig durchprüfst, müsstest du dann auch bei entsprechender Kenntnis § 88 InsO berücksichtigen.
    Soweit du eine Glaubhaftmachung seitens der Schuldnerin erwartest, lass dir durch sie den Eröffnungsbeschluss einreichen.

  • Der Onlinekommentar in Beck Online spricht bei § 88 InsO von einem von Amts wegen zu Berücksichtigen Mangel.

    Da du im Erinnerungsverfahren auch die Voraussetzungen der ZV nochmals vollständig durchprüfst, müsstest du dann auch bei entsprechender Kenntnis § 88 InsO berücksichtigen.
    Soweit du eine Glaubhaftmachung seitens der Schuldnerin erwartest, lass dir durch sie den Eröffnungsbeschluss einreichen.


    Ja, du hast wohl recht. (Auch wenn ich es merkwürdig finde, dass die Schuldnerin ein Rechtsmittel mit einer eigentlich nicht zum Erfolg führenden Begründung einreicht und ich dann diesem wegen eines ganz anderen Prüfungspunkts doch entsprechen müsste.)

    Nachweisen müsste sie mir dann wohl auch noch, wann der Pfüb dem Drittschuldner zugestellt wurde. Sonst kann ich ja keinen § 88 Inso prüfen bzw. begründen.

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