UMFRAGE: Belehrung hinsichtlich Kapital u. Zinsen bestehen bleibender Rechte?

  • Grziwotz vertritt in der ZfIR 2012, 774ff die These, die nach § 56 S.2 ZVG vom Ersteher zu übernehmenden dinglichen Zinsen (in Höhe von ca. 16% bis 18%) seien wucherisch und damit nicht mehr rechtmäßig. Stattdessen sei eine Anpassung an den "angemessenen, d.h. marktüblichen Zins" erforderlich.

    In seinem Aufsatz stellt Grziwotz weiter die These auf, eine (gerichtliche) Hinweispflicht auf die Bedeutung eines bestehen bleibenden Grundpfandrechts und auf die Pflicht zur Übernahme der dinglichen Zinsen bestehe nicht.

    In der Praxis gäbe es auch keinen Ratschlag des Gerichts, der Ersteher möge das bestehenbleibende Recht möglichst schnell begleichen, um der erdrückenden Zinslast zu entgehen.

    Frage: Entspricht die Behauptung von Grziwotz über die Nichtbelehrung bezüglich der bestehen bleibenden Rechte der Rechtswirklichkeit?

  • Hm - dass das Recht wie eingetragen zu übernehmen ist, gehört zu den Versteigerungsbedingungen, die werden sehr wohl und doch wohl überall bekannt gegeben. Findet Grziwotz, dass das nicht klar genug ist? Muss ich den Leuten sagen: "Was das Grundbuch verlautbart und ich als Versteigerungsbedingung bekanntgebe, ist wirklich ernst gemeint!"?

    Ob ich mich zu dem Ratschlag hinreißen ließe, der Ersteher möge das Recht schleunigst ablösen? Ich zweifle. Ein jeder ist seines Glückes Schmied und gehalten, das ihn treffende Risiko selbst abzuschätzen und seine Konsequenzen daraus zu ziehen.

  • Ohne den Aufsatz zu kennen: Mit dem Wucherparagraphen zu argumentieren, halte ich für gewagt, wenn man an die "normalen" Überziehungszinsen beim Girokonto denkt.

    Es kommt doch sehr selten vor, dass Bestehenbleibende Rechte übernommen werden, meist nur in der Teilungsversteigerung wenn der Ersteher gleichzeitig einer der früheren Miteigentümer ist, der ja dann auch sowieso persönlicher (Mit)Schuldner und Vertragspartner der Sicherungsabrede ist.

    In anderen Fällen weise ich auf die Höhe der dinglichen Zinsen auch sehr deutlich hin, drücke mich aber neutraler aus, dass es daher empfehlenswert ist, möglichst umgehend mit der Gläubigerin Kontakt aufzunehmen. Ob ich das tue oder nicht, schreibe ich aber doch nicht ins Protokoll, das ist doch kein Vorgang der für die Versteigerung von Bedeutung ist.

  • Danke!
    Ok., dann sind ja zumindest 16% Zinsen doch noch aktuell !

    Aber wie "naja" schon sagt, meist ist der Fall zu übernehmender Rechte nur in Teilungsversteigerungen aktuell. Da dort auch bei uns meist einer der bisherigen Miteigentümer ersteigert, stellt sich das Problem nicht wirklich.
    Ich handhabe es aber auch wie - wiederum "naja" -und empfehle ausdrücklich die umgehende Kontaktaufnahme mit der Gläubigerin der bestehenbleibenden Rechte über "die weitere Verfahrensweise" diesbezüglich. Das ist gerichtlicher Hinweis genug.

    Ich wäre auch vorsichtig mit Äußerungen wie erdrückende Zinslast und Wucher.

  • Frage an die Banker im Forum: Ist es denn überhaupt so, dass die Bank den Zinsbetrag als "Vermischte Einnahme" einstreicht? In der Regel wird doch mit den früheren Eigentümern nach der Sicherungsabrede aus dem zu Grunde liegenden Darlehen abgerechnet und ein evtl. Überschuss an die jeweiligen Berechtigten -Alteigentümer bzw. Berechtigte des Rückgewähranspruchs- weitergereicht.
    Der üppige Grundschuldzins bei BBR ist daher im Ergebnis nichts anderes als ein Teil des Meistgebots, das eben der Ersteher in seine Kalkulation einbeziehen muss.

  • Aber wie "naja" schon sagt, meist ist der Fall zu übernehmender Rechte nur in Teilungsversteigerungen aktuell. Da dort auch bei uns meist einer der bisherigen Miteigentümer ersteigert, stellt sich das Problem nicht wirklich.

    Doch, gerade da stellt es sich. Und wird offenbar auch von Rechtspflegern nicht immer erkannt.
    Die dazu ergangene Entscheidung, BGH, V ZR 132/10, sollte man sich eingehend zu Gemüte führen.

  • Zitat

    naja

    Frage an die Banker im Forum: Ist es denn überhaupt so, dass die Bank den Zinsbetrag als "Vermischte Einnahme" einstreicht? In der Regel wird doch mit den früheren Eigentümern nach der Sicherungsabrede aus dem zu Grunde liegenden Darlehen abgerechnet und ein evtl. Überschuss an die jeweiligen Berechtigten -Alteigentümer bzw. Berechtigte des Rückgewähranspruchs- weitergereicht.
    Der üppige Grundschuldzins bei BBR ist daher im Ergebnis nichts anderes als ein Teil des Meistgebots, das eben der Ersteher in seine Kalkulation einbeziehen muss.


    so sollte es sein, denn das ist korrekt

  • Ich möchte die Zielrichtung meiner Umfrage nochmals auf den Punkt bringen:

    Zwischen der Bekanntgabe der Versteigerungsbedingungen (etwa: "als Teil des geringsten Gebotes bleibt bestehen eine Grundschuld über 100.000 € nebst 18% Jahreszinsen ab Zuschlag") und der Aufklärung und Belehrung des Bietpublikums über die wirtschaftliche Bedeutung des bestehen bleibenden Rechts nebst Zinsen besteht m.E. ein großer Unterschied.

    Dass das Bestehenbleiben des Rechts als Teil der gesetzl. Verst.-Bedingungen von den Rechtspflegern bekanntgegeben wird, unterstelle ich als selbstverständlich.

    Mir geht es mit meiner Anfrage, um die Aufklärung/Belehrung über die wirtschaftliche Bedeutung des Bestehenbleibens.

  • Ich verstehe es immer noch nicht:

    Wenn ich sage: "III/1 zu 100.000 EUR mit 18 % Jahreszins bleibt bestehen", springt jedenfalls mir sofort in Auge, dass der Ersteher ein Grundstück erwirbt, bei dem er für jährlich 18.000 EUR Zinsen und einmalig 100.000 EUR Hauptforderung die Zwangsvollstreckung zu dulden verpflichtet ist.

    Was sind die wirtschaftlichen Folgen, auf die ich ihn obendrein hinweisen soll?

  • @ 15. meridian:

    Du als juristisch hervorragend Ausgebildete und Augurin verstehst das natürlich.

    Ich erlebe in meinen Versteigerungsterminen immer wieder folgendes:

    Nach meinem Hinweis auf das bestehen bleibende Recht nebst dinglichen Zinsen ab Zuschlag quakt einer aus dem Kreis der Interessenten:

    • Die Grundschuld über 100.000 € wurde doch schon vor 28 Jahren eingetragen. Die ist doch längst abgezahlt und damit gegenstandslos.
    • Ich hafte doch allenfalls für eine geringe Restverbindlichkeit, falls noch nicht alles getilgt sein sollte.
    • Im Übrigen bin ich Miteigentümerin des Grundstücks. Mich tangiert das doch sowieso alles nicht (siehe den Beitrag oben von @na von 16:15 Uhr).
    • Die Zinsen von 18% sollen wohl ein schlechter Witz sein: der derzeitige Hypothekenzins liegt bei unter 3 % Jahreszins. Alles andere ist ja wohl Wucher.
    • Im Übrigen: bevor die Grundschuld nicht gekündigt ist, muss ich sowieso keine Zinsen zahlen.

    Ich könnte die Aufzählung möglicher Fehlvorstellungen unendlich fortsetzen. Ich befürchte, die geschilderten Fehlvorstellungen bestehen nicht nur bei dem Quakenden, sondern bei einer großen von weiteren Interessenten, die mit im Saal sitzen aber nicht den Mut haben, ihre (falsche) Ansicht kundzutun.


    Deshalb meine ich, dass das Gericht verpflichtet ist, insoweit aufzuklären und zu belehren. Das Gericht darf sich nicht darauf beschränken, möglicherweise im Eiltempo routinemäßig den Interessenten die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen herunter zu leiern.

    (Weil ich Dich kenne, lieber 15. meridian, weiß ich sicher, dass letzteres bei Dir sicher nicht der Fall ist.)

    Warum kommt es denn immer wieder zu solchen Fällen wie im von Dir zitierten Urteil des BGH v. 4.2.2011 -V ZR 132/10 oder LG München Rpfleger 2010, 435?

  • Je nach Bieterkreis mache ich eine mehr oder weniger ausführliche Belehrung. Sind nur bekannte Immobilienhändler/Schnäppchenjäger anwesend, halte ich es für auseichend, wenn ich sage, es bleibt eine GS mit 100.000 € nebst 18 % Zinsen bestehen (die kennen sich aus und gehen dann sowieso meist wieder).

    Für Lieschen Müller nenne ich nicht nur die BBR im Geringsten Gebot, sondern sage bei den Versteigerungsbedingungen nach Bekanntgabe des Mindest-Bargebots noch mindestens einmal deutlich, dass daneben noch eine GS über x € nebst sounsoviel Zinsen ab Zuschlag zu übernehmen ist, Berechtigter lt. Grundbuch die AB-Bank, mit der der Ersteher sich möglichst bald in Verbindung setzen sollte. Es sei auf jeden Fall der genannte Betrag zu zahlen aber außerhalb des Versteigerungsverfahrens, wer nun Berechtigter ist müsse ggfls. dabei geklärt werden. Weitere Aufklärung wird angeboten und je nach Reaktion der Interessenten (Quakenden) auch ausgeführt.

    Wenn Du das mit Aufklärung über die wirtschaftlliche Bedeutung meinst, dann tu ich das wohl.

    Da ich auch schon erlebt habe, dass Unbedarfte die Spielregeln eben nicht sofort kapiert haben und auch die Verzinsung nicht ernst nehmen, bin ich da lieber ausführlich. Schließlich sollen nicht nur die Profihändler als Interessenten gewonnen werden, sondern auch Amateure, Konkurrenz belebt das Geschäft. Hierbei ist es mir egal, ob ich zu so ausführlicher Belehrung verpflichtet bin sondern möchte einfach, dass die Leute halbwegs verstehen, worauf sie sich einlassen.

  • @1556: Danke für die Blumen. :)
    (Die Augurin muss ich erst nachschlagen ... :oops:)

    LG München Rpfleger 2010, 435?

    Tippfehler? Ich vermute, es handelt sich um LG München Rpfleger 2010, 335 = Urteil vom 11.12.2009, 25 O 6214/09.

    In der Tat lebe ich in ständiger Furcht, betriebsblind zu werden. Wie es sich anfühlt, mit einem Fachmann zu sprechen, stelle ich fest, wenn ich meinen Bruder, den Informatiker, in einem Computerproblem um Hilfe bitte ...

    Komischerweise (oder auch nicht) stellt sich das Problem gewöhnlich im Zusammenhang mit Teilungsversteigerungen. Gerade da haben wir also guten Grund, uns den Mund fusselig zu reden. (Wir müssen nur selbst erst einmal wissen, welche Folgen es hat, namentlich wenn ein vormaliger Bruchteilseigentümer nun Alleineigentum erwirbt.)

    Ansonsten ist der Fall leicht zu beantworten, wenn denn einer "quakt", wenn also ich als Gericht den Verdacht haben muss, der Bietinteressent ist sich der Tragweite seines Gebots nicht bewusst. Denn da drängt sich förmlich auf, dass ich aufklären muss.

    Schlimmer sind die dran, die nichts sagen; vielleicht weil sie meinen, sie wüssten es besser, vielleicht weil sie das Problem nicht als solches erkennen.

    Wäre es vielleicht nützlich, hierfür ein Merkblatt zu erstellen, in dem die Folgen auch für Laien verständlich und drastisch genug dargestellt sind?

  • @1556: Danke für die Blumen. :)
    (Die Augurin muss ich erst nachschlagen ... :oops:) ......

    Ich habe vorsichtshalber auch noch mal nachgesehen: Auguren sind nichts unanständiges!

    Im heutigen Sprauchgebrauch sind die Auguren "die Eingeweihten" und so wollte ich es auch verstanden wissen.

  • Im Grunde sieht meine Belehrung aus wie bei naja. Wenn ich dann im Saal mitbekomme, dass irgendwelche Fehlvorstellungen diskutiert werden, weiße ich nochmals darauf hin, dass nicht die persönliche Forderung (Kredit) maßgeblich ist, sondern die Grundbucheintragung (Grundschuld) und das beides nur bedingt etwas miteinander zu tun hat. Mit weiteren Hinweisen bin ich vorsichtig, weil ich in all den Jahren schon die verschiedensten "Ablösevarianten" gesehen habe. Ich weiß einfach nicht, was Ersteher und Gläubiger vereinbaren und es hat mich auch nicht zu interessieren. Im Übrigen halte ich den Vorschlag von 15.Meridian gut, ein Merkblatt zu erstellen. Allerdings fürchte ich, das die Leute das Merkblatt genauso wenig verstehen, wie die Hinweise im Termin. Das ist nicht bös gemeint, aber es ist halt ein schwieriges Feld bei dem leider auch manche Rechtspfleger nicht gut Bescheid wissen.

    Einmal editiert, zuletzt von Silvio (29. November 2012 um 07:07) aus folgendem Grund: Schreibfehler berichtigt

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