Erbschein erforderlich?

  • Ich habe in dem folgenden Fall eine Grundbuchberichtigung nach dem Tode des Erstverstorbenen einzutragen:
    Ehegatten haben sich im Jahr 1975 in einem notariellen gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und die Tochter als Schlusserben eingesetzt. Dieses Testament wurde eröffnet. Aus den Nachlassakten (dasselbe Gericht) ergibt sich, dass die Ehegatten im Jahr 2001 ein weiteres notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet haben, das später aus der amtlichen Verwahrung genommen wurde und damit widerrufen ist.

    Gemäß § 2258 Abs. 2 BGB ist im Falle des Widerrufs des späteren Testaments im Zweifel das frühere Testament in gleicher Weise wirksam, wie wenn es nicht aufgehoben worden wäre. Der Inhalt des späteren Testaments ist mir nicht bekannt, demzufolge auch nicht, ob es mit der Alleinerbeneinsetzung des Längstlebenden im Widerspruch stand oder, ob es das erste Testament überhaupt aufgehoben hat (evtl. auch nur Ergänzung).

    Meikel / Böttcher, GBO, 12. Auflage 2021, § 35 GBO, Rn. 119 sagt folgendes dazu:
    „Nach der Rechtsprechung hat das Grundbuchamt bei Prüfung des Testaments nach Form und Inhalt die gesetzlichen Auslegungsregeln zu beachten. Genauer ist die Formulierung, dass das Grundbuchamt gesetzliche Auslegungsregeln nur dann zu berücksichtigen hat, wenn auch das Nachlassgericht voraussichtlich darauf zurückgreifen muss. Deshalb setzt die Anwendbarkeit von Auslegungsregeln stets die Ermittlung und Prüfung von tatsächlichen anderweitigen Umständen voraus, die außerhalb der letztwilligen Verfügung liegen können. In diesem Fall greift aber wieder das für das Grundbuchamt bestehende Ermittlungsverbot ein. Derartige Ermittlungen hat vielmehr das Nachlassgericht zu führen. Das Grundbuchamt muss in derartig gelagerten Fällen einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis fordern.“
    Ist ein Erbschein erforderlich?
    Für Meinungen wäre ich sehr dankbar.

  • M.E. ist hier kein Erbschein erforderlich. Das GBA kann hier wegen § 2258 Abs. 2 BGB von der Wirksamkeit des ersten Testaments ausgehen. Konkrete Anhaltspunkte gegen die Wirksamkeit dieses ersten Testamentes gibt es m.E. nicht. Man weiß ja noch nicht einmal, ob das spätere Testament das erste überhaupt aufgehoben hat, da man den Inhalt dieses späteren Testaments nicht kennt (und vermutlich auch nicht mehr in Erfahrung bringen kann, da es vermutlich nach der Rücknahme vernichtet wurde).

  • Auch m.E. ist kein Erbschein erforderlich.

    Wenn nur eines von zwei Testamenten aus der besonderen amtlichen Verwahrung desselben Gerichtes genommen wird, impliziert dies für mich auch den Willen, dass dieses Testament fortgelten soll.

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