Zuwendungsverzicht Erbschein?

  • Die Eheleute A und B waren zu je 1/2 Eigentümer eines Grundstücks und haben 1967 ein privatschriftl. Berliner Testament gemacht, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und den gemeinsamen Sohn S zum Schlusserben einsetzen. Die Ehefrau B stirbt 1971. Es wurde ein Erbschein erteilt für den Ehemann A als Alleinerben, der auf dieser Grundlage als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen wurde.
    Nun ist A verstorben. Mir liegt nun ein Antrag auf Grundbuchberichtigung vor, gestellt von der zweiten Ehefrau (C) des A. Grundlage ihres Erbrechts soll sein ein notarielles gemeinschaftliches Testament von 1976, in dem sich A und C gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. In den Nachlassakten befindet sich eine notariell beglaubigte Abschrift eines notariell beurkundeten Zuwendungsverzichts zwischen A und S, in dem der S auf sein testamentarisches Erbrecht aus dem Testament von 1967 verzichtet. Soweit, so gut (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, 12 Wx 62/12 -juris-). In dieser OLG-Entscheidung wird allerdings die Frage offengelassen, ob dieser Zuwendungsverzicht sich auch auf eventuelle Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, da dies im dortigen Fall irrelevant war. Dies ist bei mir anders, da gem. § 2069 BGB dann die Abkömmlinge des S an seine Stelle treten würden und das neue Testament zugunsten der zweiten Ehefrau dann ggf. trotz des Zuwendungsverzichts unwirksam wäre.
    Im Kommentar von Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Rdnr. 5 ff. zu § 2352 BGB -juris- heißt es zu diesem Problem, dass die grundsätzliche Erstreckung des Verzichtes auf die Abkömmlinge des Verzichtenden nur gilt für Erbfälle nach dem 01.01.2010. Für Erbfälle vor diesem Zeitpunkt hingegen verbleibt es danach bei der Auslegungsregel des § 2069 BGB! Ich frage mich jetzt aber, auf welchen Erbfall hier abzustellen ist! Ist damit der Erbfall der ersten Ehefrau B 1971 gemeint? Oder kommt es auf den Erbfall nach A im Jahre 2020 an? Ich tendiere zu letzterem, da der Zuwendungsverzicht ja zwischen S und A geschlossen wurde und nicht zwischen S und B. Somit wäre dann der Verzicht des S für seinen ganzen Stamm als wirksam anzusehen mit der Folge, dass A neu testieren durfte und damit C Alleinerbin des A geworden wäre.
    Da ich mit jedoch nicht ganz sicher bin, bitte ich um Überprüfung und Stellungnahme der geballten Intelligenz des Rechtspflegerforums:)!

  • Nach nochmaligem Durchdenken kann es eigentlich nur auf den Erbfall nach dem Letztversterbenden (hier also A) ankommen. Denn der verzichtende S wird ja als Schlusserbe nur Erbe des zuletzt verstorbenen A, nicht jedoch der Erstverstorbenen B! Oder übersehe ich da jetzt irgendwas:gruebel:?

  • Es ist auf den jetzigen Erbfall abzustellen. Falls der/die Enkel nicht im Testament als Ersatzerbe/n eingesetzt ist/sind (es genügt: Ersatzerbe sind die Abkömmlinge unseres Sohnes), dann wirkt der Verzicht, sonst nicht.

  • Es ist auf den jetzigen Erbfall abzustellen. Falls der/die Enkel nicht im Testament als Ersatzerbe/n eingesetzt ist/sind (es genügt: Ersatzerbe sind die Abkömmlinge unseres Sohnes), dann wirkt der Verzicht, sonst nicht.


    So sehe ich das auch :abklatsch!
    Eine ausdrückliche Ersatzerbeneinsetzung enthält das Testament nicht, so dass ich dann hier gem. §§ 2352 S. 3, 2349 BGB von der Erstreckung des Zuwendungsverzichts auf den ganzen Stamm des S und damit vom Wegfall der Bindungswirkung aus dem ersten Testament ausgehe. Vielen Dank fürs Mitdenken!

  • Zunächst ist zu prüfen, ob der Enkel überhaupt Ersatzschlusserbe ist. Ist er es nicht, stellt sich auch die Frage nicht, ob der Zuwendungsverzicht zu seinen Lasten wirkt. Ist er es aber (ggf. auch über § 2069 BGB), wirkt der Zuwendungsverzicht des Sohnes wegen Art. 229 § 23 Abs. 4 EGBGB auch zu Lasten des Enkels, es sei denn, beim Zuwendungsverzicht wäre etwas anderes bestimmt worden (§ 2352 S. 2 BGB i.V.m. § 2349 BGB). Ob der Zuwendungsverzicht auch zu Lasten des Enkels wirkt, bestimmt sich somit alleine nach dem Inhalt des Zuwendungsverzichtsvertrages, der ggf. im Hinblick auf diese Frage der Auslegung bedarf. Dieses Auslegungsproblem stellt sich in verschärfter Weise bei vor dem 01.01.2010 beurkundeten Zuwendungsverzichten, weil man im Zeitpunkt der Beurkundung noch nicht davon ausgehen konnte, dass der Verzicht für die Abkömmlinge des Verzichtenden wirkt.

    Wenn der Verzicht im vorliegenden Fall nicht zu Lasten des Enkels wirkt, kann man über die Problematik der Wechselbezüglichkeit evtl. gleichwohl zur Alleinerbenstellung der zweiten Ehefrau des Erblassers gelangen, wenn sich die Ersatzerbenstellung des Enkels nicht aus einer individuellen Testamentsauslegung, sondern „lediglich“ aus der Auslegungsregel des § 2069 BGB ergibt und die Wechselbezüglichkeit daher im Ergebnis auf der kumulativen Anwendung zweier Auslegungsregeln beruhen würde. In diesem Fall konnte der Erblasser ohnehin erneut frei testieren.

    Ob man diese Frage im Grundbuchverfahren ohne Erbschein beantworten kann? Wie will das Grundbuchamt ohne weitere Ermittlungen eine individuelle Testamentsauslegung zugunsten einer Ersatzerbenstellung des Enkels verneinen?

  • In der Vorbemerkung der Urkunde über den Zuwendungsverzicht von 1976 haben A und der damals 19-jährige S (der damals vermutlich noch keine Kinder hatte) ausdrücklich erklärt, dass Grund für den Zuwendungsverzicht des S der Wunsch des A sei, mit seiner zweiten Ehefrau ein neues Ehegattentestament errichten zu können, woran er aufgrund der Bindungswirkung des ersten Testaments gehindert sei. Ich denke, bei dieser Sachlage ist eindeutig davon auszugehen, dass sich der Verzicht hier auch auf eventuelle Abkömmlinge des S erstreckt, da nur damit das gewünschte Ziel des Verzichts erreicht wird. Ob der S tatsächlich inzwischen Abkömmlinge hat, ist mir unbekannt, tut aber m.E. hier auch nichts zur Sache!

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