Gegenständlich Beschränkte erbvertragliche Bindung?

  • Der Vater (V) des Erblassers (E) hatte neben umfangreichen Bar- und Grundvermögen einen landwirtschaftlichen Betrieb (Höfeordnung gilt nicht) und Anteile an einer Molkerei eG.

    1975 schlossen der damals unverheiratete E und V einen Erbvertrag, in dem nur E verfügte und zwar wie folgt:

    "Ich setze meine ehelichen Kinder, ersatzweise meine Eltern, nach dem Versterben eines Elternteils den Überlebenden alleine, im weiteren Ersatzfalle meine Geschwister und deren Abkömmlinge, alle unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, zu meinen Erben ein. Auf mein Recht zur Anfechtung wegen des Übergehens unbekannter Pflichtteilsberechtigter verzichte ich.
    Alle Verfügungen sind mit erbvertraglicher Bindung getroffen, über die der Notar belehrt hat. Die Bindungswirkung gilt jedoch nur, soweit von der Erbfolge der [Name des Hofs des Vaters], Anteile an der Molkerei eG oder Grundstücke und sonstige Vermögenswerte, die ich von meinen Eltern oder von meinen Geschwistern durch Schenkung oder Erbschaft erhalten habe, betroffen sind. Bezüglich aller anderen Vermögenswerte und Gegenstände in meinem Eigentume behalte ich mir vor, abweichend zu testieren.
    Wir nehmen alles vorstehender zur gegenseitigen Bindung an.
    "

    E heiratete im Jahr 1989 seine Frau F, die Ehe blieb kinderlos. Auch andere Kinder hatte E nicht. Im Jahr 1990 setzten sich E und F in einem Erbvertrag gegenseitig zu Alleinerben ein.

    E ist im Jahr 2020 verstorben. Er interläßt u.a. Miteigentumsanteile an den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, Gebäuden und Betriebsteilen, die zusammen den [Name des Hofs des Vaters] bilden; diesen hatten E und seine Geschwister von V 1992 übergeben bekommen. Daneben ist weiteres Vermögen vorhanden (EFH mit Ehefrau, Bar- und Sparguthaben etc - E war Bankkaufmann gewesen und hatte immer ganz gut verdient).

    Meine Frage ist: Gibt es gegenständlich beschränkte erbvertragliche Bindung (also der oben rot markierte Teil)? Ich war immer der Auffassung, dass ich nur die Erbeinsetzung insgesamt oder Vermächtnisse pp (§ 2278 Abs. 2 BGB) bindend machen kann, aber nicht "Erbeinsetzungen für einzelne Gegenstände" treffen kann. Darauf liefe die "gegenständlich beschränkte Bindung" aber hinaus.

    Und was wäre die Folge, wenn es nicht ginge? Die Bindung ist weg, der neue Erbvertrag gilt, aber sind im Erbvertrag durch Auslegung ggf. bindende Vermächtnisse zugunsten der Geschwister vorhanden? Ich würde dahin tendieren, dass die Bindungswirkung insgesamt entfällt und die gegeseitige Erbeinsetzung im Erbvertrag von 1990 wirksam ist.

    Über Meinungen würde ich mich freuen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub


  • Meine Frage ist: Gibt es gegenständlich beschränkte erbvertragliche Bindung (also der oben rot markierte Teil)? Ich war immer der Auffassung, dass ich nur die Erbeinsetzung insgesamt oder Vermächtnisse pp (§ 2278 Abs. 2 BGB) bindend machen kann, aber nicht "Erbeinsetzungen für einzelne Gegenstände" treffen kann. Darauf liefe die "gegenständlich beschränkte Bindung" aber hinaus.

    Ich denke, dass das nicht geht. Mit dir bin ich der Auffassung, dass eine Bindung nur auf einzelne (zulässige) Verfügungen von Todes wegen beschränkt werden kann. Da eine gegenständlich beschränkte Erbeinsetzung unzulässig ist, kann auch keine gegenständlich beschränkte Bindungswirkung erzeugt werden.

    Und was wäre die Folge, wenn es nicht ginge? Die Bindung ist weg, der neue Erbvertrag gilt, aber sind im Erbvertrag durch Auslegung ggf. bindende Vermächtnisse zugunsten der Geschwister vorhanden? Ich würde dahin tendieren, dass die Bindungswirkung insgesamt entfällt und die gegenseitige Erbeinsetzung im Erbvertrag von 1990 wirksam ist.


    Die Auslegung als bindenden Vermächtnis ist m.E. grundsätzlich denkbar, aber eher fernliegend. M.E. wäre eher an eine entsprechende Umdeutung zu denken.

    Ich denke, dass die Auslegung ergeben muss, dass keine bindende Erbeinsetzung vorliegt, sodass der Erbvertrag von 1990 für die Erbfolge maßgeblich ist.
    Da ein Erbvertrag ohne Bindungswirkung witzlos ist scheint mir eine Umdeutung in bindende Vermächtnisse auch im Sinne des Rechtsgedankens aus §2084 BGB eine nicht allzu fernliegende Lösung zu sein. Anderenfalls würden die Interessen des V komplett den Bach herunter fallen.

    Sofern der genannte Hof ein Hof i.S.d. Höfeordnung ist könnte es zudem sein, dass wegen der höferechtlichen Sondererbfolge (§4ff HöfeO) insoweit eine gegenständlich Beschränkung der Bindungswirkung möglich ist. Mit den Besonderheiten des Hoferbrechts kenne ich mich allerdings nicht gut aus, weshalb ich die Rechtsfolgen (zumindest ad hoc) nicht vollends zu umfassen vermag.

  • Es geht hier nach meiner Ansicht überhaupt nicht um eine gegenständlich beschränkte Bindungswirkung, sondern die verfügte Erbeinsetzung soll bindend sein, wobei dem Erblasser vorbehalten war, über alle Gegenstände, die nicht von der besagten gegenständlichen Umschreibung umfasst sind, abweichend mittels Vermächtnisanordnungen zu verfügen. Das ist ohne weiteres zulässig und weithin üblich und im Zweifel wäre dies auch in dieser Weise auszulegen.

    Die Erbeinsetzung im zweiten Erbvertrag als entsprechende erbvertragliche (oder ggf. auch einseitige) Vermächtnisanordnungen zugunsten der Ehefrau zu interpretieren, dürfte wohl kein Problem sein, zumal der Erblasser danach nicht mehr neu testiert hat und die Zuwendung seitens der Ehefrau ohnehin durch das Vorversterben des Erblassers gegenstandslos geworden ist.

    Damit tritt exakt das im ersten Erbvertrag beschriebene Ergebnis ein, nur dass die Eherfrau eben nicht Erbin, sondern Vermächtnisnehmerin ist.

    Nur nebenbei und der Vollständigkeit halber: Eine konkludente Aufhebung des ersten Erbvertrags mittels der von den Vertragschließenden abgegebenen notariellen Erklärungen anlässlich der Übergabe im Jahr 1992 sehe ich nicht. Man könnte zwar argumentieren, dass es keinen durch Vormerkung gesicherten Rückübereignungsanspruch für den Fall des kinderlosen Versterbens des Erwerbers gibt und der Erwerber im Zeitpunkt der Übergabe bereits verheiratet war. Dem ließe sich aber entgegenhalten, dass der erste Erbvertrag ja genau vor diesen durch das kinderlose Versterben des Erwerbers herbeigeführten unliebsamen Folgen schützen soll und es eben wegen jenen Schutzes nicht noch zusätzlichen Sicherungsvereinbarungen anlässlich der Übergabe bedurfte.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!