Verheirateter muF

  • Wie ist eigentlich die Lage, wenn das z. B. 17jährige Kind verheiratet ist? Angenommen, das Heimatrecht des Kindes und dessen Ehegemahls - der Einfachheit halber mal derselben Nationalität wie das Kind - verfolgt den Ansatz "Heirat macht mündig". Wird das von uns anerkannt (Art. 7 I 2 EGBGB), so dass die Vormundschaft entfällt oder einzuschränken ist, oder spielt das im Bereich des (darüber schweigenden) KSÜ keine Rolle, so dass die Vormundschaft einfach bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres aufrecht erhalten bleibt und fertig?

    Habe diese Fragen gerade anlässlich Somalia und Afghanistan.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Ich hatte nur den Fall, dass ein 20-Jähriger und eine 17-Jährige aus Syrien eingereist waren mit einem Kleinstkind. Nach eigenen Aussagen seien sie verheiratet. Das Standesamt hat das aber nicht anerkannt, weil wohl die mitgebrachten Papiere hierzu nicht ganz eindeutig waren.
    Sodann hat unserere Richterin nach der Feststellung des Ruhens den vermutlichen Ehemann sowohl für seine Frau als auch für sein Kind als Vormund bestellt. Habe diesen gerade heute verpflichtet. Da sie mit 18 Jahren volljährig wird, bin ich jetzt mal davon ausgegangen, dass sie dann auch die elterliche Sorge ausübt, sodass ich den Anwesenden angekündigt habe, dass die Vormundschaft in einem Jahr sowohl für das Kind als auch die Frau endet. Der Mann machte noch seinen Spaß und meinte, mit Eintritt der Volljährigkeit sei wohl dann seine Frau der Vormund für ihn. :)

    Ich würde mich in dieser Frage echt mal an meinen Familienrichter wenden. Der müsste ja wissen, ob er in einem solchen Fall der verheirateten 17-jährigen einen Vormund bestellt, je nach Annahme, ob sich der Ehemann auch hier bei ihr aufhält oder nicht. Zunächst würde man ja an das KSÜ denken, und danach müssen halt für jeden, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.

  • Für meine Somali hat sich der Fall nun erledigt, die Heirat ist formunwirksam erfolgt. Aus rechtlicher Sicht ist das schön, da geht das alles nun seinen Gang. In sonstiger Hinsicht ist das etwas bescheiden, aber sie können ja nächstes Jahr eventuell auch in Deutschland noch einmal offiziell heiraten.

    Die Anfrage bei den Richtern ist schon durch und hat nichts erbracht. Gefunden habe ich bislang nur:

    Staudinger/Henrich: Kommentierung zum KSÜ Rn. G 23:
    "Auch die Altersgrenzen sind rein pragmatisch zu sehen: Vor der Geburt ist der Embryo noch nicht Kind iSd Übereinkommens (zur Diskussion um die mögliche, aber letztlich auch für Vermögensschutzmaßnahmen abgelehnte Einbeziehung der Leibesfrucht Lagarde-Bericht Rn 15). Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ist das KSÜ anwendbar, auch wenn das „Kind“ schon volljährig oder sonst voll geschäftsfähig geworden sein sollte, etwa in einzelnen Staaten wegen Eheschließung, und deswegen keines Schutzes bedarf - eine materiellrechtliche Frage, die von den zuständigen Stellen nach dem auf entsprechende Fähigkeiten nach nationalem Recht oder jedenfalls ohne Rücksicht auf das KSÜ anzuwendenden Recht zu beantworten ist. Ab 18 Jahren entfällt für jeden zukünftigen Fall die Anwendung des KSÜ, unabhängig davon, ob Maßnahmen vor der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes eingeleitet wurden oder nicht und ob die betreffende Person als Erwachsener schutzbedürftig ist, wofür nunmehr das Erwachsenenschutzübereinkommen heranzuziehen ist (so Rn G 6). Geht es allerdings darum, ob eine Schutzmaßnahme nach dem Übereinkommen in der Vergangenheit für Vorgänge vor der Vollendung des 18. Lebensjahres noch Bedeutung hat, so kann hierauf das KSÜ intertemporal anwendbar bleiben."

    Nun gut, dann gilt eben weiter das KSÜ. Aber was gilt denn dann nach anzuwendendem deutschem Recht? Wandert die ausländische Volljährigkeit qua Heirat hier ein (wie man nach Art. 7 I 2 EGBGB annehmen dürfte) oder nicht? Schweigen im Blätterwald, zumindest wo ich bislang gesucht habe.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Über diese Frage habe ich auch schon seit Längerem gegrübelt, hatte aber bislang noch keinen praktischen Fall.

    In einem - ähnlichen, leider nicht gleichen - Fall hatte ich eine 14jährige syrische Mutter, die einen 31jährigen Syrer auf der Flucht in der Türkei heiratete. Papiere darüber hatten sie keine. Da haben wir jetzt auch zwei Vormundschaften für das kleine Kind und die 14jährige (das große Kind:cool:). Ich habe den Eintritt einer Amtsvormundschaft für das Kleine festgestellt und der Richter hat Vormundschaft für die Mutter angeordnet. Begründung war insbesondere, dass die vermeintliche Ehe wohl weder nach deutschem (Befreiung von der Ehemündigkeit erst ab16) noch nach syrischem Recht (Befreiung von der Ehemündigkeit durch Imam ab 17; Aussage unseres Standesamts) wirksam zustande gekommen ist.

    Aus Gründen des Kindeswohlschutzes würde ich an Stelle des Threadstarters aber eher dazu neigen, von einer Mündigkeit durch eine rechtlich wackelige Heirat abzusehen und von Vormundschaft auszugehen. Sollten die Beteiligten das anders sehen, könnten das dann schlaue Köpfe am OLG klären. Allein aus Haftungsgründen würde ich im Zweifel den Vormundschaftsweg beschreiten und im Falle eines Rechtsmittels ein Kollegialgericht entscheiden lassen.

  • Im Zweifel sicher. Es steht auch zu vermuten, dass den meisten vormundschaftlicher Beistand lieber ist als volle Eigenständigkeit, mit der sie hier ohnehin nicht weiter wissen.

    Gerade habe ich zwei Minderjährige (bzw. deren Akten) hier, beide jetzt 17 Jahre, die angeben, nach afghanischer Tradition verheiratet zu sein. Was immer das genau zu heißen hat. Desgleichen übrigens eine weitere 17jährige, deren mit ihr nach afghanischer Tradition verheirateter ... ähm: Lebenspartner immerhin schon volljährig ist. Mal sehen, was wir da herausfinden. Die erste 17jährige ist übrigens schwanger.

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    Immerhin sind das keine akuten Krisenfälle. Anders wird es schon, wenn man feststellt, dass das JA der (immerhin berufsmäßigen) Vormündin außer den Namen nicht viel gesagt hat und sie im Verpflichtungsgespräch erstmals erfährt, dass sie am besten als erstes mit der ganzen Sippschaft (die die drei oben, sondern wieder eine andere Familie) zum Arzt fährt, weil der volljährige Teil der Familie mit Hepatitis B und Tuberkulose kämpft.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

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