Erbfolge mit § 2088 BGB

  • Prost Gemeinde!

    Ich habe hier einen aussergewöhnlich ekelhaften Fall und stehe etwas aufm schlauch.

    Erblasserin war verwitwet und Kinderlos. Sie und ihre 3 Geschwister sind alle um die 70-80 Jahre alt, und heillos zerstritten. Die Erblasserin hatte wohl den Hof der Eltern übernommen, der jetzt zum Nachlass gehört, also eine langsam verfallende Hofstelle, sowie mehrere Waldgrundstücke.

    Aus dem Jahr 1998 existiert ein Testament, nach dem der Bruder A "meine gesamten Grundstücke Felder Wiesen und Wald gehören" sollen. Wert des Grundbesitzes derzeit ca. 300.000 Euro.

    Im Jahr 2004 wurde Betreuung angeordnet und ein Berufsbetreuer eingesetzt. Die Erblasserin lebte bis zum Tod über Jahre im Heim, welches ihr gesamtes Barvermögen verschlungen hat. Da nun kein Geld mehr da war veräußerte der Betreuer Ende 2007 ein Waldgrundstück. Dummerweise war dieses Waldgrundstück das größte und werthaltigste, brachte über 80.000 Euro.

    Drei Tage später starb die Erblasserin, so dass jetzt an Nachlass die Hofstelle und Wälder für ca. 220.000 Euro und eben der Verkaufserlös aus dem verkauften Grdst. zu 80.000 Euro noch unverändert vorhanden ist.

    A stellt Erbscheinsantrag, er sei Alleinerbe, da der Nachlass nur aus Grundstücken und dem Verkaufserlös besteht, welcher seiner Auffassung nach ebenfalls vom Testamentstext umfasst ist. Ausserdem gab er an, dass der elterliche Hof das ein und alles für seine Schwester war, quasi der Vermögensgegenstand schlechthin.

    Wie erwartet waren die weiteren Geschwister B und C damit nicht einverstanden, und auch mein Nachlassrichter sieht die Sache anders. Er will nun, dass gem § 2088 BGB Bruder A den Hof bekommt und hins. dem Rest gesetzliche Erbfolge zum Zuge kommt.

    Frage 1:
    Heißt für mich, Erbschein wäre zu erteilen dahingehend, dass A B und C Erben geworden sind, wobei A zu 246/300, B und C zu je 27/300 mit Teilungsanordnung??? oder hab ich mich verrechnet?
    Damit werden die B und C aber auch nciht zufrieden sein, die wollen das Geld komplett, da ja der Bruder A NUR den Hof bekommen soll ...

    Frage 2:
    Verfahrenstechnisch, würdet ihr B und C jetzt einen gegenläufigen ES-Antrag stellen lassen, um dann den A zur Rücknahme oder Beschwerde gegen Vorbescheid zu bewegen?
    Oder einfach nur Beschluss, dass der gestellte Antrag zurückgewiesen wird?

  • Entscheidend sind die Nachlasswerte zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (aus Sicht des Erblassers). Wenn damals kein wesentliches Geldvermögen vorhanden war, dann klingt die Ansicht von A sehr gut.

    Zur Bindung nach § 16 II 2 RPflG:
    Ich würde jetzt einfach behaupten, dass der Richter den Erbschein selbst erteilen muss, weil § 16 II RPflG mE nur den Fall erfasst, dass insgesamt ein Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt werden muss. Wie wird das denn jetzt verfahrenstechnisch gerichtsintern gelöst? Entscheidung durch den Direktor oder so?

  • Ist die Erblasserin drei Tage nach dem Abschluss des Kaufvertrags oder drei Tage nach der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch verstorben und wurde der Kaufpreis vor oder nach dem Erbfall bezahlt?

  • Ist die Erblasserin drei Tage nach dem Abschluss des Kaufvertrags oder drei Tage nach der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch verstorben und wurde der Kaufpreis vor oder nach dem Erbfall bezahlt?



    mit drei tage wollte ich ausdrücken kurz danach. vom bereits eingegangenen veraufserlös gingen noch ca 1x heimkosten ab und dann ist sie verstorben.

    dass der richter den erbschein erteilen muss, schön und gut. die praxis sieht leider anders aus. in 99,9999% der fälle muss alles unterschriftsreif vorbereitet werden, und da bin ich glaube ich keine ausnahme.

    die nachlasswerte zZt der errichtung können wir nicht ermitteln. die Banken stellen sich quer und berufen sich aufs bankgeheimnis.

  • Beteiligte anhören, ob damals nennenswerte andere Vermögenswerte vorhanden waren?

    Oder kann man einen Nachlasspfleger mit der Aufgabe bestellen, bei den Banken anzufragen? Das ist ja so ähnlich wie mit dem Testament im Bankschließfach. Ohne die Auskunft kein (richtiger) Erbschein, ohne Erbschein keine Auskunft bzw. im Fall des Bankschließfachs kommt der Erbe nicht an das Testament, mit dem er den Erbschein erhielte, mit dem er das Bankschließfach öffnen könnte.

    PS: Ich dachte, es gäbe keine totale Weisungsbefugnis des Richters gegenüber dem Rechtspfleger?


  • PS: Ich dachte, es gäbe keine totale Weisungsbefugnis des Richters gegenüber dem Rechtspfleger?




    Falsch gedacht!:D

    Ne, ne, ist schon richtig. Der Rpfl ist unabhängig.....

    Einmal editiert, zuletzt von §1960 (14. August 2008 um 14:21)

  • Beteiligte anhören, ob damals nennenswerte andere Vermögenswerte vorhanden waren?

    Oder kann man einen Nachlasspfleger mit der Aufgabe bestellen, bei den Banken anzufragen? Das ist ja so ähnlich wie mit dem Testament im Bankschließfach. Ohne die Auskunft kein (richtiger) Erbschein, ohne Erbschein keine Auskunft bzw. im Fall des Bankschließfachs kommt der Erbe nicht an das Testament, mit dem er den Erbschein erhielte, mit dem er das Bankschließfach öffnen könnte.

    PS: Ich dachte, es gäbe keine totale Weisungsbefugnis des Richters gegenüber dem Rechtspfleger?



    Die beteiligten können keine brauchbaren angaben zu den vermögensverhältnissen ihrer schwester zur zeit von vor 10 jahren machen. naja, wer kann das von sich behaupten? immerhin handelt es sich um leute jenseits der 80, die noch dazu kein so tolles verhältnis zueinander haben.

    Zur bestellung eines nachlasspflegers ist hier kein raum, denn dessen aufgabe ist die sicherung des nachlasses und nicht die beschaffung von beweismaterial zugunsten der einen oder anderen partei.

  • Nach meiner Meinung ist eine Stellungnahme zur Testamentsauslegung zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht. Wie das Testament auszulegen ist, hängt doch auch davon ab, wie sich die Vermögensverhältnisse der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung darstellten. Ich verstehe nicht, wie sich der Nachlassrichter jetzt schon eine Meinung über die Auslegung bilden kann, wenn die für eine Auslegung erforderlichen Tatsachen noch nicht ermittelt sind.

    Meines Erachtens sind hier die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gegeben. Die Dauer der notwendigen Ermittlungen und des Nachlassverfahrens ist nicht absehbar und es besteht Streit über die eingetretene Erbfolge zwischen den als Erben in Betracht kommenden Personen. Damit ist dann gleichzeitig das Ermittlungsproblem gelöst.

  • Im Sachverhalt wird von einem Hof gesprochen. Hast du schon mal im Grundbuch nachgeschaut, ob es sich um einen Hof gem. der HöfO handelt. Dann wäre nämlich das Landwirtschaftsgericht zuständig für die Erteilung eines Hoffolgezeugnis.

    Ansonsten hat der Richter meines Erachtens Ermittlungen zur Auslegung des Testaments zu veranlassen und dann eine Entscheidung zu treffen, wie der Erbschein auszusehen hat (evtl. über eine Quotelung).

  • Im Sachverhalt wird von einem Hof gesprochen. Hast du schon mal im Grundbuch nachgeschaut, ob es sich um einen Hof gem. der HöfO handelt. Dann wäre nämlich das Landwirtschaftsgericht zuständig für die Erteilung eines Hoffolgezeugnis.

    Und auch für die Erteilung eines Erbscheins bezüglich des hoffreien Vermögens (sofern vorhanden).

    Da bereits ein Erbscheinsantrag vorliegt, muss zunächst über diesen entschieden werden. Beteiligte haben der Erteilung widersprochen, also ist der Richter für das Verfahren zuständig. Er muss Ermittlungen anstellen und dann entweder erteilen oder zurückweisen.

  • Ich bin davon ausgegangen, dass es sich um ein "normales" landwirtschaftliches Anwesen handelt. Von einem Hof i.S.d. HöfeO war bisher nicht die Rede. Das hätte der Fragesteller bestimmt angegeben.

  • Von einer Quotenerbfolge ist abzuraten. Sie führt zu unnötigen Schwierigkeiten, auch in steuerlicher Hinsicht. Praktikabler ist die gesetzliche Erbfolge mit Vorausvermächtnis zugunsten des Bruders oder umgekehrt Alleinerbschaft des Bruders mit Vermächtnissen zugunsten der anderen Geschwister nach gesetzlichen Erbquoten unter Einschluss des Bruders.

    Entscheidender Punkt ist, ob der Verkaufserlös im Sinn der testamentarischen Anordnungen als Surrogat für den Grundbesitz anzusehen ist. Davon hängt alles ab. Die Rechtsauffassung des Antragstellers (Alleinerbe Bruder) sehe ich daher nicht von vorneherein als unplausibel an. Aber zu dieser Beurteilung bedarf es der Ermittlung der Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Testamentserrichtung - siehe Francesca.

    Auch wenn die Sache schon "gelaufen" ist: Weshalb hat man den Grundbesitz veräußert anstatt einen Kredit zur Finanzierung der Heimkosten aufzunehmen? Sicherheiten wären mit dem Grundbesitz genügend vorhanden gewesen.


  • Auch wenn die Sache schon "gelaufen" ist: Weshalb hat man den Grundbesitz veräußert anstatt einen Kredit zur Finanzierung der Heimkosten aufzunehmen? Sicherheiten wären mit dem Grundbesitz genügend vorhanden gewesen.



    Hatte auch schon öfters solche Fälle. Genug Grundbesitz zur Stellung von Sicherheiten war vorhanden, jedoch fehlte es am Kapital. Mein Rat war am Anfang auch immer erst einmal zu schauen, ob eine Bank ein Darlehen zu Verfügung stellt. Leider war es immer so, dass weder die Zinsen geschweige denn die Tilgung des Darlehens durch den Betroffenen hätten getragen werden können. Es blieb dann nur noch der Verkauf übrig.

  • Nicht unbedingt. Man kann das Darlehen auch tilgungsfrei stellen und die Darlehensvaltua verzinslich anlegen. Dann reduziert sich lediglich das Anlagekapital, das unter diesen Voraussetzungen für mehrere Jahre bequem ausreicht.

  • Die Argumentation mit dem Darlehen halte ich für verfehlt, weil dieses ja zurückgeführt werden muss. Wenn dann zur Rückführung Grundbesitz veräußert werden muss, ist das Endergebnis ungünstiger als wenn sogleich veräußert wird.

  • Ich bin sehr dagegen, eine Immobilie im Wert von 500.000 € zu verkaufen, nur weil vielleicht eine monatliche Deckungslücke von 2.000 € besteht. Vor allem dann, wenn der Betroffene noch weiter zu Hause wohnen und durch Pflegekräfte betreut werden kann. Der Kredit wird nicht durch den Betroffenen zurückbezahlt, sondern nach dessen Tod durch seine Erben. Diese können dann veräußern, wenn sie wollen.

  • Wir haben das Thema ganz grundsätzlich diskutiert. Ich bleibe auch bei meiner Ansicht, wenn sich der Betroffene im Heim aufhält, aber eine Veräußerung seiner Immobilie nicht wünscht. Betreuungen werden für das Wohl und soweit möglich nach den Wünschen des Betroffenen und nicht für seine Erben geführt.

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