Nachlassverteilung im "Mangelfall"

  • Ich weiß, dass es hier schon mehrere Male diskutiert wurde. Aber mein Nachlasspfleger hat wieder mal einen ganz besonderen Fall:

    Nachlassmasse: 2000,00 €

    Der Verstorbene hinterlässt 3 Kinder, die alle die Erbschaft ausgeschlagen haben, die aber nach dem SächsBestattG trotzdem zunächst die Kosten der Beerdigung tragen müssen, wobei sie dann natürlich gegen die Erben einen Erstattungsanspruch haben. Ich schätze mal, dass es sich um ca. 2.500,00 € handelt.

    Der Verstorbene hatte vor wenigen Jahren die Verbraucherinsolvenz beantragt, er befand sich zum Zeitpunkt seines Todes in der Wohlverhaltensphase. Der Nachlasspfleger hat beim Insolvenzverwalter (Rechtsanwalt) nachgefragt, ob das Kontoguthaben in die frei verfügbare Masse fallen würde. Die Antwort lautete: Grundsätzlich ja. Aber: Nach der Rechtsprechung des zuständigen Insolvenzgerichts wird das Verfahren nicht als Nachlassinsolvenzverfahren fortgeführt. Es wird mit einer Kostenentscheidung beendet, wonach die Kosten des Verfahrens und somit auch des Insolvenzverwalters die Erben zu tragen haben. Der Rechtsanwalt regte an, dass der Nachlasspfleger zunächst sichern sollte, er werde sich zu einem späteren Zeitpunkt mit seiner Vergütungsforderung nochmals bemerkbar machen. Es besteht jetzt kein Anhaltspunkt, wie hoch diese Forderung etwas ausfallen könnte.

    Es gibt jetzt also 3 Forderungen aus dem verbleibenden Kontoguthaben (nicht, teilweise oder ganz) zu befriedigen:
    - Vergütung des Insolvenzverwalters
    - Vergütung des Nachlasspflegers (geschätzt: 100 - 150 €)
    - Ersatz der Beerdigungskosten an die Kinder bzw. das Ordnungsamt der Stadt, sofern dieses dafür aufgekommen ist.

    Von weiteren Verbindlichkeiten ist jetzt erst mal nichts bekannt, aber immerhin sollte der Vermieter noch Forderungen aus Restmieten oder der Räumung/Renovierung der Wohnung haben. Diese weiteren Verbindlichkeiten sollten aber ohnehin nachrangig sein, sodass man sich darüber keine Gedanken machen sollte. Die Wohnung wurde vom Nachlasspfleger immerhin schon mal freigegeben.

    Mir stellt sich jetzt die Frage, ob der Nachlasspfleger vorrangig seine Vergütung entnehmen kann und den Rest der Insolvenzverwalter bekommt oder wie das Geld ansonsten verteilt werden soll. Der Nachlasspfleger will natürlich nichts falsch machen, zumal er sich hier einem Rechtsanwalt gegenüber sieht.

  • In der WVP gibt es keine Überleitung in die Nachlassinsolvenz, da dies nur bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens möglich war. Insofern ist das keine spezielle örtliche Rechtsprechung.

    Wenn die Verfahrenskosten gestundet waren, wird der Insolvenzverwalter, der in der WVP Treuhänder heißt ;), aus der Staatskasse vergütet (die Stundungswirkung endet mit dem Tod des Schuldners, was aber bis dahin entstandene Vergütungsansprüche gegenüber der Staatskasse nicht berührt). Wurden pfändbare Einnahmen erzielt, ist die Vergütung vorrangig diesen zu entnehmen. Einen Vergütungsanspruch gegen die Erben kann es daher eigentlich nur geben, wenn nicht gestundet war und durch Zuflüsse in der WVP keine Deckung der Treuhändervergütung erzielt wurde (was eine atypische Konstellation wäre). Daher erscheint mir unverständlich, weshalb der Treuhänder dazu noch keine konkreten Angaben tätigen kann.

    Da der Tod des Schuldners in der WVP zur Verfahrensbeendigung ohne RSB-Erteilung führt, gehören zu den Nachlassverbindlichkeiten meines Erachtens auch alle angemeldeten und nicht angemeldeten Insolvenzforderungen.

    Diese Konstellation fällt weder unter § 1975 BGB noch unter § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB.

    Um die Haftungsbeschränkung für die Erben herbeizuführen, müsste daher meines Erachtens Antrag auf Durchführung des Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt werden. Das ist bei wirtschaftlicher Betrachtung sinnbefreit, da unter der Voraussetzung, dass keine weiteren Vermögenswerte aufgedeckt werden, nach Abzug der Verfahrenskosten ein Betrag i.H.v. ca. € 450,00 ein Betrag auf die Beerdigungskosten und die Nachlasspflegervergütung zugeteilt würde (§ 324 Abs. 1 InsO).

    Ich meine aber, hier wurden auch schon Möglichkeiten dargelegt, wie man das vermeiden kann (Gläubigeraufgebot?).

  • Erst mal vielen Dank. Wie bist du jetzt aber auf die 450 € gekommen? Und soweit die Staatskasse den Treuhänder befriedigt hat, hat diese dann wohl Ansprüche gegen die Erben (und beschränkt auf den erworbenen Nachlass?, und in welchem Rangverhältnis zu Beerdigungskosten/Nachlasspflegervergütung)? Das interessiert vor allem den Nachlasspfleger, der ja wissen will, woher er sein Geld bekommt. Man sitzt da ja immer zwischen 2 Stühlen: Hier hat es schon Strafanzeigen gegeben, weil die Nachlasspfleger sich ihre Vergütung aus dem Nachlass entnommen haben, was ihnen nicht zugestanden haben soll. Die Bezirksrevisoren wiederum sperren sich gegen eine Zahlung der Vergütung aus der Staatskasse, weil im Nachlass ja ausreichend Mittel für die Vergütung vorhanden waren/sind.

    Leider sind wir hier nicht ganz so firm im Insolvenzrecht, da wir hier noch nie eine Insolvenzabteilung im Hause hatten.

    Einmal editiert, zuletzt von Andy.K (14. Dezember 2014 um 18:52)

  • Wie bist du jetzt aber auf die 450 € gekommen?

    Überschlägige Rechnung: € 2.000,00 vorhanden (nach Deiner Angabe) minus € 1.368,50 Mindestvergütung nach der InsVV für den Insolvenzverwalter im Nachlassinsolvenzverfahren minus € 178,00 Gerichtskosten (2,0 Gebühren nach dem Wert bis € 2.000,00 nach GKG) bei Einstellung des Nachlassinsolvenzverfahrens.

    Wenn man das Verfahren nicht nach Aktenlage eröffnet, sondern vorher ein Gutachten einholen lässt, kann man es über die Sachverständigenentschädigung auch in die Abweisung mangels Masse treiben.

    Und soweit die Staatskasse den Treuhänder befriedigt hat, hat diese dann wohl Ansprüche gegen die Erben (und beschränkt auf den erworbenen Nachlass?, und in welchem Rangverhältnis zu Beerdigungskosten/Nachlasspflegervergütung)?

    Mit dem Rangverhältnis bei Verteilung durch den Nachlasspfleger kenne ich mich, ehrlich gesagt, nicht aus. In der Nachlassinsolvenz würde nach Begleichung der Verfahrenskosten gleichrangig auf Beerdigungskosten und Nachlasspflegervergütung als Masseverbindlichkeiten verteilt (§ 324 Abs. 1 Nrn. 2, 6 InsO). Die Forderung der Staatskasse wegen der Treuhändervergütung aus dem ersten Insolvenzverfahren wäre Insolvenzforderung (= erst nach vollständiger Befriedigung der Masseverbindlichkeiten zu bedienen, vorliegend also gar nicht).

    Wenn der Nachlasspfleger die volle Vergütung entnimmt und danach den Insolvenzantrag stellt, wäre die Entnahme insolvenzrechtlich anfechtbar. Er würde dann später im Rahmen der Ausschüttung einen geringeren Teilbetrag ausgekehrt erhalten.

    Die Abgrenzung, wann der Nachlasspfleger aus der Staatskasse vergütet wird (so dass diese dann die Forderung im Insolvenzverfahren geltend zu machen hätte), ist mir leider nicht geläufig, da ich nicht mit Nachlassverfahren befasst bin.

  • Die Forderung der Staatskasse wegen der Treuhändervergütung aus dem ersten Insolvenzverfahren wäre Insolvenzforderung (= erst nach vollständiger Befriedigung der Masseverbindlichkeiten zu bedienen, vorliegend also gar nicht).

    Und was die Forderung der Staatskasse hinsichtlich Verfahrenskosten und der Vergütung des Insolvenzverwalters (vor der WVP) angeht, wäre diese dann aber vorrangig vor Beerdigungskosten und Nachlasspflegervergütung zu bedienen, wie ich das dem obigem Beitrag entnehmen?
    Habe heute früh gleich noch mal nachgeschaut und festgestellt, dass das Kontoguthaben nur 1500 € beträgt, das hieße, dass dann für Beerdigungskosten und Nachlasspfleger gar nichts verbliebe, sofern diese Kosten noch nicht bezahlt sind.
    Dann müsste eben doch für die Vergütung des Nachlasspflegers die Staatskasse aufkommen.
    Die ganzen Geschichten wie "Aufgebot der Gläubiger" kann sich der Nachlasspfleger dann sowieso sparen, denn es wird für keinen dieser Gläubiger auch nur ein Cent übrig bleiben.

    Einmal editiert, zuletzt von Andy.K (15. Dezember 2014 um 11:03)

  • siehe Beitrag #2: Da wurden zunächst die Verfahrenskosten des Insoverfahrens (Gerichtskosten + Vergütung des Insoverwalters) abgezogen, sodass offenbar nachrangig für Nachlasspfleger und Beerdigung nur 450 € verblieben.

    Ich habe das ganze jetzt so verstanden, dass die Vergütung des Insoverwalters nebst Gerichtskosten vorrangig vor Beerdigungskosten/Nachlasspflegervergütung sind und die Vergütung des Treuhänders in der WVP wiederum nachrangig - jeweils unter der Voraussetzung, dass die Erben überhaupt noch was schulden, weil aus den vereinnahmten Mitteln diese Kosten nicht aufgebracht werden konnten.

    Darum kam ja auch sicherheitshalber meine Nachfrage, ob das so richtig verstanden wurde.

  • Ja, wir wollen aber mal davon ausgehen, dass eine solches Nachlassinsolvenzverfahren keinen Sinn macht und nicht beantragt wird.

    Nehmen wir mal an, die Kosten des Insolvenzverfahrens waren gestundet. Mit dem Tode endet die Stundung. Die Staatskasse hat den Insolvenzverwalter und späteren Treuhänder befriedigt bzw. hat dieser teilweise seine Ansprüche aus den vereinnahmten Mitteln gedeckt.
    Daraus folgt doch, dass die Staatskasse nunmehr die Gerichtskosten und an den Verwalter gezahlten Vergütungen gegen die Erben geltend macht und dieser Anspruch Vorrang vor den Beerdigungskosten und den Kosten des Nachlasspfleger hat, oder nicht?

    Das ist zunächst mal die wichtigste Frage.


    Ansonsten wurde ja mitgeteilt, dass der Treuhänder nur in speziellen Fällen (bei nicht gestundeten Kosten) unmittelbar eine Forderung gegen die Erben haben kann, soweit diese Vergütung nicht durch vereinnahmte Mittel gedeckt ist.
    Auch hier wäre dann natürlich die Frage, in welchem Rangverhältnis diese Restforderung gegen die Erben zu den Beerdigungskosten/ Vergütung des Nachlasspflegers steht.

    Wäre für eine abschließende Antwort auf die beiden Fragen dankbar.

    Wie gesagt, es geht nur um die Kosten des bisherigen Verfahrens (seitens der Staatskasse und ggf. vom Treuhänder) in Relation zu den Beerdigungskosten und denen des Nachlasspflegers. Alles andere (weitere Nachlassinso) kann vernachlässigt werden, da sowieso kein Gläubiger auch nur einen Cent bekommen würde.

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    BREamter: Ich wollte dir gerade eine PN senden, aber dies ist nicht möglich, da dein Posteingang voll ist.

    Wie gesagt, es geht nur um die Kosten des bisherigen Verfahrens (seitens der Staatskasse und ggf. vom Treuhänder) in Relation zu den Beerdigungskosten und denen des Nachlasspflegers. Alles andere (weitere Nachlassinso) kann vernachlässigt werden, da sowieso kein Gläubiger auch nur einen Cent bekommen würde.

  • Ich hänge mich mal dran, weil ich auch immer so traurige Nachlässe habe.

    Wo ist die Rechtsgrundlage dafür, dass die dem lebenden Erblasser gestundete Forderung der Staatskasse Vorrang hat vor irgend welchen anderen Forderungen, die zu Lebzeiten des Erblassers entstanden sind? Oder sogar Vorrang vor den Beerdigungskosten?

    Wieso soll so etwas nicht ein Fall von § 1990 BGB sein? Nachlass ist offensichtlich überschuldet, aber nicht genug Masse für ein Nachlassinsolvenzverfahren vorhanden. Ist das nicht genau die Konstellation, für der Gesetzgeber § 1990 BGB geschaffen hat?

  • Im Bereich der Nachlasspflegschaft dürften die Gerichtskosten des Nachlassgerichts und die Vergütung des Nachlasspflegers die wichtigsten Posten sein. Der Rest kommt nach. Im Zweifel dürften alle Positionen gleich zu bewerten sein. Insolvenzverfahrens gilt M.E. nicht.

  • Ich hatte schon einige Fälle, in denen die Schuldner in der Wohlverhaltensperiode verstorben sind. Und meine Nachforschungen im Zöller-ZPO-Kommentar zur PKH (weil die Stundungskommentierung nichts hergab und die Vorschriften auf die PKH-Regelungen zurückgehen) hat ergeben, dass ich von den Erben nur dann gestundete Beträge zurückfordern könnte, wenn ich schon Raten angeordnet habe und der Schuldner mit diesen im Rückstand war. Waren noch keine Raten angeordnet, kann man auch von den Erben nichts einfordern (Rz. habe ich leider nicht mehr griffbereit, weil der Kommentar nicht in meinem Büro steht).

    quidquid agis prudenter agas et respice finem. (Was immer Du tust, tue klug und bedenke das Ende.) :akten

  • Ja, ich habe auch einen Aufsatz vorliegen, wonach es so ist, dass im Falle einer bestehenden PKH-Bewilligung ohne Zahlungsbestimmung zum Zeitpunkt des Todes es dann auch so verbleibt und nichts von den Erben eingefordert werden kann. Nur im Falle zu leistender Zahlungen des mittlerweile Verstorbenen haben dies dann auch die Erben weiter tun, wobei sie auch eine Abänderung der monatlichen Raten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse beantragen können. Waren aber zZ des Todes keine Zahlungsbestimmungen angeordnet, ist die Akte einfach zu schließen und wegzulegen.

    Sollte das im Falle gestundeter Kosten durch das Insolvenzgericht auch so sein (???), könnte man (Staatskasse) ja gar nicht an die Erben herantreten. BREamter schrieb nur weiter oben, dass mit dem Tod auch die Stundung endet. Ob damit die Staatskasse gegen die Erben Forderungen erhebt, konnte man dem Beitrag aber nicht entnehmen.

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