Notariatsreform in Baden-Württemberg

  • Dass die Anhörung im Landtag eher selten etwas bringt, habe ich auch schon aus anderen Bundesländern gehört. Sagen wir mal so: Eine Initiative landet meist auf Veranlassung der Regierungspartei (gehen wir mal verfassungsgemäß von einer funktionierenden Gewaltenteilung aus ...) zum Diskutieren im Parlament. Die will natürlich nicht dumm dastehen.

    Deswegen meine ich, müsste man die Vergangenheit lassen, wo sie ist, und den Weg über einflussreichere Gruppen gehen, von denen wir mal annehmen, dass die von ihrem Glück noch nichts wissen. Liebe Kollegen, wenn Ihr es jetzt nicht wenigstens ernsthaft probiert, wird das nichts mehr ...

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Bei uns werden derzeit die Karten absolut neu gemischt.
    Da ist durchaus mit einigem zu rechnen.

    Allerdings gibt es das Beharrungsvermögen der (Ministerial) - Bürokratie, auch da ist mit einigem zu rechnen.

    Und nicht zu vergessen die bereits geschaffenen Fakten.

  • Im Koalitionsvertrag von Rot/Grün wird angekündigt, dass über die Reform nochmals nachgedacht wird. Es wird abzuwarten sein, ob der neue Justizminister, Stückelberger sich noch an seine früheren Aussagen zu der Reform erinnert.

  • Deswegen meine ich, müsste man die Vergangenheit lassen, wo sie ist, und den Weg über einflussreichere Gruppen gehen, von denen wir mal annehmen, dass die von ihrem Glück noch nichts wissen. Liebe Kollegen, wenn Ihr es jetzt nicht wenigstens ernsthaft probiert, wird das nichts mehr ...



    Das Problem ist leider, dass sich die verschiedenen Akteure keinesfalls darüber einig sind, was denn eigentlich das Ziel sein soll. Auf der einen Seite die staatlichen Grundbuchämter und deren Beschäftigten, die kommunalen Beschäftigten der kommunalen Grundbuchämter, die Rechtspfleger der staatlichen 11 Grundbuchämter, die Bereisungsrechtspfleger der kommunalen Grundbuchämter, Ratschreiber (Diplom-Verwaltungswirte) und Ratschreiber (Diplom-Rechtspfleger) und Ratschreiber (mittlerer Verwaltungsdienst od. Verwaltungsfachangestellte), die staatlichen Mitarbeiter der württ. Bezirksnotare, württ. Bezirksnotare und badische Richter-Notare. Sie alle verfolgen zum Teil konträre Ziele und Interessen. Alle beäugen sich eifersüchtig, dass nur ja keine Gruppe etwas mehr Vorteile haben könnte als die andere. Beispiel: Den Beschäftigten der staatlichen GBÄ ist es schon lange ein Dorn im Auge, dass die kommunalen GBÄ eine sehr großzügige Personalausstattung haben und im Durchschnitt besser besoldet sind. Dazu kommt dann noch das die Bevölkerung diese GBÄ sehr schätzt, weil sie aufgrund der besseren Personalausstattung schneller und unbürokratischer einträgt, während über die staatlichen GBÄ von Seiten der Bevölkerung aufgrund der skandalösen Personalausstattung keinen vergleichbar guten Ruf besitzen, da die Eintragungen dort eben länger dauern. Bereisungsrechtspfleger neiden den staatlichen Rechtspflegern, dass sie keinen eigentlichen Arbeitsplatz für sich haben und ständig nur bei den Kommunen als Gast zu Besuch sind, während die staatlichen Rechtspfleger wieder sagen, das Arbeiten sei für die Bereisungsrechtspfleger sei wegen der noch größeren Vorbereitungsaufgaben der Ratschreiber wesentlich entspannter und angenehmer als im staatlichen Bereich. Ich denke auch an den Streit Übernahme kommunaler Ratschreiber mit Rechtspflegerhintergrund oder den wegen der Bereichsrechtspflegeridee der CDU-Fraktion.

    Fazit: Politik und Ministerialbürokratie haben ein leichtes Spiel, sie brauchen nämlich nur die einzelnen Gruppen gegeneinander auszuspielen und kann machen, was sie will.

    Ich habe schon oft gesagt, Leute zieht doch an einem Strang. Aber ich habe schon lange die Hoffnung aufgegeben, dass ich das irgendwann noch erlebe. Bei der Reform ist sich - leider - jede Gruppe selbst am nächsten.

  • Deswegen ist es so schwer Rat zu pflegen, besonders mit der Masse, die im Täglichen ganz verständig ist, aber selten weiter sieht als auf morgen. Kommt nun gar dazu, dass der eine bei einer gemeinsamen Anstalt gewinnen, der Andere verlieren soll, da ist mit Vergleich nun gar nichts auszurichten.

    So schrieb Goethe.

    Und Cromwell schreibt: Dann geschieht Euch recht.

  • Der Koalitionsvertrag ist hier zu finden:

    http://gruene-bw.de/fileadmin/grue…vertrag-web.pdf

    Die Aussagen zur Notariats- und Grundbuchreform finden sich auf Seite 64.

    Den Kommunen wurde die Reform damit „schmackhaft“ gemacht, dass sie die benötigten Informationen online abrufen können. Jedenfalls gab es im Vorfeld (und gibt es bislang) von Seiten der örtlichen Kommunen bzw. der Stadt keine nennswerten Einwände. Im Gegenteil: hier wird in regelmäßigen Abständen nachgefragt, wann denn nun die vom staalichen Grundbuchamt belegten Räumlichkeiten frei werden. Der Umstand, dass der Wegfall der Unterbringungs- und Ausstattungspflicht der Gemeinden nach § 27 LFGG für den kommunalen Finanzausgleich Folgen haben dürfte (+ evtl. auch für die Gebührenbefreiung nach § 7 LJKostG), scheint dagegen in den Hintergrund zu treten.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)



  • Jedenfalls gab es im Vorfeld (und gibt es bislang) von Seiten der örtlichen Kommunen bzw. der Stadt keine nennswerten Einwände. Im Gegenteil: hier wird in regelmäßigen Abständen nachgefragt, wann denn nun die vom staalichen Grundbuchamt belegten Räumlichkeiten frei werden.


    Kein Wunder, denn den Kommunnen wurde "alternativlos" die Reform von der Regierung aufgezwungen. Jetzt wollen sie die leidige Sache möglichst bald hinter sich bringen.

  • Wenn die Kommunen keine "nennenswerten Einwände" gegen die Reform vorgebracht haben, wirft dies kein gutes Licht auf deren (durch ihre Sachbearbeiter repräsentierten) Kenntnisse im Grundbuchrecht.

    Wenn man von einer Sache nichts versteht, dann sollte man im Rahmen einer Stellungnahme nicht schreiben, dass mein keine Einwände hat, sondern dass man nicht beurteilen kann, ob es begründete Einwände gibt.

  • Der künftige Justizministers Rainer Stickelberger hat die Standortkonzentration der Grundbuchämter bislang recht kritisch beurteilt; s. die Anfrage vom 15.04.2008
    http://www.landtag-bw.de/wp14/drucksachen/2000/14_2605_d.pdf
    und den Gegenstand der Anhörung im Landtag vom 23.10.2008
    http://www.landtag-bw.de/Gremien/Aussch…ss_23_10_08.pdf
    In Verbindung mit dem Koalitionsvertrag lässt das die Hoffnung aufkeimen, dass die Standortdebatte -auch mit Blick auf die Situation der Mitarbeiter/Halbtagskräfte- neu geführt werden wird.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Na, ja, ich gehe mal davon aus, dass das Land aus dem Vertrag nicht heraus kommt. Aber vielleicht gibt es ja noch anderweitige Verwendungszwecke. Schließlich ist man ja noch auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten nach dem Therapieunterbringungsgesetz. Und so ein Lurchhaus nebenan könnte der Therapie ja dienlich sein...;)

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Mich würde heutzutage nichts mehr wundern - auch abgeschlossene Verträge können wieder geändert werden !
    Siehe den Beschluß der Angela über die Abschaltung von Atomkraftwerken. Wer hätte vorher sowas für möglich gehalten?
    Und so wie die grün/rote Regierung in Baden-Württemberg mit Änderungen rangeht, halte ich eine Änderung der geplanten Reform nicht nur für möglich - sondern sogar für sehr wahrscheinlich!

  • Na, ja, ich gehe mal davon aus, dass das Land aus dem Vertrag nicht heraus kommt.


    Hierzu fällt mir nur ein:
    "Wer will, findet Wege.
    Wer nicht will, findet Gründe."
    (Wendelin Wiedeking - egal was man sonst von ihm halten mag)

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Der für den 13. Mai 2011 vorgesehene Gesprächstermin zwischen Justizministerium und Kommunalen Landesverbänden ist im Hinblick auf die Ministerpräsidentenwahl am Vortag und den Koalitionsvertrag auf den 13. Juli 2011 verlegt worden.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Ich glaube damit kaum noch, dass am 01.01.2012 irgendetwas eingliedert wird.

    Ich hoffe, nur irgendjemandem fällt auf, dass selbst, wenn am 01.01.2012 begonnen würde, gerade mal noch 6 Jahre Zeit bleiben bis zum 31.12.2017 um 665 Grundbuchämter einzugliedern. Man ging ja davon aus (ursprünglicher Pilot AG Emmendigen), dass man im ersten Jahr gerade mal 9 GBÄ eingliedern könnte. Im Bereich des AG Emmendingen gibt es aber 79 GBÄ, gibt also 8,7 Jahre.

    Ich glaube am 1.1.2012 gibt es weder eine funktionierende Software, noch ausgebaute Standorte, noch ein funktionierendes Konzept als Nachfolge des Org.Handbuchs. So wird vielleicht am 1.1.2018 doch nichts anderes übrig bleiben, als bisherige GBÄ zu AG-Außenstellen zu erklären, um in Übereinstimmung mit der GBO zu bleiben.

  • Unser Amtsleiter geht nächstes Jahr in Ruhestand und wird nicht mehr ersetzt, weil die Gemeinde ja fest mit der Auflösung des kommunalen Grundbuchamtes und der Übernahme durch das Land rechnet. Das restliche Personal (u.a. ich) geht weg! Bei anderen Gemeinden läufts so ähnlich.
    Den Schlamassel sehe ich kommen.

  • Ich glaube damit kaum noch, dass am 01.01.2012 irgendetwas eingliedert wird.

    Ich glaube am 1.1.2012 gibt es weder eine funktionierende Software, noch ausgebaute Standorte, noch ein funktionierendes Konzept als Nachfolge des Org.Handbuchs. So wird vielleicht am 1.1.2018 doch nichts anderes übrig bleiben, als bisherige GBÄ zu AG-Außenstellen zu erklären, um in Übereinstimmung mit der GBO zu bleiben.


    So wird es kommen.
    Die Praxis sieht die Kiste gegen die Wand fahren.
    Die Entscheider sehen und hören die Praxis nicht.

    Und irgendwann wird einer hinstehen und sagen:
    Ja warum hat uns denn niemand gewarnt!:mad:

  • Prof. Dr. Rolf Stürner in der BWNotZ:
    1. Das Notariat und die Europäischen Institutionen
    Man sollte sich allerdings keine Illusionen darüber machen, dass auch die Rechtsform des Nurnotariats in heutiger Zeit keinen sicheren Hafen vor den Stürmen der Gegenwart bietet. Die Verfahren vor dem EuGH um Notargebühren und Staatsangehörigkeit und der Kampf der Europäischen Kommission um die Einordnung des freien Notariats als wettbewerbsunterworfene private Dienstleistung neben anderen Rechtsdientsleistungen sind keine zufälligen oder vereinzelten Aktionen.15 Vielmehr sind sie Ausdruck eines Ringens um die neue Gestalt europäischer Rechtskultur und gesellschaftlicher Kultur. Bei diesem Ringen ist der Gedanke vorsorgender Rechtspflege in die Defensive geraten und bedarf der Verteidigung, soll er nicht untergehen und mit ihm das freie Notariat in seiner gegenwärtigen Gestalt. Es ist nicht sicher, ob erste Wellen grundsätzlicher neuer Erschütterung das Notariat nicht noch erreichen könnten, ehe die Baden-Württembergische Regionalreform zu einem guten Ende gekommen ist.
    2. Das Ringen der Rechtskulturen
    Innerhalb der Europäischen Union und innerhalb Deutschlands tobt – von vielen leider nicht zutreffend oder gar nicht wahrgenommen – der Kampf zweier Rechtskulturen, nämlich der kontinentaleuropäischen und der anglo-amerikanischen. Das weitere Schicksal des Notariats wird maßgeblich davon abhängen, wie diese Auseinandersetzung ausgehen wird. Wenn die wesentliche Substanz kontinentaler Rechtskultur erhalten bleiben wird, so wird das deutsche Notariat in seiner gegenwärtigen Gestalt als wesentliches Element vorsorgender Rechtspflege überleben. Wenn das Gedankengut gegenwärtiger anglo-amerikanischer Rechtskultur sich stärker durchsetzen kann, so müsste dies zur weitgehenden Abschaffung des Beurkundungszwangs, zur Aufhebung geregelter Gebühr und Lokalisation sowie anderer standesrechtlicher Regulierung führen. Notarielle Beurkundung wäre ein Angebot besonderer qualitativer Vorsorge, das der Bürger annehmen könnte oder ablehnen dürfte, um sich mit bloßer Schriftlichkeit ohne besondere neutrale Betreuung zu begnügen. Lassen Sie mich die unterschiedlichen Ausgangspunkte beider Rechtskulturen skizzieren, um auf diese Weise den Blick für die Alternativen zu schärfen.

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