Anhörung Nacherben - Ergänzungspfleger nötig?

  • Hallo,
    ich bearbeite erst seit 2 Wochen Nachlass und habe schon einen etwas komplizierten Fall hier.
    Es gibt ein notarielles Testament. Die Ehefrau des Erblassers wird darin zur Vorerbin eingesetzt. Nacherben (bei Tod der Vorerbin) sollen die Enkel des Erblassers sein. Die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft soll hinfällig sein, wenn der Sohn seinen Pflichtteil geltend macht. Für diesen Fall soll die Ehefrau Alleinerbin sein.
    Es liegt ein Erbscheinsantrag der Ehefrau vor (aus Juni 2013), der sie als Alleinerbin ausweisen soll.
    Die Kollegin hat den Erbscheinsantrag an den Sohn zur Kenntnis geschickt. Die Nacherben wurden nicht explizit informiert. Die einzigen Enkel sind die Kinder des Sohnes. Meine Kollegin hat den Sohn nach den gesetzlichen Vertretern angefragt. Es liegt noch keine Rückmeldung vor ob er alleinsorgeberechtigt ist.
    Nun aber meine Frage: Der Sohn hat nachweislich seinen Pflichtteil geltend gemacht. Wäre dann für die Anhörung der Nacherben, seine minderjährigen Kinder, ein Ergänzungspfleger zu bestellen? Die Interessen kollidieren doch hier, da nur durch seine Geltendmachung des Pflichtteils die Nacherbenstellung seiner Kinder entfällt.
    Ich will die Sache aber auch nicht komplizierter als nötig machen.
    Wie lautet denn Eure Meinung dazu?
    Der Notar möchte (natürlich) schnellstmöglich den Erbschein - es geht insgesamt auch um 2,5 Mio. Euro Nachlasswert.
    Aber die Nacherben anhören muss ich doch auf jeden Fall noch, oder?
    Vielen Dank für Eure Meinungen!

  • Wenn der Pflichtteil "nachweislich" geltend gemacht wurde, ist die Nacherbfolge lt Sachverhalt weg. Ich meine, dass hier nicht die Enkel (bzw. ein zu bestellender Pfleger) Beteiligte sind.

  • Also die Testamentseröffnung wurde seinerzeit auch nicht an die Enkel bekanntgemacht. Damals musste ja noch von Vor- und Nacherbfolge ausgegangen werden. Es ist wohl unterblieben, weil die Adressen der gesetz. Vertreter zunächst nicht bekannt waren. Durch mehrfachen Bearbeiterwechsel wurde die Mitteilung dann wohl vergessen.Dann kam der Erbscheinsantrag der Ehefrau als Alleinerbin. Dieser Antrag hätte doch den Enkeln wegen 345 FamFG mitgeteilt werden müssen, oder? Sie verlieren ja ihre Rechtsposition als Nacherben. Ist bei der Anhörung nicht zunächst darauf abzustellen ob sie betroffen sind? Irgendwie habe ich Bauchschmerzen damit dass sie nie angehört wurden.Wäre es nicht denkbar dass das Testament z.B. angefochten werden könnte? Es ist zwar ein notarielles Testament, aber der Wille des Erblassers war ja zunächst dass die Enkel Nacherben sind. Durch die nicht von ihnen beeinflussbare Tatsache dass der Vater seinen Pflichtteil geltend macht, erhalten sie nichts... Da der Nachlasswert in diesem Fall sehr hoch ist, versuchen die Bedachten (oder Nichtbedachten) ja gern mal alles auszuschöpfen um doch noch zu erben.Wenn sie aber weder von der Testamentseröffnung noch vom Erbscheinsantrag je gehört haben...?

  • Der Erblasser hat aber gerade verfügt, dass die Enkel nichts bekommen, wenn der PT verlangt wird. Niemand kann/darf den Sohn hindern, dies zu tun. Dass das wirtschaftliche Auswirkungen auf die Enkel hat, ist unbestritten.
    Von der Testamentseröffnung hätte ich die Kinder benachrichtigt, allerdings z.H. der gesetzlichen Vertreter. Wenn Du willst, kannst Du das ja noch nachholen.
    Jetzt kommt es lediglich darauf an, ob der Sohn den Pflichtteil geltend gemacht hat. Wenn ich daran Zweifel hätte, dann müssten die Nacherben gehört werden und da ist m.E. der Sohn bezügl. seinen Minderjährigen ausgeschlossen. Lt. Deinem Vortrag ist die Geltendmachung aber nachgewiesen.

    Im Übrigen und allgemein: Wenn der Sohn sich auf Anfragen des Gerichts nicht äußert, dann informiere ich den Notar, dass die Bearbeitung von der vorherigen Erledigung der anfrage vom abhängt.

  • ...eine Wendung im Fall:
    Ich hatte mehrere Mails zur Akte gereicht bekommen, in denen der Sohn die als Erbin eingesetzte Ehefrau des Erblassers informierte: "Ich mache hiermit meinen Pflichtteil geltend". Nun plötzlich ist er anwaltlich vertreten und meint das habe er gar nicht so wirklich gewollt. Also liegt mir nun ein Widerspruch zum Erbscheinsantrag vor, die Beteiligten kommen auch auf keinen grünen Nenner. Akte geht dann zum Richter zur Entscheidung.

    Aber zwischenzeitlich habe ich nun einen Antrag auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft vorliegen. Es gibt im Testament noch Vermächtnisse. Eine Vermächtnisnehmerin hat nun den Antrag auf Anordnung der NL-Pflegschaft gestellt, da unklar sei wer Erbe ist.
    Hier ist es aber doch wohl so, dass man von der Erbenstellung der Ehefrau sicher ausgehen kann. Nur der Umfang, nämlich ob sie Alleinerbin oder nur Vorerbin ist, ist derzeit noch unklar.
    Ich würde daher den Antrag ablehen wollen. Was steht Ihr dazu?

  • Richtig. Es würde sich um eine Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB handeln. Der Erbe ist nicht unbekannt, es bedarf keiner Erteilung eines Erbscheins, der Gläubiger kann sich auch auf Grundlage einer Akteneinsicht (Inhalt des Testaments) davon überzeugen, wer Erbe ist (LG Oldenburg, Rpfleger 82, 105). Und auf die Frage, ob die Ehefrau nun Voll- oder Vorerbe ist, kommt es bei der Vermächtniserfüllung nicht an.
    Ein Antrag nach § 1961 BGB wäre daher zurückzuweisen.

    Zu einer anderen unter #1 gestellten Frage: Ich würde die Frage, ob für die Kinder ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist, verneinen. Der Vater ist an der Vertretung nicht gehindert. Es liegt auch kein tatsächlicher Interessengegensatz im Sinne eines Vertretungsentzugs nach § 1796 BGB vor. Der Vater kann aus eigenem Interesse den Pflichtteil verlangen oder aber auch nicht. Dementsprechend kann er die Kinder als mögliche Nacherben im Erbscheinsverfahren auch ordnungsgemäß vertreten, er muss ja praktisch nur angeben, ob er denn nun den PT verlangt hat oder nicht. Und im Zweifel muss hierüber eben Beweis erhoben werden.

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