Gewährung Unterhalt an Dritte?

  • mein schuldner (ehemann, selbständig tätig, einzelunternehmen wird im verfahren mit überschüssen fortgeführt) beantragt die gewährung von unterhalt aus seiner masse an seine ehefrau (eigenes insolvenzverfahren eröffnet, einzelunternehmen, aber aus gesundheitlichen gründen nicht mehr fortgeführt).

    1. frage: bin ich zuständig? eigentlich müsste doch die ehefrau die gewährung von unterhalt (und es geht ausschliesslich um ihren unterhalt) aus der eigenen insolvenzmasse beantragen. für dieses verfahren wäre ein kollege zuständig.

    2. frage: kann aus meiner insolvenzmasse eigentlich unterhalt an einen dritten (hier: ehefrau des schuldners) gewährt werden? laut § 100 abs. 2 s. 2 inso ist das ja möglich. ist der schuldner insoweit antragsberechtigt? hatte das schon mal jemand? im berichts- und prüftermin des ehemannes wurde entschieden, dass dem schuldner bei fortführung in anlehnung an § 850 c zpo die höhe seiner nicht pfändbaren anteile als unterhalt aus der masse gewährt werden. was im verfahren der ehefrau zum unterhalt im termin entschieden wurde, ist mir nicht bekannt.

    3. frage: kommt der ehemann und schuldner seiner gesetzlichen unterhaltspflicht ggü seiner ehefrau tatsächlich nach, erhöhen sich für ihn bei der berechnung des pfändbaren einkommens doch die pfändungsfreigrenzen. die berechnung ist doch aber aufgabe des IV und er muss die unterhaltsverpflichtungen v.A.wg. beachten.

    hätte gern mal eure meinungen dazu gewusst.

    lg, clarence

  • 1. Die Entscheidung über die Gewährung von Unterhalt aus der Insolvenzmasse liegt in der alleinigen Zuständigkeit der Gläubigerversammlung; bis zu deren Entscheidung kann der IV - ggf. mit GA - vorläufig Unterhalt bewilligen. Die Entscheidung nach § 100 InsO ist obligatorischer TOP in der Gläubigerversammlung. Das Insolvenzgericht ist allenfalls dann für die Entscheidung über Unterhaltsgewährung und -höhe zuständig, wenn die Gläubigerversammlung beschließt, die Entscheidung dem Insolvenzgericht zu übertragen.

    Daraus folgt u.a., dass es weder eines Antrags des Schuldners bedarf, noch dass ein solcher Antrag vom Gericht zu verbescheiden wäre. Ein Antrag des Schuldners ist vielmehr als Anregung an die Gläubigerversammlung zu werten, die dann allerdings erst mal einberufen werden müsste, was der Schuldner nicht bewirken kann, § 75 InsO.

    2. Aus "Deiner" Insolvenzmasse kann Unterhalt an Dritte gewährt werden, und zwar auch an die Ehefrau des Schuldners, und auch dann, wenn über deren Vermögen ein eigenes Insolvenzverfahren läuft. Da die Entscheidung nach § 100 InsO im alleinigen Ermessen der Gläubigerversammlung liegt, kann die grundsätzlich machen, was sie will. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Gläubigerautonomie insoweit eingeschränkt sein sollte im Hinblick auf Angehörige des Schuldners, die selbst ein Insolvenzverfahren laufen haben. Ein solches beseitigt ja auch nicht eine etwaige Bedürftigkeit.

    3. Sehe ich auch so.

  • Kann die GlV auch die Gewährung von Unterhalt an Familienangehörige beschließen, die in keiner gesetzlichen UHP zum Schuldner stehen (Stichwort Patchwork) ?

  • Kann die GlV auch die Gewährung von Unterhalt an Familienangehörige beschließen, die in keiner gesetzlichen UHP zum Schuldner stehen (Stichwort Patchwork) ?



    Ja (vgl. MüKo-Passauer/Stephan Rz. 16). Das ergibt sich auch aus dem Umstand, dass § 100 Abs. 2 InsO für die vorläufige Unterhaltsgewährung genau den Personenkreis vorgibt, Abs. 1 jedoch nur allgemein von "Familie" spricht. Das macht nur Sinn, wenn mit letzterem etwas anderes gemeint ist.

    Die GV kann im Grunde beschließen was sie will - wenn dann irgendwann auch die Nachbarn Unterhalt bekommen sollen, dürfte allerdings § 78 InsO ins Blickfeld rücken.

  • Kann die GlV auch die Gewährung von Unterhalt an Familienangehörige beschließen, die in keiner gesetzlichen UHP zum Schuldner stehen (Stichwort Patchwork) ?



    Ja (vgl. MüKo-Passauer/Stephan Rz. 16). Das ergibt sich auch aus dem Umstand, dass § 100 Abs. 2 InsO für die vorläufige Unterhaltsgewährung genau den Personenkreis vorgibt, Abs. 1 jedoch nur allgemein von "Familie" spricht. Das macht nur Sinn, wenn mit letzterem etwas anderes gemeint ist.

    Die GV kann im Grunde beschließen was sie will - wenn dann irgendwann auch die Nachbarn Unterhalt bekommen sollen, dürfte allerdings § 78 InsO ins Blickfeld rücken.



    Unter Berücksichtigung des RegE InsO § 114 muss die Aufzählung in Absatz 2 als abschließend betrachtet werden.

    Vor diesem Hintergrund sehe ich Abs. 1 mehr als die Generalnorm: ".... dem Schuldner und seine Familie...." und Abs. 2 als Definition, "... unter Familie ist zu verstehen ....".

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Unter Berücksichtigung des RegE InsO § 114 muss die Aufzählung in Absatz 2 als abschließend betrachtet werden.

    Vor diesem Hintergrund sehe ich Abs. 1 mehr als die Generalnorm: ".... dem Schuldner und seine Familie...." und Abs. 2 als Definition, "... unter Familie ist zu verstehen ....".



    § 114 RegE InsO hatte einen anderen Wortlaut als der jetzige § 100 InsO: Die jetzige Angehörigenauflistung in § 100 Abs. 2 InsO stand bei § 114 RegE in Abs. 1, der den allgemeinen Begriff der "Familie" nicht benutzte.

    Zur Änderung in die Fassung des jetzigen § 100 InsO steht im Bericht des Rechtsausschusses explizit, dass es der Gläubigerversammlung frei stehe, "den Begriff der "Familie" weiter zu verstehen und ebenfalls andere Angehörige des Schuldners zu bedenken." :aetsch:


  • § 114 RegE InsO hatte einen anderen Wortlaut als der jetzige § 100 InsO: Die jetzige Angehörigenauflistung in § 100 Abs. 2 InsO stand bei § 114 RegE in Abs. 1, der den allgemeinen Begriff der "Familie" nicht benutzte.

    Zur Änderung in die Fassung des jetzigen § 100 InsO steht im Bericht des Rechtsausschusses explizit, dass es der Gläubigerversammlung frei stehe, "den Begriff der "Familie" weiter zu verstehen und ebenfalls andere Angehörige des Schuldners zu bedenken." :aetsch:



    selbst :aetsch:
    wir können uns ja dahingehend auf die Formulierung von Jaeger einigen, dass bei der vorl. Bewilligung von Unterhalt bis zur Entscheidung durch die GV der Begriff eng auszulegen ist, die GV diesen jedoch weiter fassen kann.

    Somit käme sogar der Nachbar in den Genuß, soweit es sich hierbei um ein engeres Verwandtschaftsverhältnis handelt und der Schuldner zuvor aufgrund moralischer Verpflichtung Unterstützung geleistet hat.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Apropos Patchwork. Ist das leibliche Kind (lebt bei der Mutter-Exfrau) durch das Unterhaltsrecht gegenüber dem nichtleiblichen Kind (von der neuen Ehefrau) bevorzugt.
    In meinem Fall legt die Unterhaltsbehörde 160% des Regelsatzes an und sagt, dass Sie nur 1 Kind zu berücksichtigen hätte. (BGB). Das Stifekind bekommt keinen Unterhalt (Vater verschwunden, Unterhaltsvorschuss beendet). Die ARGE sagt, wir haben hier eine Lebensgemeinschaft, der Mann soll seine neue Familie ernähren (SGB)

    Der Mann wird aller Vorraussicht wegen den Schulden der ersten Ehe in die Inso müssen. Somit greift § 100 InSO.

    Mit welcher Begründung kann ich aber bei vorinsolvenzlicher Pfändung die tatsächlichen Unterhaltspflichten geltend machen und kann beim Unterhalt für das leibliche Kind die tatsächliche Situation ignoriert werden?????

  • Ein heißes Thema, womit ich mich auch schon beschäftigen musste. Ich lehne die Berücksichtigung eines "Stiefkindes" ab und begründe mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut.
    Wie es sich mit dem Unterhalt für das leibliche Kind verhält, da muss ich passen, ggf. käme eine Abänderungsklage in Betracht, aber genau weiß ich das auch nicht.
    Zwangsvollstreckungsrechtlich denke ich, dass der Schuldner die Erhöhung des unpfändbaren Betrages beantragen müsste. Was das Gericht daraus macht :nixweiss:

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Bei Patchworkfamilien hinkt das Recht der gesellschaftlichen Entwicklung deutlich hinterher.
    Kleine Hoffnung: Die Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Stiefelternteils im Rahmen des SGB II zum Unterhalt des nichtleiblichen Kindes liegt zur Überprüfung beim Bundesverfassungsgericht.
    Im vorliegenden Fall hat der Vater wohl seinen Unterhaltspflichten gegenüber seinem leiblichen Kind nachzukommen. Sinkt dadurch das Einkommen der Patchworkfamilie unter ALG II-Bedarf, so ist nach § 11 (2) Satz 7 SGB II
    "Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag,..." vom Einkommen abzusetzen. Ansatzpunkt wäre m.E. im vorliegenden Fall, die Rechtsauffassung des Job-Centers.

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