Wie bewältige ich die Aktenberge?

  • Liebe Kollegen bei den Betreuungsgerichten!
    Ich habe vor fünf Monaten nach der Elternzeit in Teilzeit beim Betreuungsgericht angefangen und verzweifle langsam! Ich sitze zwischen Aktenbergen und komme einfach nicht rum. Meine Tagespost schaffe ich noch nicht mal. Rechnungslegungen versuche ich einzubauen, gelingt mir aber nicht wirklich, weil ich mit allem anderen genug ausgelastet bin. Nun meine Frage: wie genau prüft ihr die Rechnungslegungen? Kann man zum Beispiel bei mittellosen Betreuten von der Prüfung absehen? Nur da sehe ich "Einsparmöglichkeiten". Meine Kollegen sind leider seeeeehr genau und monieren sogar Centbeträge. Sie sitzen auch in Aktenbergen, ertragen diese wohl ganz gut. Machen ihren Job aber auch schon seit mehr als 20 Jahren. Eine andere Kollegin hatte Ende des Jahres mehr als 300 Überstunden und kommt trotz Kinder am Wochenende rein, damit ihre Abteilung läuft - das ist doch keine Lösung!

    Bin für jeden Rat dankbar. Hier muss was passieren, sonst gehe ich unter! Und Hilfe von der Verwaltung kann ich leider nicht erwarten. Mehr Personal steht nicht zur Verfügung.

    Danke!

  • -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Mittellosigkeit bewirkt nur einen anderen Stundenansatz und die Inanspruchnahme der Staatskasse.
    Auf die Prüfung der RL kann dies keine grs. Auswirkungen haben.
    Da hat jeder Betreute auch den Anspruch auf Gleichbehandlung.
    Ausnahmsweise kann es geboten sein, im Stapel der RL diejenigen mit besonders hohem Vermögen aus Gründen des Selbstschutzes vorzuziehen.

    An eine Überlastungsanzeige mal gedacht ?

  • Ich würde an Deiner Stelle sogar ganz intensiv über eine Überlastungsanzeige nachdenken!!! Wenn - wie Du vorgetragen hat - nicht damit zur rechnen ist, dass Entlastung kommt, dann erst recht. Zum eigenen Schutz!

  • -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Um die Frage zu beantworten: genau. Zunächst prüfe ich z.B. die äußere Form, also ob sie den Anforderungen gem. § 1841 BGB entspricht und fordere nötigenfalls gem. § 1843 BGB nach. Ansonsten ist die Abrechnung rechnerisch und auch sachlich zu prüfen, letzteres kann sich jedoch auch auf Stichproben beschränken. Einnahmen sind auf Vollständigkeit und Richtigkeit der Höhe nach, Aufwendungen auf tatsächliche Entstehung, Notwendigkeit und Angemessenheit zu untersuchen (aus Birkenfeld - FamRZ 1976, 197, 199)

    Ich würde auch dringend davon abraten die Gründlichkeit der Arbeit vom Arbeitspensum abhängig zu machen. Erstens weil es nun mal selbstverständlich ist und zweitens setzt man damit auch das falsche Signal an die Verwaltung, denn diese ist in meinen Augen in solchen Situationen dafür verantwortlich für Abhilfe zu sorgen.

    Ich hoffe es hilft weiter - bleib tapfer! Für mich war es am Anfang auch nicht einfach "rein zu kommen". (Insbesondere weil ich eine Zeit lang neben einem 60% Betreuungspensum auch noch unter anderem die zeitintensive Rechtsantragstelle und BerH machen durfte ... das kann ich keinem empfehlen).

    LG
    ruki

  • Vor fünf Monaten angefangen? Erstmal würd ich mir da noch keine Sorgen machen, wenn's noch nicht rund läuft.

    Rechnungslegungen kann man grdsl. zur Seite legen, aber bei Eingang schon mal gucken, ob auf den ersten Blick schon mal was fehlt und ob das Ding überhaupt prüfbar ist.

    Eine RL bei einem mittellosen ist so eine Sache, kann man sich grdsl. sparen (strittig!), wo kein Vermögen oder wo keine Verwaltung da keine RL.

    Centbeträge sind aber freilich zu monieren ;) Wenn prüfen dann richtig, entweder ist ein Zahlendreher offensichtlich oder es wurde ggf. ein unpassender Beleg untergeschoben, was zu weiteren Ermittlunge Anlass gäbe.

    Zunächst mal die Standards wegschaufeln: Umbuchungsgenehmigungen, Vergütungen, so Zeug, da sollte man sich ggf. nochmal mit der EDV beschäftigen und ggf. auch mal prüfen, ob die Servicekräfte ordnungsgemäß vorbereiten und erfassen, das spart die meiste Zeit.

    Ggf. Möglichkeiten nutzen, die das Gesetz bietet z.B. §§ 1817, 1825 BGB, ggf. auch Gegenbetreuung (hilft aber nicht gegen Rechnungsprüfung).

    "Aktenbergen" ist grdsl. mit Gelassenheit zu begegnen.
    Überlastungsanzeigen sind so eine Sache meist wird einem nur das eigene Organisationsversagen um die Ohren gehauen.
    Mehrarbeit sollte man grdsl. unterlassen.

  • Dass man bei Mittellosen von der Rechnungslegung absehen kann, kann ich dem § 1840 BGB nicht entnehmen. Aber man kann in geeigneten Fällen natürlich gem. § 1840 Abs. 3 BGB die Rechnungslegungsfrist auf 3 Jahre strecken.


    Ja iss scho recht, hab ich ja extra dazugesagt, dass aus der Formulierung "seine Vermögensverwaltung" nicht jeder 2 Tatbestandsvorraussetzungen für RL herauslesen kann.

  • Es gibt nun mal Kollegen, die bei "Leutz mit nur Girokonto" gerade mal den Kontoauszugshefter durchblättern und das als Rechnungsprüfung durchgehen lassen.

    Boah ej ! :eek: Das geht ja gar nicht !
    Ich bin vielmehr der Meinung , dass der Auszugshefter ordentlich geschüttelt und gedrückt gehört , bis die Korinthen regelrecht von selbst herausfallen.
    Saldodifferenz von 19 Cent festgestellt ? Das schreit doch förmlich nach einem dreiseitigen Mängelbericht an den Betreuer.:ironie:


    Würde mich nicht wundern, wenn das letztere zu Aktenbergen führt.

    PS :
    Vorsorglich, bevor ich Haue kriege : Ich halte das für allgemein gültig und ist nicht auf die nicht bekannte Arbeitsweise der TO bezogen.

    PPS :
    Bergen in Norwegen ist Aktenbergen allemal vorzuziehen.;)

  • Guten Morgen,

    nun ja. Die persönliche Einstellung zu seiner Arbeit mag jedem selbst überlassen sein, genauso wie die eben geäußerte freie Meinung. Ich aber finde dass es niemandem vorzuwerfen ist, wenn er seine Pflichten ernst nimmt. Ob und wie weit man mit festgestellten Mängeln umgeht ist daher jedem seine Sache. Vor dem Hintergrund, dass es nun mal nicht unser Geld ist, bei dem wir über Mängel hinwegsehen, meine ich dass jeder das Recht hat pingelig zu sein, wenn er der Meinung ist das sein zu müssen.

    LG
    ruki

  • Guten Morgen,

    ...... meine ich dass jeder das Recht hat pingelig zu sein, wenn er der Meinung ist das sein zu müssen.

    LG
    ruki

    Darüber könnte man mal einen Strauß über den Pingeligkeitsgrad ausfechten , zumal es ein Unterschied ist, ob

    a.) ich dem Betreuer die Saldodifferenz von 19 Cent lediglich vorhalte oder
    b.) ich ihm deswegen ein dreiseitiges Pamphlet zukommen lasse.

    Wohlgemerkt : Es geht bei den beiden Alternativen nicht um ein einseitiges Schreiben an den Betreuer.

  • Zitat

    Mehr Personal steht nicht zur Verfügung.

    Wie hoch ist denn der Personalbedarf? Du bist seit fünf Monaten auf der Abteilung. War vor dieser Zeit die Abteilung so stark unterbesetzt, dass Rückstände entstanden sind, die Dir jetzt vorliegen? Wenn die Besetzung jetzt stimmt, müssten die Rückstände langsam abgebaut werden können. Dann würde ich die Rechnungslegungen nach Wichtigkeit prüfen.

    Seehr genau prüfen betreffend Cent-Beträgen kann doch nur bedeuten, dass in einer Barkassenabrechnung Fehler enthalten sind. Barkassen können auch stichprobenweise geprüft werden. Man muss auch das Risiko eingehen, mal etwas zu übersehen.

  • Gerade in der Betreuung muss man den Fall kennen, um gute Entscheidungen zu treffen. Wenn Du nach 1 Jahr alle Akten durchgearbeitet hast, wird die viele Lesearbeit weniger werden. Auch bei den RL wird sich ein gewisser Gewöhnungseffekt einstellen. Wenn Du in derselben Akte bereits 2 x geprüft hast, kannst Du auf Deine alten Verfügungen Bezug nehmen und erinnerst Dich an gewisse Dinge. Auch bekommst Du ein Gefühl dafür, welche Betreuer "gut" arbeiten und was gar nicht geht. Im ersteren Fall prüft man dann eher stichprobenartig, bei den Chaoten muss es nach wie vor gründlich sein.

    Von Erbsenzählerei halte auch ich nichts - dass monatlich Telefon abgebucht wird, ist üblich, sofern der Betrag nicht plötzlich exorbitant steigt, muss ich nicht jeden Monat den Beleg erneut prüfen.

    Gut darauf achten, welche Verfahrensschritte "notwendig" sind (Anhörungen, RL-Prüfung). Alles was nicht durch das Gesetz zwingend vorgeschrieben ist, erstmal weglassen (z.B. unsortierte Unterlagen selbst sortieren).

    * Was schert´s die Eiche, wenn das Schwein sich an ihr reibt! *

  • (M.E. wäre der fred besser in Verwaltungsfred untergebracht, weil es ein allgemeines Problem ist). Für alle Arbeitsplätze gibt es Statistiken, wieviele Akten auf einen Arbeitsplatz (anteilig bei Teilzeit) entfallen. Die Zahlen müssen nicht richtig sein, sind aber ein Anhaltspunkt. Wenn es ein übliches Pensum ist hilft nur eine Überlastungsanzeige, vielleicht mal den Personalrat ansprechen. Viele Akten dürfen jedenfalls nicht dazu führen, dass wenig geprüft wird.

  • Gerade in der Betreuung muss man den Fall kennen, um gute Entscheidungen zu treffen. Wenn Du nach 1 Jahr alle Akten durchgearbeitet hast, wird die viele Lesearbeit weniger werden. Auch bei den RL wird sich ein gewisser Gewöhnungseffekt einstellen. Wenn Du in derselben Akte bereits 2 x geprüft hast, kannst Du auf Deine alten Verfügungen Bezug nehmen und erinnerst Dich an gewisse Dinge. Auch bekommst Du ein Gefühl dafür, welche Betreuer "gut" arbeiten und was gar nicht geht. Im ersteren Fall prüft man dann eher stichprobenartig, bei den Chaoten muss es nach wie vor gründlich sein.

    Genau das ist auch meine Erfahrung. Anfangs schaue ich schon ein wenig die Akte durch, was bisher so gelaufen ist. Nach einem Jahr, also bei der 2. RL, kennt man seine Akten und braucht erheblich weniger Zeitaufwand.

  • Ich erinnere in dem Zusammenhang an die Glosse von Spangenberg in der FamRZ 2014, 1174 zur nostalgischen Betrachtung von Aktenbergen.
    Wer danach immer noch Angst vor dem Berg hat, dem kann man nur schwerlich helfen . Auszugsweise dazu ( Smileys stammen von mir :)):

    " .....gibt es kein das Aktenbergwesen regelndes Gesetz; keine Aktenbergordnung , sondern nur lieblose und lückenhafte Aktenbergempfehlungen.
    Dahingehend etwa, welche Akten sich eher für Einzelhaltung , welche sich besser für den Aktenberg eignen oder wie man einen Aktenberg anlegt, abträgt , teilt, vermehrt und verheimlicht:eek:.

    ......Mensch und Aktenberg sind Partner geworden. In einem modernen Gemeinwesen ist der eine nicht mehr denkbar ohne den anderen...
    .....Es gibt den Aktenberghasser, der hastig und freudlos Akte für Akte erledigt oder sich leichten Herzens für unzuständig erklärt.
    Es gibt aber auch den Liebhaber , der ein freundschaftliches, fast intimes Verhältnis zu seinen Akten entwickelt.
    Der sich morgens über ihren Anblick freut, der mit ihnen spricht , der sie sorgsam umbettet, den Staub abschüttelt, sie in die Sonne legt und sie an Wochenenden und hohen Feiertagen nach Hause holt.:D

    Das Wort Geborgenheit kennzeichnet am besten das Verhältnis der Einzelakte zum Aktenberg.
    Keine beklemmende sich türmende Masse ist der Aktenberg, sondern ein seine Akten Bergender.
    So sehr ein Antrag in seiner Akte auf baldige Entscheidung drängt......im Aktenberg finden sie all die Ruhe und Gelassenheit Gleichgesinnter."

  • :2weglach: wirklich, gerade der Mittelteil ist äußerst gelungen...

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