Vater V ist im Krieg und mit Mutter M verheiratet. Beide haben 2 gemeinsame Kinder A und B. V gerät in Kriegegefangenschaft und stirbt 1945, was durch eine Sterbeurkunde nachgewiesen ist. 1946 bekommt M noch einen Sohn C. Den Vater will sie geheim halten und gibt anstatt dessen V an, obwohl dieser gar nicht der Vater sein kann. In den Wirren der Nachkriegszeit in den ehemaligen Ostgebieten hat sie damit aber Erfolg.
Ich denke nicht, dass zum Vater V eine echte Sterbeurkunde vorliegt, die seinen Tod in Kriegsgefangenschaft 1945 nachweist. Das wäre unüblich.
Vielmehr glaube ich, dass V irgendwann in den Nachkriegsjahren für Tod erklärt wurde und sein Todeszeitpunkt auf den 31.12.1945 festgestellt worden ist. Darüber kann man dann beim Standesamt I in Berlin eine Todesurkunde bekommen.
Und ich glaube auch nicht, dass die Mutter M bei dem 1946 geborenen Kind die Vaterschaft des tatsächlichen Vaters geheim halten wollte. Vielmehr wird es wohl so gewesen sein, dass der Ehemann V zum damaligen Zeitpunkt eben verschollen war und von daher für ihn noch die Lebensvermutung (§ 10 VerschG) galt und er damit als gültiger Ehemann der M nach § 1592 Nr. 1 BGB im Geburtenbuch eingetragen wurde.
Damals war also die Rechtslage eindeutig und das Standesamt konnte wegen der noch immer bestehenden Ehe nicht anders beurkunden.
Natürlich hätte sowohl der tatsächliche Vater und die Mutter M die Vaterschaft nach § 1600 BGB anfechten können, aber ich glaube einfach, dass es in den Jahren nach 1946 wirklich wichtigere Dinge gab, als so ein Gerichtsverfahren...geschweige denn dass es damals überhaupt eine funktionierende Gerichtsbarkeit gab.
Also war das Kind eben aufgrund der gültigen Ehe als eheliches Kind des V+M beurkundet und es erfolgte keine Anfechtung.
Wenn nun irgendwann später die Todeserklärung durchgeführt wurde und der Vater V auf den 31.12.1945 für Tod erklärt wurde, dann ist zu diesem Zeitpunkt die Ehe zwischen V+M offiziell duch Tod eines Ehegatten beendet und es greift § 1593 BGB.
Offenbar erfolgte bisher keine Anfechtung der Vaterschaft im Sinne von § 1600 BGB.
Diese Überlegungen zur tatsächlichen Vaterschaft spielen nun insofern ggf. eine Rolle, wonach zwar ein urkundlicher Nachweis für die Abstammung des C nach V
im Rahmen des Erbscheinsverfahrens nach § 2356 I BGB vorliegt, jedoch für das Gericht Zweifel bestehen können, ob die Abstammung auch tatsächlich gegeben ist und demnach die Erteilung des Erbscheins (mit C als Erbe) im Sinne von § 2359 BGB zu verneinen wäre.
Der Nachweis, dass infolge der Todeserklärung (oder des entsprechenden Todestages des V) und der erst dann nach 300 Tagen erfolgten Geburt des C die Abstammung des C falsch beurkundet ist, kann gegenüber dem Standesamt nach § 54 III PStG geführt werden.
Im Erbscheinsverfahren selbst, ist ebenso ein eigenes Beweisverfahren zum Nachweis der Unrichtigkeit vorgelegter (Personenstands-)Urkunden möglich. Das Gericht muss ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Personenstandsurkunde haben und kann dann in die Beweiserhebung im Sinne von § 26 FamFG einsteigen (vgl. Palandt/Weidlich § 2356 Rn 4).