Gemeinschaftliches Testament von Geschwistern

  • Ich habe hier ein kleineres (größeres) Auslegungsproblem. Mir liegen zwei handschriftliche gemeinschaftliche Testamente von Geschwistern vor. Soweit so schlecht.

    Im Testament 1 setzen sich die Geschwister gegenseitig zu Erben ein. Testament ist von Schwester A geschrieben und von A und B unterschrieben.
    Im Testament 2 bestimmen die Geschwister einen Erben für den Fall des Todes des Längstlebenden. Testament ist von Schwester B geschrieben und von A und B unterschrieben.

    Verstorben ist B. A möchte einen Alleinerbschein nach B haben.

    Da Testament 1 von A geschrieben ist und B nur unterschrieben hat, komme ich, egal wie ich auslege, nicht zu einem wirksamen Testament von B.
    Jetzt ist die Frage wie weit man bei der Auslegung des Testamentes 2 gehen kann. Gewollt war ja, dass A, B beerbt und am Ende eine Person X alles bekommt. Jetzt habe ich aber in Testament 2 keine ausdrücklich Einsetzung von A mehr (die ist in Test. 1). Der Wille von B ließe sich nur annähernd erfüllen, wenn man eine (befreite) Vor- und Nacherbschaft aus dem Testament herauslesen würde. Die Frage ist dann zum einen ob man nicht von einer gewollten Wechselbezüglichkeit ausgehen muss und daher das Testament nicht als Einzeltestament auslegbar ist oder, wenn man dies noch verneint, ob die Auslegung nicht evtl. zu weit geht und das Testament von daher unwirksam wäre.
    Nach gesetzlicher Erbfolge wäre A übrigens nicht Alleinerbin.

    Text von Test 2:

    Nach dem Tod von A und B setzen wir X als Alleinerbe ein.


    X ist übrigens Kind einer vorverstorbenen anderen Schwester.

    Einmal editiert, zuletzt von Juergen (20. November 2014 um 12:01)

  • Erst kommt die Auslegung: Das Ergebnis ist klar: A soll Alleinerbin sein.

    Dann kommt die Andeutungstheorie: Findet dieses Ergebnis im Testament eine, sei es auch noch so geringe, Stütze? Ja: Das Wort "wir" lässt sich nur so lesen, dass das Vermögen zunächst zusammenfallen soll. Dazu muss A Alleinerbin sein.

  • Sind die Testamente am selben Tag errichtet worden?
    Falls nein, komme ich zu keiner wirksamen Verfügung von A für den Fall des Erstversterbens.
    Falls ja: Wenn X keine Einwendungen hat, würde ich einen Alleinerbschein erteilen. Wenn X Einwendungen hat, denn würde ich den Erbscheinsantrag zurückweisen, da ich mehr Gründe für die Unwirksamkeit als die Wirksamkeit sehe.

    Auf Grund #5 Klarstellung: Wenn die gesetzlichen Erben keine Einwendungen haben,....

  • Da du hier ein grundsätzliches Problem bezüglich des Formerfordernisses hast:

    Eigenhändig geschrieben und unterschrieben

    würde ich sagen du kannst nur zur Unwirksamkeit kommen.

    Das gemeinschaftliche Testament ist nunmal den Ehegatten / Lebenspartnern vorbehalten und somit auch nur diesen die Erleichterung bzgl. des Formerfordernisses hinsichtlich der Eigenhändigkeit.

  • Aber das zweite Testament ist doch von B geschrieben und unterschrieben worden. Mithin ist doch dieses (Einzel-)Testament auszulegen.

    Die diesbezüglich Auslegung ist vermutlich tagesformabhängig. Aber derzeit tendiere ich dem Erblasserwillen, welcher sich in der Gesamtsicht beider Testamente ergibt, nachzugeben und könnte mir durchaus vorstellen, A als befreite Vorerbin und als X Nacherben anzusehen.

  • Jeder sollte das tun was er vertreten kann. Aber ich fände es echt schwierig.

    Selbst wenn ich mir nur das zweite anschaue, was B geschrieben hat. Komme ich zwar zu einem Wirksamen Testament, aber zu keiner wirksamen Erbeinsetzung. Denn um das ganze Auslegen zu können brauche ich doch zumindest irgendeinen Anklang und den in Testamentsform. Hab ich hier beides nicht, so dass ich zur gesetzlichen Erbfolge kommen würde.

    Die Aussage das nach dem Tod xy Erben soll müsste evtl. nochmal näher beleuchtet werden. Aber zu einer Vorerbschaft der Schwester würde mich das nicht bringen.

  • Wenn man eine Umdeutung des gemeinschaftlichen Testaments in ein formwirksam errichtetes Einzeltestament des B bejaht und das Testament den Inhalt hat, dass der eingesetzte Erbe erst nach dem Ableben von A und B erben soll, dann kommt man nach meiner Ansicht relativ zwanglos zu einer Vorerbschaft des A und zu einer Nacherbschaft des eingesetzten Erben, der nach der ursprünglichen Konzeption als Schlusserben vorgesehen war.

  • Das zweite Testament bedeutet doch anders formuliert, dass X nach dem Tode von A und B deren gemeinsames Vermögen erhalten soll. Voraussetzung hierfür ist, dass zunächst der überlebende A den B beerbt, und zwar als Vorerbe. Auch ich finde eine solche Auslegung des zweiten Testamentes daher zumindest vertretbar.

  • Für mich kommt es zu keiner wirksamen Verfügung der B. Als dieses Testament geschrieben wurde, war es unwirksam. Erst später wurde die 2. Verfügung geschrieben, die macht m.E. aber das 1. unwirksame Testament nachträglich nicht zu einer wirksamen Verfügung. Ich stelle hier allein auf die Errichtung ab. Nur was damals gewollt war, zählt.
    Eine Vor- und Nacherbschaft hätten die mit Sicherheit nicht gewollt, sondern eine unbeschränkte Alleinerbeinsetzung. Das ging in die Hose und dabei bleibts.

  • Das ist eine zu enge Sicht der Dinge.

    Wenn man das zweite Testament in eine wirksame einseitige Verfügung umdeutet, dann hat der Erblasser wirksam und formgültig erklärt, dass die Erbeinsetzung erst zum Zuge kommen soll, sobald er selbst und auch A verstorben sind. Dies schließt aus, dass der eingesetzte X bereits nach dem Ableben des B erbt, weil A noch lebt. Damit kann es sich nur um eine Vor- und Nacherbfolge handeln, wobei sich die Frage stellt, wer zum Vorerben berufen ist. Das können entweder die gesetzlichen Erben des B sein (§ 2105 BGB), wenn kein Vorerbe bestimmt wurde oder eben A, falls die Auslegung ergibt, dass er Vorerbe sein soll. Letzteres liegt viel näher, weil sich aus der in ein Einzeltestament umgedeuteten einseitigen Verfügung ergibt, dass für den Eintritt des Nacherbfalls auf das Ableben des A abgestellt wird.

    Ich wüsste nicht, weshalb diese Auslegung nicht möglich sein sollte.

  • Wer sagt uns eigentlich, dass der Erblasser das Testament als einseitigstes Testament aufrechterhalten wollte?

    Gemeinschaftliche Testamente leben von der Wechselbezüglichkeit, einseitige Testamente nicht.

    Ich hab da so meine Probleme, in Testamente auf Zuruf etwas hineinzuinterpretieren, ohne den Testierer Fragen zu können. Ich muss immer dran denken, dass der vor mit sitzende Erbe ein ureigenes Interesse hat, nämlich Erbe zu werden. Und zu diesem Zweckerzöhlt er mir im Zweifel alles. Ob es die Wahrheit ist, kann ich fast nie überprüfen. Deshalb lege ich Testamente eher eng aus. Und deshalb hätte ich mit der Auslegung meiner Vorredner so mein Problem. Für mich ist ein gemeinschaftliches Testament von Nichtehegatten im Zweifel erst mal unwirksam. Und ohne Anhaltspunkte im gemeinschaftlichen Testament indasselbige eine Alleinerbfolge hineinzuinterpretieren, ...

  • Natürlich sagt uns niemand, ob der Erblasser das misslungene gemeinschaftliche Testament als einseitiges Testament aufrechterhalten wollte. Aber es sagt uns auch niemand, wie auslegungsbedürftige wirksame Testamente auszulegen sind. Denn der jeweilige Erblasser ist tot und deshalb liegt es in der Natur der Dinge, dass man ihn nicht mehr fragen kann. Ihn nicht mehr fragen zu können, kann daher nie ein Argument für das Nachlassgericht sein, wie mit der betreffenden letztwilligen Verfügungen zu verfahren (oder auch nicht zu verfahren) ist.

    Dass die Umdeutung dem Grunde nach möglich ist, kann keinem Zweifel unterliegen und ist in der Rechtsprechung - selbst bei wechselbezüglichen Verfügungen - anerkannt (vgl. etwa OLG München openJur 2014, 15020 sowie OLG München FamRZ 2014, 1662 = openJur 2014, 9527). In der letztgenannten Entscheidung wurde die Umdeutung verneint, weil sich das vom Erblasser mit der misslungenen Verfügung verfolgte Ziel im Wege der Umdeutung nicht erreichen ließ. Dies liegt im vorliegenden Fall ersichtlich anders.

  • Cromwells Argumente überzeugen mich zwar oft, aber nicht immer. Ich bleibe dabei: Keine wirksame Erbeinsetzung und daher gesetzliche Erbfolge.

  • Also die Vorerbschaft der A überzeugt mich auch nicht. Denn dafür hab ich für mich keinen Anhaltspunkt. Nur auf Grund dessen, dass xy erst nach dem Ableben von A und B erben soll, heißt für mich nicht, dass A Vorerbin sein soll.

    Würde sich ergeben, dass sich für die Vorerbschaft die gesetzliche Erbfolge ergibt.
    Vorausgesetzt man gelangt zu dem Schluss, dass das missglückte gemeinschaftliche Testament ein wirksames Einzeltestament darstellt.

    Gewollt war das A Alleinerbin ist und xy Schlusserbe
    Daraus machen könnte man Vorerbe sind die gesetzlichen Erben und Nacherbe xy.

    Wenn wir von einer unwirksamen Verfügung ausgehen, so bliebe es bei der gesetzlichen Erbfolge.
    Da dass vom Erblasser aber auch nicht gewollt war, würde ich bei der Vorerbschaft der gesetzlichen Erben bleiben und xy als Nacherben sehen.

  • Um es mal einfach auszudrücken war doch wohl unter Betrachtung aller Umstände gewollt, dass alles Geld erst an A oder B geht und nach deren Tode alles an X. Das dürfte doch wohl unstreitig sein. Wenn ich diesem Willen des Erblassers zur Geltung kommen lassen will, geht das in der Konstellation hier "technisch" nur noch über eine Vor- und Nacherbschaft.

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