Erreichbarkeit Tiefgarage

  • Es wird Wohnungs- und Teileigentum gebildet. Eine Teileigentumseinheit besteht aus einer Tiefgarageneinheit mit mehreren Stellplätzen. Die Abgeschlossenheit ist bescheinigt. Die Tiefgarageneinheit ist für Fußgänger aus dem Keller zu erreichen, für Fahrzeuge allerdings nur über das Nachbargrundstück über die dort errichtete Tiefgarage. Diese Tiefgarage ist im Wege der Überbauung errichtet worden, d.h. sie befindet sich zum Teil auf dem aufzuteilenden Grundstück. Ist es erforderlich, dass nach OLG Düsseldorf (RPfl 1987, 15f.) eine Grunddienstbarkeit für alle Wohnungseigentümer eingetragen wird, reicht eine Grunddienstbarkeit für den jeweiligen Eigentümer der Tiefgarageneinheit? Oder muss gar nichts eingetragen werden, da die Einheit auch anderweitig erreicht werden kann (zwar nur durch Fußgänger) und die Erreichbarkeit mit dem Auto auch immer voraussetzt, dass durch die Tiefgarage des Nachbarn, die sich (teileweise auch) auf dem geteilten Grundstück befindet, durchgefahren wird und über eine Dienstbarkeit am Nachbargrundstück allein die Tiefgarage für Fahrzeuge gar nicht erreichbar ist?
    Hat jemand eine Ahnung?

  • Die Erreichbarkeit der Tiefgarage hat eigentlich nur untergeordnete Bedeutung. Frage ist, in wessen Eigentum die Tiefgarage steht. Der BGH sieht die Tiefgarage als einheitliches Gebäude an (Urteil vom 22.5.1981 - V ZR 102/80 = DNotZ 1982, 43). Das OLG Stuttgart, führt im B. vom 05.07.2011, 8 W 229/11, aus: „Zur Beantwortung der weiteren Frage, ob ein einheitliches Gebäude und damit ein Überbau oder selbstständige Gebäude vorliegen, kommt es neben der körperlichen bautechnischen Beschaffenheit gleichermaßen auf die funktionale Einheit an (BGH NJW-RR 1989, 1039; BGH NJW 2008, 1810; je m. w. N.)“ Fritzsche führt dazu im Beck'schen Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, Stand: 01.08.2015, § 94 RN 13 aus: „Da eine Tiefgarage in fremdem Boden und ihre Zufahrt eine funktionale Einheit bieten, kann zumindest beim rechtsgeschäftlich (§ 95) geduldeten Überbau die Zufahrt für das Stammgrundstück maßgebend sein (OLG Stuttgart FGPrax 2011, 285 f; str, krit Wagner IBR 2011, 428; o Verf DNotI-Report 2011, 129 f mwN).“

    Ist die Zufahrt für das Stammgrundstück maßgebend, dann dürfte sie sich in Deinem Fall wohl auf dem Nachbargrundstück befinden. Diesem Grundstück wäre dann die Tiefgarage insgesamt eigentumsmäßig zuzuordnen. Das müsste allerdings durch eine Grunddienstbarkeit abgesichert sein. Da offenbar noch keine die Duldung des Überbaus ausweisende Grunddienstbarkeit in „Deinem“ Grundbuch eingetragen ist, stellt sich die Frage, ob die eigentumsmäßige Zuordnung der Tiefgarage auch noch nachträglich durch die Bestellung einer Grunddienstbarkeit herbeigeführt werden kann.

    Wie hier
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…025#post1015025

    ausgeführt, wird diese Frage wird vom OLG Stuttgart (Urteil vom 19. 12. 2011, 10 U 63/11 = NZM 2012, 578)
    http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laende…&pos=11&Blank=1

    verneint.

    Hingegen hält dies das OLG Karlsruhe, 14. ZS in Freiburg, im B. vom 23.10.2012, 14 Wx 7/11 = BWNotZ 4/2013, 115 http://www.notare-wuerttemberg.de/downloads/bwnotz-4-2013.pdf
    für möglich und zitiert dazu die Entscheidungen des OLG Hamm, DNotZ 1984, 98; OLG Karlsruhe, DNotz 1986, 753; und die Ausführungen bei Demharter, Rpfleger 1983, 133, 136 ff, Wicke, DNotz 2006, 252, 260 ff

    Wird die Grunddienstbarkeit zu Lasten des in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilenden Grundstücks und zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Nachbargrundstücks eingetragen, wäre damit belegt, dass die Tiefgarage insgesamt eigentumsmäßig nicht zum in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilenden Grundstück gehört, d.h. es könnte kein SE an den einzelnen Stellplätzen begründet werden. Vielmehr müsste dann am Nachbargrundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers des in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilenden Grundstücks eine Grunddienstbarkeit bestehend in der Benutzung der betreffenden (Stellplatz-) Flächen zum Zwecke des Abstellens von Kraftfahrzeugen etc. bestellt werden. Die Ausübungsbefugnis aus der auf dem Nachbargrundstück eingetragenen Grunddienstbarkeit könnte dann im Wege der Gebrauchsregelung in der Teilungserklärung für das in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilende Grundstück geregelt werden (OLG Köln, NJW-RR 1993, 982, LG Kassel, MittBayNot 2003, 222 mwN.).

    Besteht hingegen keine funktionale Einheit oder ist ein Stammgrundstück nicht festzustellen, müssten sich die TG-plätze, an denen SE begründet werden soll, komplett auf dem in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilenden Grundstück befinden, d. h., sie dürfen nicht von der Grundstücksgrenze durchschnitten werden (LG Bonn, MittRheinNotK 1982, 248 = MittBayNot 1983, 14; LG München I, MittBayNot 1988, 237; Marcel Sauren, Rpfleger 1985, 265/266; Röll, MittBayNot 1983, 3, 6 ff). . In solchen Fällen könnte dann je übergebautem Gebäudeteil SE begründet werden (LG Düsseldorf, MittRheinNotK 1985, 126; aA: LG Nürnberg-Fürth, DNotZ 1988, 321 mit abl. Anm. Röll) Oppermann, verweist in seinem Betrag „Grundstücksübergreifende Tiefgaragen bei Mehrhausanlagen - Zugleich zur Frage der Abgeschlossenheit von Stellplätzen in „offenen” Tiefgaragen“ in der DNotZ 9/2015, 662 ff darauf, dass eine solche Regelung von von Oefele in Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl., 2013, AT V Rz. 84 mit Fußn. 211 als weitgehend unproblematisch dargestellt wird, während diese Konstellation von Schneider in Meikel, GBO, 11. Aufl., 2015, Rz. 293 als Beispiel für eine Amtslöschung genannt werde.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

    Einmal editiert, zuletzt von Prinz (22. Dezember 2015 um 19:59) aus folgendem Grund: BGH-Az. korrigiert

  • Die Überbaugrunddienstbarkeit ist im Grundbuch des zu teilenden Grundstücks bereits eingetragen. Das herrschende Grundstück wird nicht aufgeteilt, die Tiefgarage reicht bis unter das dienende (aufzuteilende) Grundstück hinunter. An diese Tiefgarage schließt sich die Tiefgarage auf dem dienenden (aufzuteilenden) Grundstück an. Sie ist von der anderen Tiefgarage durch ein Tor abtrennbar. Es soll allerdings kein Sondereigentum an einzelnen Stellplätzen gebildet werden, vielmehr soll eine Tiefgarageneinheit mit 5 Stellplätzen gebildet werden. An diese Tiefgarageneinheit schließt sich wiederum der Keller des Hauses an, der durch eine Tür von der Tiefgarageneinheit getrennt ist.
    Denkst du, dass dann die Bildung von Sondereigentum an der Tiefgarageneinheit nicht möglich ist?

  • Wenn es sich um ein einheitliches Bauwerk handelt und zu Lasten des in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilenden Grundstücks und zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Nachbargrundstücks eine Grunddienstbarkeit eingetragen wurde, die die Duldung des Überbaus mit einer Tiefgarage vom Nachbargrundstück aus zum Gegenstand hat, dann ist damit belegt, dass der Teil der Tiefgarage, der sich auf dem in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilenden Grundstück befindet, als Bestandteil des Nachbargrundstücks gilt, also eigentumsmäßig dem Nachbargrundstück zuzurechnen ist. Zur Frage, ob es sich um ein einheitliches Gebäude handelt, hat der BGH im Urteil vom 23.02.1990, V ZR 231/88, auf die Absichten des Erbauers abgestellt und dazu bestimmte objektive Gegebenheiten, wie z. B. die wirtschaftliche Interessenlage, die Zweckbeziehung des überbauten Gebäudes und die räumliche Erschließung durch einen Zugang (Zitat: BGH, LM § 912 BGB Nr. 9 = WM 1961, 716; vgl. auch schon RGZ 169, 172 (179)) für maßgebend gehalten.

    Wenn ich Deine Ausführungen richtig verstanden habe, dann gibt es für die Tiefgarageneinheit mit den 5 Stellplätzen ja gerade keinen Zugang bzw. keine eigene Zufahrt. Dann aber wäre die Begründung von Sondereigentum an der Tiefgarageneinheit mit den 5 Stellplätzen nicht möglich.

    Anders kann dies nur dann sein, wenn es sich bei der Tiefgarage um jeweils eigenständige Bauwerke, also um zwei Tiefgaragen mit jeweils eigenen Versorgungseinrichtungen (Strom, Entlüftung) handelt. Der BGH führt dazu im Urteil vom 15. 2. 2008, V ZR 222/06, aus:

    „Nur wenn die Grenzziehung zu einer Trennung des Gebäudes in zwei wirtschaftlich selbstständige Einheiten führt, kann jeder Gebäudeteil eigentumsrechtlich dem Grundstück zugeordnet werden, auf dem er steht (Grundsatz der vertikalen Teilung entsprechend dem Gedanken des § 94 I BGB; Senat, WM 2004, 1340 [1341] = BeckRS 2003, 10178). Ragt jedoch ein Teil des einen Gebäudes in das Nachbargrundstück hinein, findet auf diesen Teil, auch wenn es sich nur um eines von mehreren Geschossen handelt, wiederum § 93 BGB Anwendung; nach dem darin zum Ausdruck gekommenen Grundsatz, wirtschaftliche Werte möglichst zu erhalten, werden Räume, die von ihrer Größe, Lage, baulichen Eigenart und wirtschaftlichen Nutzung her einem Gebäudeteil zugeordnet sind, auch eigentumsrechtlich diesem Gebäudeteil zugeordnet, sind also mit dem Eigentum an dem Grundstück verbunden, auf dem sich der maßgebende Teil des Gebäudes befindet (Senat, WM 2004, 1340 = BeckRS 2003, 10178)“.

    Gibt es tatsächlich zwei funktional eigenständige Tiefgaragenbauwerke, dann würde sich lediglich die Frage stellen, ob die Begründung von Teileigentum (Tiefgarage) eine gesicherte Zufahrt voraussetzt. Das dürfte nach OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.1986, 3 Wx 391/86, zu bejahen sein. Das LG Bamberg führt dazu im, Beschluss vom 06.04.2006, 3 T 137/05, aus:

    „..Ein freier Zugang kann auch in der Weise geschaffen werden, dass die Benutzung des im Nachbargebäude befindlichen und im Eigentum eines Dritten stehenden Raumes durch eine Grunddienstbarkeit zugunsten aller jeweiligen Wohnungseigentümer sichergestellt wird. Der freie Zugang zu den Räumen ist nur dann gewährleistet, wenn die Grunddienstbarkeit zugunsten der jeweiligen Eigentümergemeinschaft mit der Folge bestellt wird, dass sie zum wesentlichen Bestandteil (§ 96 BGB) sämtlicher Wohnungs- und Teileigentumsrechte wird. Nur durch Begründung einer Gesamtberechtigung kann verhindert werden, dass die freie Zugänglichkeit der Räume durch rechtsgeschäftliche Absprachen eines einzelnen Wohnungs- oder Teileigentümers mit dem Eigentümer des Nachbargrundstückes beeinträchtigt wird (OLG Düsseldorf NJW-RR 87, 333; Bärmann/Pick/Merle a. a. O. § 3 WEG RdNr. 38 m. w. N.)."

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  • Vielen Dank für die ausführliche Stellungnahme.
    Die Tiefgarageneinheit für das aufzuteilende Grundstück ist vom Keller des Gebäudes durch eine Tür zu erreichen, allerdings nur für Fußgänger. Für Fahrzeuge besteht eine Zufahrt nur über das benachbarte Grundstück. Das Tor zur Trennung der Tiefgarage auf dem aufzuteilenden Grundstück von der anderen Tiefgarage ist auf Weisung der Baubehörde eingeplant worden. Im Zweifel wird es aber immer offen stehen. Wenn man in die Tiefgarage fährt, wird man optisch den Eindruck "einer" Tiefgarage haben.
    Die Erreichbarkeit der Tiefgarage ist damit auch ohne Grunddienstbarkeit gegeben, eine zweckentsprechende Nutzung mit Fahrzeugen allerdings nur mit Grunddienstbarkeit.

  • Kurze Rückfrage:

    Die im Grundbuch des zu teilenden Grundstücks eingetragene Überbaugrunddienstbarkeit betrifft nicht die Duldung des Überbaus mit der kompletten Tiefgarage, sondern nur mit einem Teil ? Ist dieser Teil in der Anlage zur Bewilligung dargestellt ?

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Habe deine Rückfrage gerade erst gelesen.
    Die Dienstbarkeit am aufzuteilenden Grundstück sichert nur den Überbau, soweit die Tiefgarage vom Eigentümer des Nachbargrundstücks errichtet wird. Dieser Teil ist dort farbig umrandet worden. Nur dieser Teil ist Gegenstand der Dienstbarkeit. Aus den Unterlagen zur Dienstbarkeit ist allerdings ersichtlich, dass auf dem dienenden Grundstück angrenzend ebenfalls eine Tiefgarage errichtet wird. Lediglich das jetzt von der Baubehörde verlangte Tor zur Abtrennung ist darauf noch nicht zu sehen.

  • Okay: Dann ist die eigentumsmäßige Aufteilung der Tiefgarage(n) in zwei wirtschaftlich selbständige Einheiten plausibel (und Weihnachten kann kommen:kardinal:). Schöne Festtage zusammen :):):)!

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  • ...Besteht hingegen keine funktionale Einheit oder ist ein Stammgrundstück nicht festzustellen, müssten sich die TG-plätze, an denen SE begründet werden soll, komplett auf dem in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilenden Grundstück befinden, d. h., sie dürfen nicht von der Grundstücksgrenze durchschnitten werden ....

    s. dazu auch den Beschluss des KG Berlin (1. Zivilsenat) vom 10.09.2019, 1 W 127/19 = BeckRS 2019, 21257

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