Reisekosten bei ausgefallenem Termin

  • Hallo zusammen,
    Termin sollte am 27.03.12 stattfinden. Am Nachmittag des 26.03.12 erkennt der Beklagte die Klageforderung an, Termin soll aufgehoben werden. Beklagtenvertreter und auch Gericht versuchen vergeblich den Klägervertreter telefonisch zu erreichen, damit er am nächsten Tag nicht zum Termin erscheinen muss (Anreise für Anwalt um die 200 km, Anreise für Partei um die 600 km). Klägervertreter hielt sich derweil in einer anderen Stadt auf wegen eines anderen Termins und konnte erst am 27.03.12 telefonisch erreicht werden als er schon 30 km vor dem Gerichtsort angelangt war. Auch die Partei war am frühen Morgen bereits in den Zug gestiegen um zum Termin zu erscheinen. Kl-V. macht jetzt Reisekosten geltend + Abwesenheitsgeld und die Kosten für die Fahrtkarte der Partei.
    Wer hat jetzt den Umstand zu vertreten, dass der Kl.-V. nicht mehr rechtzeitig von der Terminsaufhebung informiert werden konnte? Gibt es vielleicht auch Rechtsprechung dazu? Wären die Kosten dem Kl. durch den Bekl. zu ersetzen?

  • Es handelt sich um ganz normale Kosten des Rechtsstreites, die nach den geschilderten Umständen auch erstattungsfähig sind. Die Klägerseite konnte nicht rechtzeitig abgeladen werden, also sind die Kosten entstanden.
    Wer sie zu tragen hat, steht in der Kostengrundentscheidung.

  • Dein Fall ist in der Rspr. u. Lit. umstritten. Norbert Schneider führt dazu in Schneider/Wolf, RVG, 6. Aufl. 2012, bei Rn. 9 f zu Nr. 7003 VV aus:

    Zitat

    "Nicht erforderlich sein soll eine Geschäftsreise, wenn der RA keine organisatorische Vorsorge trifft, daß ihn die Benachrichtigung einer am Nachmittag des Vortrags verfügten Terminsverlegung vor Antritt der Reise erreicht (OLG Stuttgart, AGS 2003, 246 m. Anm. N. Schneider). Dies ist bedenklich. Anders entschieden hat daher zu Recht das OLG München (AGS 2004, 150 m. Anm. N. Schneider). Danach sind Reisekosten eines RA nicht vermeidbar, wenn die Klägerin die Rücknahme ihrer Klage erst am späten Nachmittag des Tages vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung mitteilt.

    Kurzfristige Terminabsagen durch das Gericht kommen offenbar immer mehr in Mode. Während Verlegungsanträge der Anwaltschaft i. d. R. verfahrenswidrig mit der Begründung zurückgewiesen werden, die Geschäftslage der Kammer oder der Abteilung lasse eine Verlegung nich zu, werden an gerichtsbedingte Terminsverlegungen keine hohen Anforderungen gestellt. Ein RA muß daher stets damit rechnen, daß kurzfristig ein Termin aufgehoben wird. Er muß Vorsorge treffen, daß ihn eine solche Absage noch rechtzeitig erreicht. Angesichts der heutigen Telekommunikationsmöglichkeiten wird dies kein großes Problem sein. Reist der RA nicht von seiner Kanzlei aus an, sondern von zu Hause oder einem dritten Ort, so muß er gewährleisten, daß er erreichbar ist oder rechtzeitig durch sein Büro unterrichtet werden kann. Verstößt er gegen diese Obliegenheit, wird er seine Reisekosten nicht liquidieren können."

    Müller-Rabe verweist in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl. 2012, bei Rn. 24 zu Nr. 7003 VV auf Norbert Schneider und führt bei Rn. 123 aus:

    Zitat

    "Die Reisekosten des auswärtigen Beklagtenvertreters sind auch dann zu erstatten, wenn die Klage kurz vor dem Termin zurückgenommen wurde und der Beklagtenvertreter hiervon keine Kenntnis mehr bekommen hat und bekommen könnte (s. Rn. 24). Der Kläger muß deshalb umgehend den Beklagtenvertreter von der Rücknahme informieren (OLG Koblenz, NJW-RR 2007, 1563 = MDR 2007, 55 = RVGreport 2006, 473 m. zust. Anm. Hansens)."

    Nach diesen Meinungen wird es sich also vermutlich in Deinem Fall auf die Frage reduzieren, inwieweit der RA evtl. seine Obliegenheit der Erreichbarkeit verletzt hat. Im Falle des OLG Stuttgart ging die Mitteilung der Klagerücknahme in der Kanzlei am Vortrag des Termins um 15:23 Uhr ein, eine Zeit, die lt. seinem Briefkopf in seine Bürozeit fiel. Der noch nicht abgereiste RA hatte aber keine Vorkehrungen getroffen, daß ihn diese Mitteilung noch erreicht. Im Falle des OLG München hatte sich der RA wegen der weiten Streckte bereits am Nachmittag des Vortags auf den Weg gemacht.

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  • Ich stelle bei solch einer Konstellation auch immer darauf ab, ob die betreffende Partei noch informiert werden konnte bzw. informiert worden ist. Wenn der Kläger am Nachmittag vor dem Termin die Klage zurücknimmt und die Partei eine weite Anreise hat, sorry, dann hat der Kläger Pech und muss diese Kosten tragen. Er hätte die Klage zum einen eher zurücknehmen bzw. den Gegner selbst informieren können.

    Zudem können die Parteien m. E. nicht davon ausgehen, dass die Gerichte ständig die Faxe oder sonstige Post durchsehen und z. B. noch nach 16.00 Uhr einen Verlegungsantrag o. ä. bearbeitet werden kann. Ich denke, es ist jedem zuzumuten, eine Klagerücknahme o. ä. mit genügend zeitlichem Vorlauf mitzuteilen. Ansonsten muss man eben mit den Folgen leben. Von daher setze ich Reisekosten zu entfallenen Terminen in der Regel auch gegen den Gegner fest.

  • Es handelt sich um ganz normale Kosten des Rechtsstreites, die nach den geschilderten Umständen auch erstattungsfähig sind. Die Klägerseite konnte nicht rechtzeitig abgeladen werden, also sind die Kosten entstanden.
    Wer sie zu tragen hat, steht in der Kostengrundentscheidung.


    :zustimm:

  • Sehe ich auch so. Wer die Frage stellt, ob der Rechtsanwalt keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um von der Aufhebung Kenntnis zu erlangen sollte auch die Frage stellen, warum die Beklagte nicht schon zwei Tage früher anerkannt hat. Und wenn es dafür keine hinreichenden Gründe gibt (wovon ich ausgehe) muss die Beklagte auch die dadurch entstandenen Kosten tragen.

  • Sehe ich auch so. Wer die Frage stellt, ob der Rechtsanwalt keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um von der Aufhebung Kenntnis zu erlangen sollte auch die Frage stellen, warum die Beklagte nicht schon zwei Tage früher anerkannt hat. Und wenn es dafür keine hinreichenden Gründe gibt (wovon ich ausgehe) muss die Beklagte auch die dadurch entstandenen Kosten tragen.


    Das sehe ich anders. Für mich spielt es keine Rolle, warum die Beklagte erst so spät anerkannt hat. Entscheidend ist für mich, ob der RA noch rechtzeitig erreicht werden konnte, damit er von der Abladung Kenntnis hat und nicht anreist. Und wenn das schlüssig vorgetragen wird, sind die Reisekosten erstattungsfähig.

  • Es handelt sich um ganz normale Kosten des Rechtsstreites, die nach den geschilderten Umständen auch erstattungsfähig sind. Die Klägerseite konnte nicht rechtzeitig abgeladen werden, also sind die Kosten entstanden.
    Wer sie zu tragen hat, steht in der Kostengrundentscheidung.


    :zustimm:


    Ebenso.
    Um die Forderung recht- oder frühzeitig anzuerkennen, hat das Verfahren sicherlich vorab ausreichend Zeit hergegeben. Solche verfahrenserheblichen Schritte erst auf den allerletzten Drücker zu bewerkstelligen führen zu den entsprechenden kostenrechtlichen Konsequenzen. Ich halte in solchen Fällen auch nicht viel von der "Obliegenheit der Erreichbarkeit", zumal der Vertreter auch noch andere Aufgaben und Mandate zu erfüllen hat. Da hätte sich die Beklagtenseite ganz einfach auch früher einig werden können... :strecker :roll:

  • Ich habe zu diesem Thema auch gerade einen Fall, bei dem ich sehr unschlüssig bin:

    Klägerin ist eine Privatpartei ohne Rechtsanwalt. Sie reiste zum Termin an und hier beim Gericht wurde ihr dann mitgeteilt, dass die zuständige Richterin erkrankt sei. Sie macht jetzt die Reisekosten für den nicht stattgefundenen Termin geltend und begehrt Rückerstattung. Im Ergebnis wurde ihrer Klage nach einem weiteren Termin statt gegeben.

    Trägt nun der Beklagte die angefallenen Reisekosten, weil sie zum Verfahren gehören oder ist der Betrag aus der Staatskasse zu erstatten? Der Beklagte konnte ja im Endeffekt nichts dafür...

    Müsste ich jetzt auch hier nachprüfen, ob die Richterin schon am Vortag krank war und die Klägerin hätte informiert werden können?

  • Du musst eigentlich nur gucken, ob sich aus der Akte ergibt, dass die Klägerin von der Krankheit der Richterin gewusst hat.

    Ist das nicht der Fall, weil die Richterin über Nacht krank geworden ist, waren die Reisekosten zum Zeitpunkt des Reisebeginns als notwendig anzusehen und sind zu erstatten. Für den Beklagten gehören solche Kosten zum allgemeinen Prozessrisiko.

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