Rechtsprechungshinweise Zwangsversteigerung

  • ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1, § 155 Abs. 1,
    § 156 Abs. 1 Satz 1
    ZwVwV § 3 Abs. 1 Nr. 5
    GrStG § 10 Abs. 1, § 12, § 28 Abs. 1
    AO § 33 Abs. 1, § 34 Abs. 1 und 3
    BewG § 22 Abs. 2 und 4

    Stichworte:

    Zwangsverwalter; Steuerbescheid; Grundstück; Grundsteuer; Rückstand; Forderung; wiederkehrende Leistungen; laufende Beträge; Zahlungsverpflichtung; Neufestsetzung; Beschlagnahme; Rechtsnachfolger; Verwalterbefugnis; Vorwegzahlung; öffentliche Lasten; Fälligkeit; Eigentümerwechsel; Zurechnungsfortschreibung; Zwangsverwaltungsverfahren.

    Leitsatz:

    Nach § 156 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 13 Abs. 1 ZVG kommt es für die Abgrenzung der laufenden Beträge der öffentlichen Lasten von den Rückständen auf die Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlagnahme des Grundstücks an. Eine öffentliche Last, die in diesem Zeitpunkt Rückstand ist, bleibt dies auch dann, wenn sie nach den abgaberechtlichen Vorschriften gegenüber einem neuen Eigentümer des Grundstücks später wiederum fällig gestellt wird.

    BVerwG, Urteil vom 14.05.2014, 9 C 7.12

  • BGB § 307 Bm, Cg, § 1191
    Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Sicherungsnehmers enthaltene Klausel, die den auf Rückgewähr der Grundschuld gerichteten Anspruch des Sicherungsgebers auf die Löschung des Grundpfandrechts beschränkt, hält der richterlichen Inhaltskontrolle jedenfalls dann nicht stand, wenn sie auch Fallgestaltungen erfasst, in denen der Sicherungsgeber im Zeitpunkt der Rückgewähr nicht mehr Grundstückseigentümer ist (Fortführung des Urteils des BGH vom 9. Februar 1989 – IX ZR 145/87, BGHZ 106, 375 ff.).
    BGH, Urteil vom 18. Juli 2014 - V ZR 178/13 - KG Berlin
    LG Berlin

  • Bei Sicherungsgrundschulden ist das Vollstreckungsgericht an die erteilte Klausel gebunden, selbst wenn es sich nur um eine einfache Klausel handelt. Es hat lediglich zu prüfen, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde. Für etwaige Einwendungen ist der Schuldner auf die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO zu verweisen. Auf die Frage der Zulässigkeit eines Nachweisverzichtes kommt es bei dieser Sachlage nicht an.

    LG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2014, 328 T 42/14


    Gründe:

    I.

    Die Gläubigerin vollstreckt aus einer Sicherungsgrundschuld, die unter dem 20. Dezember 2012 errichtet wurde. Die Grundschuld enthält den üblichen Nachweisverzicht bezogen auf das Entstehen und die Fälligkeit der Grundschuld. Nach dem Vorliegen der materiellen Fälligkeitsvoraussetzungen erteilte der Notar bzw. Notariatsverwalter unter dem 7. Februar 2014 die dritte vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde auf Basis des § 724 ZPO. Die Fälligkeitsvoraussetzungen bzw. der Nachweis blieben dem Inhalt der Klausel nach ungeprüft. Das Vollstreckungsgericht lehnte den Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung bezogen auf die titulierte Hauptforderung mit der Begründung ab, dass eine wegen der Unwirksamkeit des Nachweisverzichts notwendige qualifizierte Klausel gemäß § 726 ZPO nicht vorliege. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin.

    II.



    1. Die Entscheidung erfolgt durch den Einzelrichter. Auf die Grundsatzfrage, ob ein Nachweisverzicht bezogen auf das Vorliegen der Voraussetzungen zur Fälligkeit einer Sicherungsgrundschuld wirksam ist, kommt es vorliegend nicht an. Auf Basis der erheblichen Stimmen in der Literatur ist zweifelhaft, ob es mit dem Zweck der Einführung des § 1193 Abs. 2 BGB in Einklang zu bringen ist, dass der Sicherungsgrundschuldner zur prozessualen Aktivität gezwungen ist, um einen auf Basis einer einfachen Vollstreckungsklausel vorzeitig vollstreckenden Gläubiger Einhalt zu gebieten.

    2. Auf diese streitige Rechtsfrage kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an. Das Vollstreckungsorgan ist an die vorliegende Klauselerteilung auf Basis von § 724 ZPO gebunden. Es hat von der Vollstreckbarkeit auszugehen. Die Frage, ob der Notar oder das Gericht statt einer notwendigen qualifizierten Vollstreckungsklausel fehlerhaft nur eine einfache Klausel erteilt hat, ist allein im Verfahren über die Erinnerung gemäß § 732 ZPO zu prüfen.

    Das Beschwerdegericht folgt insoweit den in zwei Beschlüssen des Bundesgerichtshofs aufgestellten Grundsätzen, wonach das Vollstreckungsorgan nur zu prüfen hat, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde; nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte. Folglich ist das Vollstreckungsorgan nicht dazu aufgerufen, „die Wirksamkeit der Klausel am Titel zu messen und die erforderliche Abgrenzung zwischen unbedingt und bedingt vollstreckbaren Titeln vorzunehmen" (BGH 12. Jan. 2012, VII ZB 71/09. juris Rz. 15; 25.0kt. 2012, VII ZB 57/11, juris Rz. 9). Ob der Titel eine qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO erfordert, bleibt ungeprüft (BGH, 25. Okt. 2012, a.a.O, Leitsatz).

    Die (wirksame) Vereinbarung eines Nachweisverzichts hat auf Basis dieser Grundsätze vorliegend keine Relevanz. Selbst wenn wegen des Fehlens eines vereinbarten Nachweisverzichts feststünde, dass der Notar fehlerhaft eine einfache Klausel gemäß § 724 ZPO erteilt hat, bliebe dieser Mangel im Vollstreckungsverfahren ohne Auswirkung. Allein eine Klauselerinnerung kann diesem Fehler wirksam begegnen (vgl. auch BGH, 12. Jan. 2012, VII ZB 71/09, juris Tz. 15).

  • Leitsatz:
    Nach § 156 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 13 Abs. 1 ZVG kommt es für die Abgrenzung der laufenden Beträge der öffentlichen Lasten von den Rückständen auf die Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlagnahme des Grundstücks an. Eine öffentliche Last, die in diesem Zeitpunkt Rückstand ist, bleibt dies auch dann, wenn sie nach den abgaberechtlichen Vorschriften gegenüber einem neuen Eigentümer des Grundstücks später wiederum fällig gestellt wird.

    BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 – 9 C 7/12

    Curiosity is not a sin.

    Einmal editiert, zuletzt von 15.Meridian (2. Oktober 2014 um 09:37)

  • Amtlicher Leitsatz:
    1. Bei der Beurteilung der persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Antragstellers ist durchaus dessen Position als Insolvenzverwalter zu berücksichtigen. Dieser muss nach den normierten Anforderungen des § 56 Abs. 1 InsO geschäftskundig sein. Dabei wird dieser Geschäftskunde eine überragende Bedeutung beigemessen.

    Aus den Gründen: In Verfahren ohne Anwaltszwang ... ist die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nur auf Antrag einer bedürftigen Partei möglich. Dabei muss die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich sein, das heißt Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache müssen Anlass zu der Befürchtung geben, der Hilfsbedürftige werde nach seinen persönlichen Fähigkeiten nicht imstande sein, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen zu veranlassen.

    (LG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 01. April 2014 – 1 T 318/13)

    Curiosity is not a sin.

    2 Mal editiert, zuletzt von 15.Meridian (2. Oktober 2014 um 09:41)

  • Zum Wucher bei Kaufverträgen über Eigentumswohnungen, wenn der tatsächliche Wert der Wohnungen mehr als das Doppelte des Kaufpreises beträgt und der Käufer die Zwangslage der Verkäufer wegen des laufenden Versteigerungsverfahrens ausnutzt.

    OLG Oldenburg, Urteil vom 02.10.2014, 1 U 61/14


    Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 07.10.2014

  • BGH, B.v. 19.09.2014 - V ZA 16/14

    Ohne amtlichen Leitsatz, Kernaussagen:

    1. Eine Zuschlagsbeschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass über eine während des Zwangsversteigerungsverfahrens zulässigerweise erhobene Erinnerung nicht entschieden worden ist. Da die Erinnerung keine aufschiebende Wirkung hat, ist das Vollstreckungsgericht nicht gehindert, das Verfahren durch Beschlussfassung und Verkündung der Zuschlagsentscheidung fortzusetzen.

    2. Die Angabe zur Nutzung des Grundstücks („Wohnhaus mit Einliegerwohnung und Garage") in der Terminsbestimmung ist nicht deshalb unrichtig oder irreführend, weil das Dachgeschoss des Hauses voll ausgebaut und als (weitere) separate Wohnung nutzbar ist, hierin liegt kein Verstoß gegen § 37 ZVG.

  • Der Zwangsverwalter haftet auf Zahlung einer konkludentvereinbarten Vergütung für Hausmeisterdienstleistungen auch dann, wenn er nichtin der Lage war, diese aus den laufenden Einnahmen zu bestreiten und auch dieEinforderung von Vorschüssen unterblieben ist.

    OLG Naumburg, Urt. v. 20. 3. 2014 - 1 U 112/13

  • BGH, Urteil vom 16. Oktober 2014 - IX ZR 282/13

    Der Zwangsverwalter eines vermieteten Grundstücks kann eine Räumungsklage auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters nicht auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit des Mietvertrages stützen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Kann ein Zwangsversteigerungsverfahren die Befriedigung des betreibenden Gläubigers aus dem Versteigerungserlös von vorneherein erkennbar nicht einmal teilweise erreichen, sind die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht als notwendig im Sinne von § 788 Abs. 1 ZPO anzusehen. Dass der Versteigerungsantrag des Gläubigers aufgrund der ihm bleibenden Chance freiwilliger Leistungen des Schuldners zulässig ist, ändert daran nichts.

    BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 25/14 LINK

  • Ein die Zwangsverwaltung betreibender Grundpfandrechtsgläubigerkann seinen Aufhebungsantrag mit dem Vorbehalt versehen, dass dieZwangsverwaltung nur mit Wirkung für die Zukunft und unter Vorbehalt allerRechte an der restlichen Zwangsverwaltungsmasse aufgehoben wird.

    LG Bielefeld, Beschl. v. 4. 3. 2014 - 23 T 103/14

  • Zum Umgang mit Suizidgefahr bei Räumungszwangsvollstreckung (insbesondere bei Beweisangeboten des Schuldners und bei einem Verweis des Vollstreckungsgerichts auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden bzw. das Betreuungsgericht)

    BVerfG, Beschluss vom 29.07.2014, 2 BvR 1400/14

    NJW-RR 2014, 1290

  • AG Charlottenburg, Urt. v. 21. 7. 2014 – 213 C 62/14 (nicht rechtskräftig, anhängig LG Berlin, Az: 63 S 271/14), ZfIR 2014, 665 (Leitsatz)

    Keine gegenüber Ersteher rechtswirksame einmalige Mietvorauszahlung bei Vereinbarung der Vorauszahlung in mietvertraglichem Nachtrag


    So nun auch die II. Instanz: LG Berlin v. 01.10.2014 - 63 S 271/14.

  • ZfIR 2014, 757

    Steffen, Manfred: Der Wegfall des rechtskräftigen Zuschlags wegen unzulässiger Bestellung eines Zustellungsvertreters
    Zugleich Besprechung von LG Potsdam, Beschl. v. 11.3.2014 – 1 T 103/13, ZfIR 2014, 785

    Zitat von ZfIR-Online:
    Mit Entscheidung vom 11.3.2014 hebt das LG Potsdam – 1 T 103/13 – den vier Jahre zuvor ergangenen Zuschlagsbeschluss des AG Luckenwalde vom 21.4.2010 auf, da die seinerzeitige Bestellung des Zustellungsvertreters für den Schuldner zu Unrecht erfolgt sei. Der Schuldner hatte am 19.11.2012 Zuschlagsbeschwerde eingelegt, nachdem einem von ihm kurz vorher beauftragten Rechtsanwalt auf Nachfrage der Zuschlagsbeschluss per Telefax am 16.11.2012 übermittelt worden war. Viele Versteigerungsinsider werden spontan sagen, das geht doch nicht. Der Beitrag will die Hintergründe und die rechtlichen Besonderheiten, die dieser Entscheidung zu Grunde liegen, beleuchten.
    Quelle: http://zfir-online.de/f1d9666f4527611863323c29830b57cc

  • LG Magdeburg, B. v. 20.05.2014 3 T 123/14, Rpfleger 2014 (Heft 9-10), 535

    "Der Bieter eines unter 5/10 des Verkehrswerts liegenden Gebots, der außerhalb des Grundbuchs ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück erworben hat, handelt nicht rechtsmisbräuchlich, wenn er zunächst eine Zuschlagsversagung nach § 85a Abs. 1 ZVG in Kauf nimmt und dann erst im Beschwerdeverfahren sein Befriedigungsrecht am Grundstück und damit die Voraussetzungen des § 85a Abs. 3 ZVG offenlegt."

    Dazu ab S. 536 eine kritische Anmerkung von Alff:
    - Unzulässigkeit des Vorbringens neuer Tatsachen im Beschwerdeverfahren (str., soweit eine Zuschlagsversagung betreffend);
    - zur Not: Möglichkeit für die Betreibende zur Einstellungsbewilligung nach § 30 ZVG.

    Alff wiederholt seine bereits früher (Rpfleger 2013, 108) ausgesprochene Empfehlung: "Bei einem unter 5/10 liegenden Gebot empfiehlt es sich, lieber einen überflüssigen Versagungsantrag nach § 74a ZVG zu viel zu stellen, als einen notwendigen Antrag zu wenig."

  • Aus der Zwangsverwaltungsmasse werden nur die laufenden (wiederkehrenden) Beträge der öffentlichen Lasten beglichen. Die Pflichten des Zwangsverwalters beziehen sich daher nicht auf einmalige öffentliche Lasten, wie etwa Herstellungsbeiträge nach § 11 HessKAG.

    Der Zwangsverwalter ist deshalb nicht Empfangsbevollmächtigter des Grundstückseigentümers für Beitragsbescheide.


    Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 02. Oktober 2014 – 5 B 1466/14

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