Form des anderen Beweismittels gem. § 2356 Abs. 1, S. 2 BGB

  • Liebe Fories,

    ich benötige Hilfe in einer Sache.

    Die Antragstellerin begehrt einen Erbschein nach ihrem Bruder. Sie muss die Verwandschaft über die Eltern nachweisen. Nachlasswert ca. 100.000,00 EUR
    Erblasser und Antragstellerin sind beide im Kreis Weststernberg geboren und evangelischer Religion. Recherchen haben ergeben, dass von dem betreffenden Ort keinerlei Urkunden mehr existieren (weder in Polen direkt noch beim Standesamt I). Auch beim Evangelischen Zentralarchiv liegen keine Kirchenbücher vor und es gibt dort auch keinerlei Hinweise, dass man in Polen an entsprechende Unterlagen kommen könnte.

    Nun hat sie die (privatschriftliche) eidesstattliche Erklärung einer Dame vorgelegt, die angeblich zum gleichen Zeitpunkt in dem Ort lebte. Der Erblasser ist 1937 geboren, die Antragstellerin 1935. Die Zeugin selbst in 1930 geboren. Ich bin jetzt in Zweifel, ob ich diese Erklärung als anderes Beweismittel im Sinne von § 2356 Abs. 1, S. 2 BGB anerkennen kann oder ob ich die (erneute) Abgabe der eidesstattlichen Erklärung vor einem Notar bzw. Gericht verlangen sollte. Dann hätte ich wenigstens in Bezug auf die Identität der Zeugin eine gewisse Sicherheit und jemand hätte sie zu den Folgen einer wissentlich oder fahrlässig falsch abgegebenen eidesstattlichen Versicherung belehrt. Gegenwärtig fehlt mir jeglicher Nachweis, dass diese Zeugin tatsächlich existiert. Ich habe außerdem Bauchschmerzen, weil die Zeugin bei der Geburt des Erblassers knapp 7 und bei der Geburt der Antragstellerin knapp 5 Jahre alt war. Kann sie da eidesstattlich erklären, dass Erblasser und Antragstellerin die einzigen leiblichen Kinder der Erblassereltern sind? :gruebel: Ich habe da so meine Zweifel...

    Lt. Palandt muss das Beweismittel ähnlich klare und verläßliche Folgerungen ermöglichen wie die öffentliche Urkunde, so dass die Anforderungen an die Beweisführung regelmäßig streng sind. Aber bedeutet das für meinen Fall nicht, dass ich die (privatschriftliche) eidesstattl. Erklärung in der vorliegenden Form gerade nicht anerkennen kann und die Zeugin zum Notar oder zum Gericht schicken müsste?

    Ich bin gespannt, wie Eure Meinungen dazu sind.


  • Recherchen haben ergeben, dass von dem betreffenden Ort keinerlei Urkunden mehr existieren (weder in Polen direkt noch beim Standesamt I). Auch beim Evangelischen Zentralarchiv liegen keine Kirchenbücher vor und es gibt dort auch keinerlei Hinweise, dass man in Polen an entsprechende Unterlagen kommen könnte.[/QUOTE


    Wer hat diese Recherchen durchgeführt? Prof. Erbenermittler oder Angaben der 'Schwester'?

    [quote='Gwen77','Form des anderen Beweismittels gem. § 2356 Abs. 1, S. 2 BGB']
    Nun hat sie die (privatschriftliche) eidesstattliche Erklärung einer Dame vorgelegt, die angeblich zum gleichen Zeitpunkt in dem Ort lebte. Der Erblasser ist 1937 geboren, die Antragstellerin 1935. Die Zeugin selbst in 1930 geboren. Ich bin jetzt in Zweifel, ob ich diese Erklärung als anderes Beweismittel im Sinne von § 2356 Abs. 1, S. 2 BGB anerkennen kann oder ob ich die (erneute) Abgabe der eidesstattlichen Erklärung vor einem Notar bzw. Gericht verlangen sollte.

    Natürlich hat dieses Papier keinerlei Beweiswert. Selbst eine e.V. vor Gericht oder Notar hat nur einen Wert, wenn das bezeugt werden kann, was beweiserheblich ist und das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass die gesuchte Person die Schwester ist. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Das dürfte hier wohl sehr schwer sein. Da könnte sich anbieten, dass die Zeugin vom Nachlassgericht persönlich angehört wird und so nachgehakt werden kann, wie die Zeugin zu ihren Erkenntnissen kommt und ob sie sich auch sonst noch gut erinnern kann, z.B. ob weitere Geschwister vorhanden waren etc. (Geburtsjahr 1930 habe ich schon einige Betreuungen wegen Demenz laufen....) Wenn die Vorfragen abgeklärt sind, dann kann man die wichtigen Punkte an Eides statt erklären lassen (aber richtig, nicht nur privatschriftlich). Sollte das Nachlassgericht nicht vollständig überzeugt sein, dass es sich um eine "richtige" Schwester handelt, gibts halt kein Erbe.

  • Grundsätzlich können solche Zeugenaussagen schon zur Erbenfeststellung führen. Es kommt eben darauf an, wie gewichtig und glaubhaft sie sind. So könnte es etwa durchaus sein, dass die Zeugin belegen kann, aus dem besagten Ort zu stammen. Die Zeugin war bei Kriegsende 15 Jahre, die angebliche Erblasserschwester 10 Jahre und der Erblasser 8 Jahre alt. Ich würde es daher schon für möglich halten, dass die Zeugin (Schulkameradin, Spielkameradin, Freundin) aus eigenem Wissen bestätigen kann, dass Erblasser und Schwester aus dem gleichen Elternhaus stammen und das von weiteren Geschwistern nichts bekannt ist. Meine eigene Mutter ist auch schon im gesegneten Alter und kann gleichwohl noch haarklein aufzählen, wer in ihrem Heimatdorf in welcher Straße und in welchem Haus gewohnt hat.

    Aber natürlich muss man hier persönlich einvernehmen und eine förmliche eV abnehmen.

  • Vielen Dank für die Antworten.

    Die Recherchen, von denen ich geschrieben habe, habe ich selbst getätigt.
    Ich habe mit dem örtlichen Standesamt gesprochen. Die können anhand des Geburtsortes ermitteln, welches Standesamt in Polen zum maßgeblichen Zeitpunkt die Personenstandsregister führte. Bei Kenntnis dieses Standesamt können sie dann in ein Register schauen und feststellen, wo die Personenstandsregister dieses Standesamtes für welche Zeiträume vorhanden sind (in Polen direkt oder im Standesamt I).
    In meinem Fall hat die Standesbeamtin mitgeteilt, dass das betreffende Standesamt in dem Register nicht zu ermitteln ist/nicht aufgeführt ist. Dies ist wohl immer dann der Fall, wenn von diesem Standesamt keine Personenstandsregister mehr existieren, was wiederum auf Kriegseinwirkung zurückzuführen sei.

    Hinsichtlich der Kirchenbücher ist es ganz ähnlich. Das Evangelische Zentralarchiv in Berlin selbst hat die Kirchenbücher der maßgeblichen Kirchengemeinde nicht. Sie haben auch sehr umfangreiche Register, wo welche Kirchenbücher befindlich sind. Leider haben sie keinerlei Hinweis auf die Existenz der Kirchenbücher in den polnischen Archiven.


    Da die Zeugin nicht in unserem Bezirk wohnt müsste ich das dortige Amtsgericht um persönliche Einvernahme zu den entscheidungserheblichen Tatsachen einschließlich der Abnahme der eV ersuchen. Dieses Verfahren richtet sich doch dann nach § 31 FamFG, oder!?

  • Ich bewundere Dich, dass Du alles allein versucht hast zu ermittelen, das wäre doch ein klassischer Fall für eine Nachlasspflegschaft gewesen.

    Ich würde versuchen, die Zeugin zu mir zu laden, nur wenn das absolut unmöglich ist, Ersuchen an ein anderes Gericht. Der persönliche Eindruck und die Antworten der Zeugin auf meine Fragen, die sich oft erst während der Anhörung ergeben, wären für mich für die Glaubwürdigkeit der Zeugin und zur Erlangung meiner Überzeugung, ob es eine richtige "Schwester" ist oder nicht, sehr wichtig.

  • Über die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft habe ich bislang nicht nachgedacht. Die Schwester als vermeintliche Erbin ist doch grundsätzlich bemüht, die Erbfolge auf sich zu belegen. Zum Sicherungsbedürfnis wurde nichts vorgetragen und ist auch nichts ersichtlich.

    Den Hinweis mit den Registern im Standesamt habe ich erst kürzlich auf einer Fortbildung erhalten :cool:.

    Leider kann ich die Zeugin nicht zu mir ins Gericht laden. Sie ist immerhin 81 Jahre und wohnt rund 7 Autostunden entfernt :(.

    Also ist der "Fahrplan" bezüglich der Zeugin eigentlich klar. Persönliche Einvernahme einschl. EV-Abnahme beim Wohnsitzgericht der Zeugin.
    Bleibt dann wirklich nur noch die Frage offen, ob sich das Verfahren um die Einvernahme der Zeugin nach § 31 FamFG richtet...

    LG

  • Hast du bestimmt alles schon geprüft, aber ich frage trotzdem:

    - Erblasser und Antragstellerin waren beide nicht verheiratet? Daher keine Angaben zu Eltern im Familienbuch?
    - Wann und wo sind die Eltern der beiden verstorben? Gab es da evtl. Nachlassvorgänge?
    - Hinweise in den Unterlagen des Standesamtes zur Beurkundung des Sterbefalles der Eltern? Wäre kein Beweis,aber ein weiteres Indiz...

    Eine Zeugenaussage, wie Du sie jetzt angeboten bekommst, habe ich schon einmal aufgenommen (mit e.V.); der Zeuge war in ähnlichem Alter, und ich hatte vorher auch Bedenken hinsichtlich der genauen Erinnerungsfähigkeit, aber die Aussage hat mich überrascht. Da der Erblasser aus einem sehr kleinen Dorf kam, war der Zeuge bei der Geburt quasi "dabei" und konnte sich sehr gut an die Familienmitglieder erinnern und viele Details angeben. Hoffe, Du hast ebensolches Glück.


  • Eine Zeugenaussage, wie Du sie jetzt angeboten bekommst, habe ich schon einmal aufgenommen (mit e.V.); der Zeuge war in ähnlichem Alter, und ich hatte vorher auch Bedenken hinsichtlich der genauen Erinnerungsfähigkeit, aber die Aussage hat mich überrascht. Da der Erblasser aus einem sehr kleinen Dorf kam, war der Zeuge bei der Geburt quasi "dabei" und konnte sich sehr gut an die Familienmitglieder erinnern und viele Details angeben. Hoffe, Du hast ebensolches Glück.

    Deshalb wäre es wünschenswert gewesen, dass Gwenn77 sich selbst den Eindruck hätte verschaffen können.

  • [quote='Mata','RE: Form des anderen Beweismittels gem. § 2356 Abs. 1, S. 2 BGB du bestimmt alles schon geprüft, aber ich frage trotzdem:

    - Erblasser und Antragstellerin waren beide nicht verheiratet? Daher keine Angaben zu Eltern im Familienbuch?
    - Wann und wo sind die Eltern der beiden verstorben? Gab es da evtl. Nachlassvorgänge?
    - Hinweise in den Unterlagen des Standesamtes zur Beurkundung des Sterbefalles der Eltern? Wäre kein Beweis,aber ein weiteres Indiz...

    Der Erblasser war nicht verheiratet. Die Antragstellerin ist offensichtlich verheiratet.
    Die Mutter der beiden hat 1969 nochmal geheiratet.

    Zu den Eltern habe ich folgende Erkenntnisse:

    - Vater ist per 31.07.1949 für tot erklärt worden, die Akte dazu habe ich (Antragstellerin = Erblassermutter; sie erklärte in ihrem Antrag, dass der Verschollene an Kindern nur EL & meine Antragstellerin hatte)
    - Mutter ist 1999 verstorben, sie hat nach dem Tode des zweiten Ehemannes (Eheschließung 1969) ein Testament errichtet, in dem sie "ihre beiden leiblichen Kinder (EL & Antragstellerin)" eingesetzt hat

    Das Testament der Mutter ist mir als Beweis genannt worden, dass EL und Antragstellerin die leiblichen Kinder der Mutter sind und somit die Antragstellerin die (einzige) Erbin des Erblassers ist.
    Ich frage mich nur, warum man als Witwe ein Testament diesen Inhalts macht. Ich meine, dass sich das als Beweis gedachte Testament eher zum Bumerang entwickelt, weil es eher Zweifel sät.

    Ich werde einen Fragenkatalog ausarbeiten und dann das Amtsgericht am Wohnort der Zeugin bitten, diese zu befragen und die Angaben eidesstattlich zu versichern.
    Es liest nicht zufällig jemand vom AG Starnberg mit :oops:?

    Habe heute noch vom Evangelischen Zentralarchiv einen guten Hinweis erhalten. Mir liegen doch von Erblasser und Antragstellerin die Konfirmationsscheine vor. Auf diesen werden ja bekanntlich die Eltern nicht aufgeführt. Allerdings werden bei den Kirchengemeinden sogenannten Konfirmationsregister geführt. Oftmals - leider nicht immer - sind in diesem Register die Eltern vermerkt. Manchmal wurde aber auch nur der Vater oder der Beruf des Vaters oder nur die Mutter in diesem Register vermerkt.
    Wäre in meinem Fall jedenfalls einen Versuch wert...

  • Die Zeugin kannst Du Dir sparen und den Erbschein erteilen! Wenn die Mutter im Testament angibt, "ihre leiblichen" Kinder einzusetzen und den Erblasser und die Schwester namentlich aufführt, hast Du ein eindeutiges Ergebnis. Mehr als die eigene Mutter kann keine Zeugin wissen! Warum das notarielle Testament: Natürlich aus dem selben Grund, wie jetzt beim Erblasser eingetreten. Die Kinder hätten nicht mit Urkunden beweisen können, dass sie wirklich die Kinder sind. Vor allem bis 1989 war das die elegante Lösung um keine Schwierigkeiten im Nachlassfall zu haben - es ist also gerade andersrum wie Du meinst! Und Starnberg wird auch verschont :D

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