Stundung bei vorh. Masse: § 2 Abs. 1 oder 2 InsVV?

  • In einem Regelinsolvenzverfahren wurde dem Schuldner zu Verfahrensbeginn Stundung bewilligt. Das Verfahren ist nunmehr abschlussreif und der Insolvenzverwalter reicht neben dem Schlussantrag seinen Vergütungsantrag in Höhe v. insgesamt ca. 25.000,-- EUR gemäß § 2 Abs. 1 InsVV ein, berechnet nach einer Insolvenzmasse gem. Schlußrechnung in Höhe v. ca. 50.000,-- EUR (welche nach meiner Berechnung auch korrekt ist). Tatsächlich ist jedoch nur eine Barmasse in Höhe v. ca. 13.000,-- EUR auf der Hinterlegungsstelle vorhanden. Daraus ergibt sich somit hinsichtlich der beantragten Vergütung eine Unterdeckung aus der Masse von immerhin 7.000,-- EUR, die ja aufgrund der Stundungsbewilligung aus der Landeskasse zu zahlen wäre. Oder kann der Insolvenzverwalter in diesem Fall auf die Mindestvergütung gemäß § 2 Abs. 2 InsVV verwiesen werden? Dann wären bei nur sieben am Verfahren beteiligten Gläubigern sogar noch die weiteren Verfahrenskosten gedeckt! Irgendwie auch eine sympathische Lösung... aber wie will es der Gesetzgeber? :gruebel:

  • Die Berechnung der Vergütung hat nichts damit zu tun, wieviel Masse tatsächlich noch vorhanden ist. Insoweit wäre die Vergütung m.E. ganz normal zu berechnen.
    Allerdings kommt mir der Sachverhalt etwas dubios vor. Mir leuchtet nicht ganz ein, wie von einer vergütungsrelevanten Masse von 50.000 EUR nur noch 13.000 EUR vorhanden sein sollen. Wurden Absonderungsrechte bedient? Dann § 1 II Nr. 1 InsVV.
    Wenn Masseverbindlichkeiten bezahlt wurden, würde m.E. § 209 I InsO greifen. Dann hätte der IV vorab die Kosten berichtigen müssen. Wenn er das unterläßt, kann es nicht zu Lasten der Staatskasse gehen.
    Das war mal ins Blaue hinein, da der Sachverhalt zu wenig hergibt.

  • Man muss hier unterscheiden zwischen dem,

    a) was der Gesetzgeber tatsächlich will,

    b) was er artikuliert, dass er will, und

    c) ob die Umsetzung seines Willens in der Formulierung des Gesetzestextes eine Umsetzung seines Willens im wege der Gesetzesauslegung zulässt.

    Hinsichtlich der geschilderten kleinen Spassbremse für Staatskasse und Schuldner halte ich folgendes für richtig:

    a) Der tatsächliche Wille des Gesetzgebers ist der demokratischste, weil mehrheitsfähigste, den man sich vorstellen kann: Ich will Spitzenleistung, Luxus, etc., es darf aber nichts kosten.

    b) Schriebe der Gesetzgeber dies immer dann in die Gesetzesbegründung, wenn die Gesetzgebung hauptsächlich auf diesem Willen beruht, hätten wir für 90 % der Gesetze einen Einheits-Begründungstext und damit ein Legitimationsproblem für den betriebenen Aufwand, ein erhebliches PR-Problem und ausserdem würde sich der Gesetzgeber mit dem Normalverbraucher gemein machen. Geht also gar nicht! Daher strotzen Gesetzesbegründungen vor blumigen Worten, die in gleicher Weise wie politische Ansprachen beim Leser/Hörer edle Gefühle und Tränenströme der Rührung auslösen, niedrige Beweggründe jedoch verschleiern.

    Zur vorliegenden Frage kann die Gesetzesbegründung m.E. schon deshalb nichts über die gesetzgeberischen Vorstellungen hergeben, weil dann die Zweifelhaftigkeit der Ausführungen zur Mindestvergütung einerseits und der Prognosen zur Überschaubarkeit der stundungsbedingten Staatsausgaben andererseits ins Auge gesprungen wären.

    c) Und selbst wenn sich der Gesetzgeber in irgendeiner Weise zur vorliegenden Frage geäußert hätte, lässt der Text der InsVV eine Auslegung dahingehend nicht zu, dass die Vergütung des IV immer nur so hoch festgesetzt wird, wie die vorhandene Masse reicht, oder dass gar nur die Mindestvergütung festgesetzt wird, wenn die vorhandene Masse geringer ist als die regulär berechnete Vergütung. Anderenfalls würde § 207 InsO zum Schattendasein verdammt, weil es zur Masselosigkeit nur noch bei Massen unter Mindestvergütung+Gerichtskosten kommen könnte.

    Sorry, Staatskasse:teufel:

  • Pech für die Staatskasse. Ich habe zur Zeit einen Fall, da fürchte ich, muss ich einen nahezu 6-stelligen Betrag auszahlen. Da hab ich schon Bauchschmerzen, aber was will man machen?!

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Pech für die Staatskasse. Ich habe zur Zeit einen Fall, da fürchte ich, muss ich einen nahezu 6-stelligen Betrag auszahlen. Da hab ich schon Bauchschmerzen, aber was will man machen?!



    Wobei mir aber immer noch nicht einleuchtet, wie man auf so hohe Auszahlungsbeträge aus der Staatskasse kommen kann. Das schöne Geld, aus dem sich die Vergütung errechnet, muss ja mal irgendwie vorhanden gewesen und dann wieder an irgendjemanden ausbezahlt worden sein. Und dann greift entweder die Begrenzung nach § 1 II Nr. 2 InsVV oder die Vorschrift des § 209 I InsO ist einschlägig.
    Das soll jetzt überhaupt keine Kritik sein, ich bin nur neugierig, weil ich es mir nicht erklären kann...

  • Wobei mir aber immer noch nicht einleuchtet, wie man auf so hohe Auszahlungsbeträge aus der Staatskasse kommen kann. Das schöne Geld, aus dem sich die Vergütung errechnet, muss ja mal irgendwie vorhanden gewesen und dann wieder an irgendjemanden ausbezahlt worden sein. Und dann greift entweder die Begrenzung nach § 1 II Nr. 2 InsVV oder die Vorschrift des § 209 I InsO ist einschlägig.
    Das soll jetzt überhaupt keine Kritik sein, ich bin nur neugierig, weil ich es mir nicht erklären kann...



    Vor allem berechtigte Erhöhungsfaktoren, Auslagen bei Altverfahren und die USt. können hier erheblich zu Buche schlagen.

  • .. oder die Vorschrift des § 209 I InsO ist einschlägig.
    Das soll jetzt überhaupt keine Kritik sein, ich bin nur neugierig, weil ich es mir nicht erklären kann...



    Dagegen spricht wiederum § 207 I 2 InsO. Wenn die Kosten gestundet sind, darf er nicht einstellen. Andererseits darf er aber auch keine Masseverbindlichkeiten eingehen, sondern muss erst die Kosten decken.
    Würde mich mal interessieren, wie das bei allen funktioniert ?

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Nun ja, es ist doch so: Im Ausgangsfall beträgt die Insolvenzmasse laut Schlussrechnung 50.000 EUR. Diese 50.000 EUR müssen ja auch mal irgendwie eingenommen worden sein. Sobald sie aber auf dem Anderkonto sind, sind sie zuerst gem. § 209 I InsO für die Verfahrenskosten zu verwenden, egal ob gestundet ist oder nicht. Wenn irgendwelche Masseverbindlichkeiten auftreten, haben diese Massegläubiger zunächst einmal Pech gehabt. Dann wird halt wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt. Mir ist schon klar, dass manchmal die Vergütung höher sein kann als die Masse (genauer Einnahmen); wenn allerdings mehr Masse vorhanden war als die Vergütung letztendlich ausmacht, kann ich es nicht nachvollziehen. Deshalb würde es mich ja interessieren. Man lernt nie aus, vor allem im Insolvenzrecht...

  • Nun ja, es ist doch so: Im Ausgangsfall beträgt die Insolvenzmasse laut Schlussrechnung 50.000 EUR. Diese 50.000 EUR müssen ja auch mal irgendwie eingenommen worden sein. Sobald sie aber auf dem Anderkonto sind, sind sie zuerst gem. § 209 I InsO für die Verfahrenskosten zu verwenden, egal ob gestundet ist oder nicht. Wenn irgendwelche Masseverbindlichkeiten auftreten, haben diese Massegläubiger zunächst einmal Pech gehabt. Dann wird halt wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt. Mir ist schon klar, dass manchmal die Vergütung höher sein kann als die Masse (genauer Einnahmen); wenn allerdings mehr Masse vorhanden war als die Vergütung letztendlich ausmacht, kann ich es nicht nachvollziehen. Deshalb würde es mich ja interessieren. Man lernt nie aus, vor allem im Insolvenzrecht...



    Einstellen wegen Masseunzulänglichkeit kann er aber erst, wenn alles verwertet ist. Wie soll er das machen, wenn er (bei Dir) keine Masseverbindlichkeiten eingehen darf ?

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  • Wobei mir aber immer noch nicht einleuchtet, wie man auf so hohe Auszahlungsbeträge aus der Staatskasse kommen kann. Das schöne Geld, aus dem sich die Vergütung errechnet, muss ja mal irgendwie vorhanden gewesen und dann wieder an irgendjemanden ausbezahlt worden sein. Und dann greift entweder die Begrenzung nach § 1 II Nr. 2 InsVV oder die Vorschrift des § 209 I InsO ist einschlägig.
    Das soll jetzt überhaupt keine Kritik sein, ich bin nur neugierig, weil ich es mir nicht erklären kann...



    Vor allem berechtigte Erhöhungsfaktoren, Auslagen bei Altverfahren und die USt. können hier erheblich zu Buche schlagen.


    So ist es! Fortgeführtes Einzelunternehmen, Verwalter kriegt das Verfahren über 6 Jahre nicht zu (aus welchen Gründen auch immer), Vielzahl von Gläubigern, Übertragung des Geschäftsbetriebes nachdem Fortführung nicht mehr ging.... Da kommen schon reichlich Erhöhungsfaktoren zusammen, da kann man runterrechnen wie man will.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Nimmt man aber Astaroths Meinung, dann dürfte es ja gar keine Fortführung etc. geben, da ja nicht genug Masse da wäre, um die Kosten für die Fortführung zu decken.

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  • Das Ganze wird jetzt mehr eine theoretische Diskussion und sicherlich kann man mit der InsVV auf alle möglichen Berechnungen kommen, aber prinzipiell ist es doch so:
    Durch eine Fortführung kann die Vergütung nicht so astronomisch über die vorhandene Masse ansteigen, da sich die vergütungsrelevante Masse nur aus dem Überschuss errechnet. Falls also kein Überschuss erwirtschaftet wird, sind wir bei der Mindestvergütung; da fallen auch ordentliche Zuschläge nicht so ins Gewicht.
    Der Insolvenzverwalter ist im übrigen auch verpflichtet, ständig zu überprüfen, ob die Fortführung auch rentabel ist. Ist das nicht der Fall, ist der Betrieb zu schließen.
    Die Stundung ist doch nicht dafür da, dass ein unrentabler Betrieb auf Staatskosten fortgeführt wird.

  • das ist ja das Problem. Man fällt leicht von dem einen Extrem ins andere ( keine sofortige Einstellung des Betriebs; aber auch keine unrentable Fortführung). Wie es richtig ist, weiß ich leider auch nicht so genau. Was soll der InsoVerwalter aber machen, um aus dem Dilemma zu kommen?
    z.B. ausstehende Forderungen 50.000.- €. Er schätzt, das 1/4 durch den Einzug hereinkommt. Nun kommen nach begonnener gerichtlicher Geltendmachung weniger herein, er muß die Anwaltskosten zahlen etc. Er sagt sich, ok, Einstellung gemäß § 207 InsO, da er die Kosten nicht decken kann und dann will man einstellen, darf aber wegen § 207 I 2 InsO nicht ( es sei denn er bucht alle restlichen Forderungen aus. Aber wäre das richtig?).

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  • Das Ganze wird jetzt mehr eine theoretische Diskussion und sicherlich kann man mit der InsVV auf alle möglichen Berechnungen kommen, aber prinzipiell ist es doch so:
    Durch eine Fortführung kann die Vergütung nicht so astronomisch über die vorhandene Masse ansteigen, da sich die vergütungsrelevante Masse nur aus dem Überschuss errechnet. Falls also kein Überschuss erwirtschaftet wird, sind wir bei der Mindestvergütung; da fallen auch ordentliche Zuschläge nicht so ins Gewicht.
    Der Insolvenzverwalter ist im übrigen auch verpflichtet, ständig zu überprüfen, ob die Fortführung auch rentabel ist. Ist das nicht der Fall, ist der Betrieb zu schließen.
    Die Stundung ist doch nicht dafür da, dass ein unrentabler Betrieb auf Staatskosten fortgeführt wird.


    Da geht´s ja schon los. Der Schuldner beantragt Stundung, hierüber wird aber zunächst nicht entschieden, da ausreichend Masse vorhanden scheint. Die meisten Verwalter wissen später im Verfahren schon lange nicht mehr, dass überhaupt Stundung beantragt worden ist und werden überrascht, wenn es um die Erteilung der RSB geht. Das funktioniert nämlich wieder nur, wenn ich keine Einstellung nach § 207 InsO vornehme, folglich bleibt mir nur, jetzt über die Stundung zu entscheiden. Ich find´s ja auch nicht befriedigend, aber es ist eben so. In einem meiner Verfahren hat der IV zunächst fortgeführt und nachher den Geschäftsbetrieb veräußert. Alles völlig in Ordnung. Dafür kriegt er jetzt auch seine entsprechende Vergütung.

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