Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Ratenzahlungsangebot - § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO?


  • Na ja...das stimmt schon:D. Das Finanzamt kann auf Grund der angemeldeten Zahlen Rückschlüsse auf Wohl oder Weh schließen. Wenn ich ein großes Unternehmen habe, wo ständig Umsatzsteuererstattungen laufen, dann drängt sich wohl auf das etwas nicht stimmt.

    Dann musst du mir mal deine Kristallkugel leihen. Ich kann aus den angemeldeten Umsatzzahlen nämlich nicht die Liquidität ablesen. Und aus Umsatzsteuerüberhängen schon gar nicht, denn die können auch für erhebliche Investitionen oder ein starkes Exportgeschäft stehen.


    Weiterhin...selbst in den Mahnungen wird schon Vollstreckungsdruck aufgebaut (rechte Spalte, ziemlich klein geschrieben). Weiterhin...welcher Schuldner zahlt schon gerne 10% Verzug bei verspäteter Anmeldung und/oder Nichtzahlung freiwillig? Gerade das deutet doch zumindest auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hin (zumindest wenn es ständig vorkommt), weswegen ich den 130er InsO in der Praxis meistens außer acht lasse.

    Da sind die KK aber keineswegs billiger (führer waren sie sogar 5x teurer) und ein Zahlungsverzug ist bei KK sogar strafbar. Und intimere Kenntnisse sind das hier auch nicht.


    Ja aber doch nicht, wenn gleichzeitig der Schuldner unter Vollstreckungsdruck gehalten wird und/oder gepfändet wird.

  • Gut, das ist dann wieder die Argumentation: Weil KK/FA vollstreckt, liegt Kenntnis von der ZU/ZE vor. Umsatzsteueranmeldungen sind m. E. ohne eine betriebswirtschaftliche Auswertung kaum einer sinnvollen Interpretation zugänglich.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Gut, das ist dann wieder die Argumentation: Weil KK/FA vollstreckt, liegt Kenntnis von der ZU/ZE vor.

    Ach komm, dass ist doch nun wirklich ein alter Hut. Ich gebe Dir Recht, dass man aus einer Umsatzsteuervoranmeldung nicht wirklich viel ersehen kann. Aus Körperschafts- oder Einkommenssteuererklärungen aber schon. Zumindest "Hilfsargumente" dürften sich für den Insolvenzverwalter ergeben.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Aus Körperschafts- oder Einkommenssteuererklärungen aber schon. Zumindest "Hilfsargumente" dürften sich für den Insolvenzverwalter ergeben.

    Die liegen wann vor? Jahre später. Also kein Anhaltspunkt für die aktuelle Vollstreckung.

    (Übrigens: Kein Fugen-S in Einkommensteuer.)

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Gut, das ist dann wieder die Argumentation: Weil KK/FA vollstreckt, liegt Kenntnis von der ZU/ZE vor. Umsatzsteueranmeldungen sind m. E. ohne eine betriebswirtschaftliche Auswertung kaum einer sinnvollen Interpretation zugänglich.

    Wann denn sonst? Tatsache ist doch...und ich meine nicht eine einmalige Vollstreckung oder den einmaligen Vollstreckungsdruck...das viele Schuldner unter permanentem Vollstreckungsdruck gehalten werden - inklusive Besuch vom Vollstreckungsbeamten / worauf dann mangels Geld in der Kasse umgehend bezahlt wird (hat sich einer schon mal Gedanken darüber gemacht, wie das bei den Angestellten wirkt, wenn der Vollstreckungsbeamte auftaucht - und was der Schuldner bzw. das Organ tunlichst vermeiden will - und zwischendurch werden noch Kontenpfändungen ausgebracht....

    Totschlagargument des Finanzamtes...ja wieso Kenntnis der drohenden ZU....wir haben doch immer zeitnah Geld erhalten:D

    Dadurch passiert es, dass andere Gläubiger ohne eigene Vollstreckungsorgane viel später, schwieriger oder gar nicht an ihr Geld gelangen....

  • Zitat von AndreasH

    Bei einem bestimmten Prozentsatz frage ich mich, ob Ziel der mir vorliegenden Anfechtungsklge tatsächlich die Massemehrung oder nicht nur die Entnahme von Anwaltsgebühren aus der noch vorhandenen Masse ist.

    Guten Morgen auch von mir,

    das habe ich auch immer vermutet. Neulich hat aber ein Kollege folgende (nicht ganz von der Hand zu weisende) Argumentation gebracht. In zirka 95 % der Fälle enden Anfechtungsrechtsstreite mit einem Vergleich. Warum sich also zu viel Mühe machen. Warum unsere Vergleichsquote derart hoch ist. Weil die erstinstanzliche Entscheidungspraxis oft nicht absehbar ist. Zum Thema: Nach wieviel Rücklastschriften liegt die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit vor" habe ich schon einen ganzen Katalog verschiedener Meinungen. Außerdem ist wohl kein Amts- oder Landrichter, von oft nicht vorhandenen Spezialzuständigkeiten abgesehen, wirklich glücklich, über Anfechtungssachen entscheiden zu müssen. Entsprechend wurstig fallen die Urteile dann aus. Mein Spitzenreiter ist ein Rechtsstreit mit hochkomplexer gesellschaftsrechtlicher Materie und einem sechsstelligen Streitwert. Inklusive Tatbestand umfasste das erstinstanzliche Urteil 1,5 A4-Seite.


    Zitat von AndreasH

    Dazu nur eine kurze Zahlenspielerei: In dem Senat, dem ich angehöre, haben wir mehrere Spezialzuständigkeiten. Unsere Fehlerquote (d.h. die Zahl der Fälle, in denen wir vom BGH kassiert werden) ist, soweit ich das überblicke, in den Insolvenzsachen ein wenig höher als im anderen Spezialgebiet. Die Zahl der Nichtzulassungsbeschwerden im InsO-Bereich liegt jedoch mehr als viermal so hoch, und das überwiegend nicht von Gläubigerseite. Was lässt sich aus diesem Befund schließen?

    Vielleicht das, dass die Rechtsprechung des IX. Senats mittlerweile eine Halbwertzeit von wenigen Monaten hat und sehr unberechenbar ist. Ich würde in einigen Sachen nicht prognostizieren wollen, wie der Bundesgerichtshof morgen entscheidet. Die Gebühren sind es jedenfalls nicht. Von "Kick back" abgesehen, verdient diese nämlich ausschließlich der am Bundesgerichtshof zugelassene Kollege.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

    2 Mal editiert, zuletzt von Gegs (10. Februar 2014 um 10:27)

  • [quote='james','RE: Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Ratenzahlungsangebot - § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO?']


    Aus meiner beruflichen Praxis wehre ich mich nur gegen folgende Argumentation: Ratenzahlungsvereinbarung = Kenntnis von ZE oder ZU. Und eine Ungleichbehandlung von Gläubigern nur aufgrund ihrer organisatorischen Verfasstheit sehen die 130 ff. InsO meiner Kenntnis nach auch nicht vor. Ich erwarte als Richter ja "nur", dass der IV sich die Mühe macht, die ihm vorliegenden Unterlagen anständig auszuwerten und entsprechend vorzutragen. Leider unterzieht sich bei weitem nicht jeder dieser Mühe. Bei einem bestimmten Prozentsatz frage ich mich, ob Ziel der mir vorliegenden Anfechtungsklge tatsächlich die Massemehrung oder nicht nur die Entnahme von Anwaltsgebühren aus der noch vorhandenen Masse ist.

    Dazu nur eine kurze Zahlenspielerei: In dem Senat, dem ich angehöre, haben wir mehrere Spezialzuständigkeiten. Unsere Fehlerquote (d.h. die Zahl der Fälle, in denen wir vom BGH kassiert werden) ist, soweit ich das überblicke, in den Insolvenzsachen ein wenig höher als im anderen Spezialgebiet. Die Zahl der Nichtzulassungsbeschwerden im InsO-Bereich liegt jedoch mehr als viermal so hoch, und das überwiegend nicht von Gläubigerseite. Was lässt sich aus diesem Befund schließen?

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    ....so nu zweiter Teil:

    Sehe ich auch so - der IV sollte sich die Mühe machen alle Informationen zum Sachverhalt zusammen zu tragen. Das ist halt nicht immer so einfach und so ein IV-Büro ist ja auch nichts anderes als ein um Wirtschaftlichkeit bemühtes Unternehmen. Es kann schon sein, dass Gegs Recht hat wenn Sie sagt, dass manche Verwalter es in den ersten Instanzen einfach drauf ankommen lassen. Die Erfahrung der Unerfahrung in den ersten Instanzen haben wir auch schon hinter uns gebracht. Allerdings macht es aus meinen Augen keinen Sinn - man muss ja dann eh höher - dann kann man auch gleich alles vortragen...oder man einigt sich halt per Vergleich mit wenig Aufwand bzw. verliert (wer will das schon?). Sinn macht eigentlich nur die Argumentation von Andreas in diesem Fall. Dazu muss man bedenken, dass die RVG Gebühren auf jeden Fall aus der Masse genommen werden können und zudem ein Erhöhungstatbestand bei Nichterfolg von Anfechtungen gegeben ist. Wenn der Verwalter allerdings Unmengen an Aufwand generiert hat um alle Anfechtungstatbestände In-House abzuwickeln gibt es keinen Erhöhungstatbestand - die Masse und die Regelvergütung haben sich dadurch ja schon erhöht. Das bringt den Verwalter m.E. in ein Dilemma - er muss einen Riesenaufwand betreiben und kennt den Erfolg nicht - weiß also nicht, ob er seine Mitarbeiter wirtschaftlich einsetzen kann. Jetzt könnte er ja Externe beauftragen - ist ja gem. diversen Urteilen und Kommentaren kein Problem, sofern es über die Regelaufgabe hinausgeht (einige, wenige Anfechtungen/BGH). Das ist jedoch auch Problematisch, weil sich oftmals bei Gerichten (nicht Alle) der Begriff Anfechtung=Regelaufgabe festgesetzt hat (egal welcher Aufwand) und der Verwalter mit seinem AG nicht hadern will. Ich könnte mich jetzt noch zum ESUG auslassen - aber das lasse ich an dieser Stelle.

    Auf jeden Fall macht dann die Ausführung von Andreas wieder Sinn - zumindest aus meiner rosaroten Anfechtungsbrille heraus gesehen...

  • Woher sollte das Finanzamt intimste Kenntnisse bzw. intimere Kenntnisse als die KK über die finanzielle Verfassung eines Schuldners haben? Weil das Wort "Finanz" im Behördenname steht? Welche Kenntnisse sollten das sein?

    Hallo Exec,

    mach bitte das FA nicht kleiner, als es ist. Die KK erfährt über die Sozialversicherungsbeiträge etwas über die abhängig Beschäftigten, die sozialversicherungspflichtig sind. Praktisch jeder von denen ist auch lohnsteuerpflichtig, also erfährt das FA auch davon über die Lohnsteueranmeldungen. Das FA erfährt zusätzlich etwas über die USt-Anmeldungen, von dem die KKs keine Ahnung haben. Dazu kommen dann noch die Jahreserklärungen zur ESt/KSt. Das alles ergibt in der Summe wesentlich mehr, als jeder andere (normale) Gläubiger erfährt - bis auf die Hausbank, wenn der Schuldner alles über eine Bank abwickeln sollte.

    Dass das FA damit nicht automatisch eine Röntgenbrille hat, ist natürlich auch klar.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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