Abschichtung/Testamentsauslegungsvertrag

  • Unterstellt, die Erblasserin hat im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt:

    Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, dass das Ehegattennießbrauchsvermächtnis und die angeordnete Testamentsvollstreckung im Falle einer Erbenstellung der behinderten Tochter nach § 2306 Abs.1 S.1 BGB im Hinblick auf deren Erbteil unwirksam wären, weil ihre Erbquote von 1/8 ihre Pflichtteilsquote von ebenfalls 1/8 nicht übersteigt?

    Denn gerade diese Erwägung dürfte entscheidend dafür sprechen, dass die behinderte Tochter nach dem Testierwillen der Eheleute keine Erbenstellung innehaben, sondern lediglich nach den gesetzlichen Vorschriften pflichtteilsberechtigt sein sollte, zumal es wirtschaftlich keinen Unterschied macht, ob D einen unbeschwerten Erbteil von 1/8 oder einen Pflichtteilsanspruch in gleicher Höhe erwirbt. Ich halte daher die Auslegung für plausibel, wonach die Erblasserin nur klarstellen wollte, dass es beim quotalen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch der behinderten Tochter sein Bewenden hat. Ebenso schlüssig scheint mir die Beantwortung der zweiten Auslegungsfrage im Hinblick auf die Erbquote des überlebenden Ehegatten. Denn wenn die Erblasserin bestimmt, dass die beiden Kinder (egal in welchem Verhältnis untereinander) im Ergebnis die Hälfte des Nachlasses erhalten sollen, dann kann das nur bedeuten, dass die andere Hälfte beim Ehegatten verbleibt. Die rein theoretisch denkbare Alternative, die Tochter A als testamentarisch bedachte hälftige Miterbin anzusehen und für die andere Hälfte gesetzliche Erbfolge unter Ausschluss der D mit dem Ergebnis anzunehmen, dass der Ehegatte 1/4 und Tochter A 3/4 erbt, ist doch wohl sehr an den Haaren herbeigezogen.

    Damit ist die Erblasserin je zur Hälfte von ihrem Ehemann und ihrer Tochter A beerbt worden und D ist lediglich mit einer Quote von 1/8 pflichtteilsberechtigt.

    Aus den vorstehenden Gründen steht im vorliegenden Fall nicht der Abschluss eines Auslegungsvertrages, sondern lediglich die Auslegung als solche in Frage. Eines Auslegungsvertrages bedarf es nämlich nur, wenn die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt und zwischen den Beteiligten Streit über das Auslegungsergebnis besteht. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil es nach meinem Dafürhalten überhaupt nur eine Möglichkeit gibt, das vorliegende Testament in einer Weise auszulegen, dass dabei auch ein vernünftiges Ergebnis herauskommt.

    Damit verbleibt im Ergebnis nur die Problematik der Anhörung der Betreuten im Erbscheinsverfahren, die auf dem üblichen Wege zu lösen ist.

  • Zunächst einmal ist nachzutragen , dass die Erblasserin W im gesetzl. Güterstand lebte.
    Ich bin davon ausgegangen , dass im Nachlassforum grs. davon ausgegangen werden kann , wenn nichts anderes mitgeteilt wird.

    Ob es zum Streit über die Auslegung des Testamentes kommt, ist derzeit nicht absehbar, da erst die Meinung des Ergänzungsbetreuers abzuwarten ist.
    Von da her würde ich eher den Aufgabenkreis weit fassen und nicht zu eng alleine auf das Erbscheinsverfahren ausgerichtet.

    Wenn man zum einem Pflichtteilsanspruch von 1/8 kommt, muss dieser ja auch gegenüber beiden Erben A u. F geltend gemacht werden; insoweit besteht ebenfalls Vertretungsausschluss für A.
    Abhängig ist das natürlich davon , ob der Kostenträger den Anspruch auf sich überleitet oder nicht.

    Ich tendiere daher zum Aufgabenkreis "Vertretung in der Nachlasssache auf Ableben von W".
    Für die erfolgte Auslegung des Testamentes schon mal vielen Dank !

  • Der Ergänzungsbetreuer ( Fachanwalt für Erbrecht ) wurde heute verpflichtet.
    Ich werde die "Gemeinde" auf jeden Fall auf dem Laufenden halten.

  • Zum Thema Auslegungsvertrag ein (un)schönes Beispiel, das vom Gericht mE falsch entschieden wurde. Neben vielem anderen steht in einem gemeinschaftlichen Testament vereinfacht: "Die Söhne des Ehemannes sind Schlusserben. Die Tochter der Ehefrau soll den Pflichtteil erhalten." Aufgrund einer vorherigen erbrechtlichen Bindung ist die Erbeinsetzung der Söhne unwirksam. Die Mutter verstirbt zuletzt.

    Die Formulierung mit dem Pflichtteil kann sein:
    - Klarstellung
    - Enterbung (auch als gesetzliche Erbin)
    - Vermächtnis

    Im Testamentsauslegungsvertrag einigen sich alle Beteiligten auf das Vermächtnis (u.a. weil unmittelbar danach weitere Vermächtnisse ausgesetzt sind).

    Der Richter wischt alles beiseite: Da steht Pflichtteil und das kann nur eine Enterbung sein. Diesen Willen der Erblasserin kann auch ein Testamentsauslegungsvertrag nicht ändern.

  • Unabhängig vom konkreten Fall, den man ohne Kenntnis der Details nicht rechtlich beurteilen kann:

    Selbstverständlich ist das Gericht an einen Testamentsauslegungsvertrag nicht gebunden, wenn es eine andere erbrechtliche Auffassung vertritt. Das braucht die Vertragschließenden aber nicht zu stören, weil sie aufgrund des Vertrags schuldrechtlich verpflichtet sind, das Ergebnis herbeizuführen, das einträte, wenn die besagte Auslegung zutreffend wäre. Auch die erbschaftsteuerliche Betrachtung folgt den Vereinbarungen im Auslegungsvertrag.

    Man kann sich in einem solchen Fall also nur darüber ärgern, dass das Gericht den Verfahrensablauf kompliziert. Das Ergebnis als solches stellt dies nicht in Frage.

  • Hallo !

    Muss das Thema Abschichtung nochmal aufgreifen.

    Es liegt kein Testament vor.

    Gesetzliche Erben sind die drei Kinder der Erblasserin.

    Nun liegt mir ein notarieller Vertrag der drei Kinder vor, dass eines der Kinder gegen eine Abfindung aus der Erbengemeinschaft ausscheidet.

    Morgen habe ich einen Termin zur Beantragung eines Erbscheins.

    Wie lautet dieser Erbschein nun :

    die drei Kinder erben zu je 1/3-Anteil

    oder

    die zwei noch vorhandenen Kinder erben zu je 1/2-Anteil ???

    Es ist Grundbesitz vorhanden.

  • Meinst Du nicht, dass jemand zunächst einmal Erbe werden muss, bevor er sodann "abgeschichtet" werden kann?

    Ob die Abschichtung überhaupt zulässig oder lediglich eine im Gesetz nicht vorgesehene und damit unzulässige "Erfindung" des BGH ist, möchte ich an dieser Stelle nicht vertiefen.

  • Jünemann, ZEV 2012, 647 befürwortet die Variante, dass nur die verbleibenden Erben im Erbschein stehen. Er verweist dabei darauf, dass sich bei der Vor- und Nacherbfolge der Erbschein auch später ändert. Ein durchgreifendes Gegenargument fehlt mir noch, genauso wie zu der Ansicht, dass ein abgeschichteter Miterbe gar nicht mehr haften soll. Die Ansicht von Cromwell zur Erfindung des BGB greift zu kurz, da Krug eindrucksvoll belegt, dass es die Abschichtung schon immer gab. Gewohnheitsrecht ist auch eine Rechtsquelle.

  • Zur Unzulässigkeit der Abschichtung vgl. hier:

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post847885

    mit Nachweisen in den dortigen Fußnoten (neuestens: Kanzleiter ZEV 2012, 447).

    Der Ansicht von Jünemann (ZEV 2012, 647) ist nicht zu folgen. Er verwechselt das nachträgliche (!) Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft mit dem Verlust der Erbenstellung als solcher. Erben des Erblassers sind nun einmal A, B und C und nicht lediglich A und B, nur weil C später abgeschichtet wurde.

  • Den Aufsatz von Kanzleiter kenne ich. Leider liest der sich für mich wie ein Lobbyaufsatz, weil die Notarlobby gerne die Beurkundungsbedürftigkeit der Abschichtung hätte. Die Argumentation: "Das steht nicht im Gesetz", greift zu kurz. Im Gesetz steht auch nicht, dass eine Abschichtung nicht möglich ist. Aus dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass die dort genannten Wege die einzige Möglichkeit zur Erbauseinandersetzung sind. Im Gegenteil: Die Erben können im Prinzip tun, was sie wollen, solange sie sich einig sind. Einschränkungen müssen dann jeweils anhand einer analogiefähigen Schutzvorschrift hergeleitet werden. Unsere "Generalklausel" ist zunächst einmal die Privatautonomie.

  • Für den, der die Zulässigkeit der Abschichtung rundheraus ablehnt, spielt es keine Rolle mehr, ob die Abschichtungsvereinbarung -jedenfalls bei vorhandenem Nachlassgrundbesitz- der notariellen Beurkundung bedarf.

    Die Privatautonomie mag im Schuldrecht gelten, im Sachenrecht und im Erbrecht gilt sie nicht. In den beiden letztgenannten Bereichen gibt es für die Änderung der sachen- und erbrechtlichen Zuordnung nur die im Gesetz vorgesehenen Wege. Das ist entweder die rechtsgeschäftliche Einzelübertragung im Wege der Erbauseinandersetzung oder die Erbteilsübertragung. Alles andere sind aus meiner Sicht nicht gesetzeskonforme bloße Behauptungen, mögen sie vom BGH stammen oder von diversen Autoren.

  • Die Privatautonomie mag im Schuldrecht gelten, im Sachenrecht und im Erbrecht gilt sie nicht.

    Moment, so einfach geht das nicht. Art .2 I GG ist zunächst gesetzt. Du musst daher begründen, warum die Abschichtung nicht geht, genauso wie zu begründen wäre, dass es ein weiteres dingliches Recht nicht gibt, falls jemand eines findet, z.B. weil sich die Technik weiterentwickelt. Die Argumentation muss also sein, dass die Rechtsordnung (Gesetz und Gewohnheitsrecht) die Abschichtung ausschließen, z.B. weil irgendeine Vorschrift zum Schutz der Nachlassgläubiger verletzt wird. Oder weil es sonstige Gründe gibt, die die Abschichtung untragbar machen. Wenn Krug in einem Seminar über die Abschichtung berichtet, erzählt er immer von dem Fall, dass früher ein Miterbe von weiter her zur Beerdigung anreist. Der Miterbe sagt dann sinngemäß, dass sich die Erben selten sehen. Er nimmt daher ein bestimmtes Familienerbstück mit. Den Rest sollen die anderen Erben untereinander ausmachen. Alle sind damit einverstanden. Warum soll das nicht gehen? Rechtstechnisch lässt sich dieser Vorgang nur als Abschichtung begreifen.

  • Gewohnheitsrecht hin oder Privatautonomie her und der Vergleich mit sich entwickelnder Technik hinkt meines Erachtens auch. Ob ein Rechtssystem besonders vorteilhaft ist, in dem Literatur und Rechtsprechung neue Rechtskonstruktionen entwickeln, die im Gesetz nicht vorgesehen sind und die man zum Erreichen eines Ziel nicht zwingend benötigen würde, erscheint mir sehr fraglich. Irgendwann kann dann auf einen Gesetzgeber verzichtet werden, denn es lässt sich doch alles über regelmäßige Übung und notfalls die Rechtsprechung regeln. Präzedenzfälle können es richten. M.E. ist es solider und verlässlicher, wenn das, was möglich ist eine gesetzliche Grundlage hat, auch wenn es weniger dynamisch und wandelbar ist. Das Ergebnis im Beispiel von Krug wäre auch auf gesetzlich vorgesehenen Wegen erreichbar. Man sollte sich auch einmal überlegen, weshalb der Gesetzgeber für Erbteilsübertragungen etc. eine notarielle Beurkundung als Sicherheitskompo0nente bestimmte. Das sollte nicht durch Erfindungen von Literaten und Rechtsprechern unterlaufen werden können. Abschichtungen spielen bisher keine ganz große Rolle, aber welche Folgen Erfindungen haben können, ist schon am Beispiel der Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaften zu sehen.

  • Genau so ist es und wenn Du dieses -sehr zutreffende- Beispiel bringst, brauche ich nicht auf es zu verweisen.

    Im Übrigen: Wenn das einfache Recht nicht hilft, soll also das Verfassungsrecht für die Zulässigkeit der Abschichtung herhalten? Das halte ich für einigermaßen abwegig.

    Um auf das Beispiel von Krug zurückzukommen, das ich ebenfalls schon einmal bei einem seiner Vorträge gehört habe: Im geschilderten Fall handelt es sich ganz einfach um die Übereignung des betreffenden Nachlassgegenstandes an den "mitnehmenden" Miterben und -umgekehrt- um die Übereignung aller übrigen Nachlassgegenstände an die beiden anderen Miterben (jeweils) nach den §§ 929 ff. BGB. Nur weil man sich nicht die Mühe machen will, die rechtlichen Vorgänge zutreffend zu benennen, verfällt man auf die (angebliche) Möglichkeit der Abschichtung, weil man mit ihr erreichen will, dass der Restnachlass den übrigen Miterben in Erbengemeinschaft verbleibt. Hierfür gibt das geltende Recht aber nichts her.

    Was nicht geht, geht eben nicht, und es geht auch nicht, wenn man es sich wünscht. Hier geht es schlicht und einfach um den numerus clausus der sachenrechtlich und erbrechtlich zulässigen rechtsgeschäftlichen Vorgänge.

    Wenn jemand eine Bibliothek übereignen will, übereignet er auch die einzelnen Bücher, ohne dass sich jemand daran stört, dass die Übereignung einer sog. Sachgesamtheit nach geltendem Recht nicht möglich ist. Die "Erfindung" der Abschichtung ist somit einzig und allein dem Bestreben geschuldet, sich den Regularien des geltenden Rechts nicht unterwerfen zu wollen, weil sie "unbequem" erscheinen.


  • Um auf das Beispiel von Krug zurückzukommen, das ich ebenfalls schon einmal bei einem seiner Vorträge gehört habe: Im geschilderten Fall handelt es sich ganz einfach um die Übereignung des betreffenden Nachlassgegenstandes an den "mitnehmenden" Miterben und -umgekehrt- um die Übereignung aller übrigen Nachlassgegenstände an die beiden anderen Miterben (jeweils) nach den §§ 929 ff. BGB.

    Da musst Du schon viel mehr konstruieren, um das Beispiel ohne Abschichtung zu lösen, z.B. die Gründung einer GbR durch die anderen Miterben, damit sie weiter gesamthänderisch gebunden sind. Wenn der Nachlassumfang noch nicht bekannt ist, musst Du die die Übereignung bzw. Abtretung von Nachlassgegenständen konstruieren, die noch nicht einmal bekannt sind.

    Und nochmal zur Methodenlehre: Art. 20 III GG sagt nun einmal Gesetz und Recht. Es gibt eben nicht nur das Gesetz. Der Gesetzgeber kann auch nicht alles regeln, auch wenn er das teilweise gern hätte. Es ist schlicht nicht zu schaffen.

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