Fahrtkosten-Erhöhung des pfandfreien Betrags

  • Aber was spricht dann dagegen, den individuellen tatsächlichen Bedarf des Schuldners zu ermitteln, und zwar nach dem SGB, weil Sinn und Zweck der (ganzen!) Norm ist, dem Schuldner das Existenzminimum zu sichern, individuelle Härten zu mildern, aber der Allgemeinheit nicht die Sozialhilfekosten des Schuldners dafür aufzuladen, und dem erwerbstätigen Schuldner hierauf noch einen Besserstellungszuschlag zu gewähren? Das wäre m.E. alles von der BGH-Rechtsprechung gedeckt und sind auch überprüfbare (und ggfls. anfechtbare) Rechengrößen für die Parteien.

    Bei den nachgewiesenen Fahrtkosten müsste/könnte/sollte allerdings meiner Meinung nach der Anteil abgezogen werden, der bereits in der Pfändungstabelle (lt. Begründung des Gesetzes 100,00 DM (!) zuzüglich der prozentualen Erhöhung zum 01.07.2005) eingearbeitet ist.

    Ich habe als Drittschuldner natürlich kein Recht die Festsetzung zu beanstanden, wenn Du sie unter Berücksichtigung des Sozialhilfesatzes machst

    http://dip.bundestag.de/btd/14/068/1406812.pdf

    Ich habe mir jetzt auch mal die Gesetzesbegründung durchgelesen, es ist m.E. ziemlich eindeutig, was gewollt ist.

    Ansonsten ist BGH, Beschluß vom 12. 12. 2003 - IXa ZB 207/03 noch lesenswert:


    (…)In welcher Höhe Arbeitseinkommen - oder ihm gleichgestellte Sozialleistungsansprüche - pfändbar sind, ist § 850c I, 2 und 3 in Verbindung mit der dem Gesetz als Anlage beigefügten Tabelle zu entnehmen. Der Gesetzgeber hat darin feste Beträge bestimmt, die den pfändungsfreien Teil des Arbeitseinkommens ausmachen. An sie ist das Vollstreckungsgericht grundsätzlich gebunden. Von ihnen kann nur nach Maßgabe des § 850c IV sowie des § 850f II und III ZPO zu Gunsten des Gläubigers und des § 850f I ZPO zu Gunsten des Schuldners abgewichen werden. Soweit der Gesetzgeber in den Gesetzgebungsmaterialien (Gesetzesbegründung zum Entwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen, BT-Dr 14/6812, S. 9) offengelegt hat, wie sich die für Arbeitseinkommen geltenden Pfändungsfreigrenzen ermitteln, handelt es sich um Kalkulationsgrundlagen, die im Gesetz selbst nur mit ihrem Endbetrag, nicht aber mit ihren Einzelposten Niederschlag gefunden haben. Schon deshalb verbietet es sich, von den in § 850c ZPO nebst der dazugehörigen Tabelle vorgegebenen Beträgen Abschläge vorzunehmen, weil der Schuldner, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und ihm keine Fahrtkosten zu seiner Arbeitsstätte entstehen. Soweit der Gesetzgeber in den aufgeführten Vorschriften Abweichungen zulässt, tragen diese den Belangen des Gläubigers abschließend Rechnung. Soweit sie zu Gunsten des Schuldners gelten, sind sie darin begründet, dass diesem als Ausdruck des Sozialstaatsprinzips das Existenzminimum zu belassen ist. Eine Pfändungsmaßnahme darf im - die Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten des Gläubigers beschränkenden - Interesse der Allgemeinheit nicht dazu führen, dass der Schuldner seinen notwendigen Lebensunterhalt ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln der Sozialhilfe bestreiten muss (vgl. BT-Dr 14/6812, S. 8f., 40; Schuschke/Walker, § 850 ZPO Rdnrn. 3f.).(…)

  • Ganz einfach (meiner Meinung nach):

    Die unpfändbaren Grundbeträge setzen sich aus verschiedenen "Freibeträgen" zusammen, die zusätzlich noch einen prozentualen Zuschlag enthalten, damit der Schuldner gerade nicht auf das Minimum des Sozialleistungsniveau herabgedrückt wird und auch am kultuerellenn Leben teilhaben kann.

    Darüber hinaus gibt es einen unpfändbaren Mehrbetrag der dem Schulder ermöglicht, dass ihm von seinem Mehrverdienst ein Teil bleibt um ihn für die Arbeit zu belohnen, mit der er dann letztlich auch seine Schulden tilgen kann.

    Eine Ausnahme von diesem generellen Pfänungsschutz über dem Sozialleistungsniveau sieht nur § 850d ZPO für Unterhaltsforderungen und § 850f Abs. 2 ZPO für Deliktsforderungen vor. Für alle anderen Forderungen gelten die "großzügigeren" Pfändungsschutzbestimmungen.

    § 850f Abs. 1 Buchstabe b und c ZPO verstehe ich so, dass das Arbeitseinkommen trotz dieser erhöhten Aufwendungen unter den "großzügigeren" Pfändungsschutz gestellt werden und nicht auf das Sozialhilfeniveau abfallen kann. Der Schuldner soll sich wegen der überdurchschnittlichen (bereits in der Tabelle eingearbeiteten) Aufwendungen nicht schlechter stellen als ein AN, der diese Kosten nicht hat.

    Man würde einen Schuldner, der arbeitswillig ist, einer Arbeit aber nur mit erheblichen zusätzlichen Kosten nachgegen kann (von der letztlich auch der Gläubiger profitiert) dem Schuldner gegenüber benachteiligen, der seine Arbeitsstelle quasi vor der Haustür hat.

    Was ich zu der unglücklichen Formulierung noch sagen wollte ist, dass es besser wäre den Buchstaben a an`s Ende zu stellen. Das aus dem Grund, dass Buchstabe b und c vordringlich Berücksichtigung finden müssten/sollten und wenn das dann immer noch nicht ausreicht und auch für alle anderen Fälle das Sozialleistungsniveau als letzte Möglichkeit besteht, erhöhten Pfändungsschutz zu gewähren.

  • Sorry, meine Änderung ist gleichzeitig mit deinem Beitrag eingegangen :(

    Werde mir das aber später noch genau durchlesen :)

  • Diese Diskussion verstehe ich nicht so ganz.

    § 850f Abs. 1. b ZPO ist hier ganz eindeutig. Ebenso die einschlägige Kommentierung und Rechtsprechung. Ich verweise hierfür nur auf Stöber RN 1178.

    Im Übrigen wird dem Vollstreckungsgericht nicht vorgeschrieben, in welcher Höhe die Mehrausgaben zu berücksichtigen sind. Dies ist eine Ermessensentscheidung, die zwischen dem tatsächlichen Bedarf des Schuldners und den Belangen des Gläubigers abzuwägen ist. Auch sind unbillige Entscheidungen, wie Bienenschwarm sie oben konstruiert zu extrem und damit zu realitätsfern, um sie als entscheidendes Argument beachten zu können. Das Vollstreckungsgericht ist nicht gezwungen irgendwelche Kiolometerpauschalen anzuwenden, von denen es ja auch genügend zur Auswahl gibt.

    Auch eine ausschließliche Anwendung der sozialhilferechtlichen Bestimmungen führt nicht zum Ziel, da es hier um die Berücksichtigung von arbeitsbedingten Mehraufwendungen geht. Es liegt in der Natur der Sache, dass das Sozialhilferecht eben nicht für voll-erwerbstätige Menschen aus- und angelegt ist.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)



  • Das sehe ich doch auch so?! Aber die Voraussetzungen liegen eben erst vor, wenn der Schuldner in seinem Existenzminimum gefährdet wäre, wenn er diese - wie von Dir beschrieben zu berücksichtigenden - Kosten aus dem Pfändungsfreibetrag bezahlen müsste, so auch Stöber Rdnr. 1176a. Und wenn Schuldners individueller Bedarf eben geringer ist, weil er entweder Rentner (nicht erwerbstätig) ist oder geringere Wohnkosten hat, wird der Pfändungsfreibetrag eben nicht erhöht, trotz anerkennungswürdiger anderer Mehrbelastungen, weil er diese Kosten locker aus dem Pfändungsfreibetrag begleichen kann, ohne dadurch sozialhilfebedürftig zu werden.
    Meine Fälle sind übrigens gar nicht so abwegig, kommt in Verbraucherinsolvenzverfahren durchaus vor. Aber ich habe Angst, hier langsam rechthaberisch zu wirken, und schweige nun mal stille ;)

  • @ Bienenschwarm:

    Du musst mal von dem sozialhilferechtlichen Mindestbedarf wegkommen und daran denken, dass Du dem Schuldner trotz seiner erhöhten Aufwendungen so viel belässt, als hätte er nicht so hohe Fahrtkosten. Also Gleichstellung mit anderen Schuldnern mit entsprechendem Pfändungsschutz wie ihn die Tabelle grundsätzlich gewährt, nicht mit Sozialhilfeempfängern. Das ist eine Bestrafung des Schuldners, der einen weiten Weg und hohe Kosten in Kauf nimmt um einer Arbeit nachzugehen.

    Buchstabe a gilt nur dann, wenn keine anderen Gründe vorliegen den unpfändbaren Betrag zu erhöhen.


  • Aber ich habe Angst, hier langsam rechthaberisch zu wirken, und schweige nun mal stille ;)

    Brauchst du nicht, ist eigentlich meine Rolle :teufel:.

    Im Ergebnis sehe ich das genauso wie du. Der Mehrbedarf muss nachgewiesen werden und dafür ist eine Offenlegung der persönlichen Verhältnisse durch den Schuldner erforderlich.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Bei den nachgewiesenen Fahrtkosten müsste/könnte/sollte allerdings meiner Meinung nach der Anteil abgezogen werden, der bereits in der Pfändungstabelle (lt. Begründung des Gesetzes 100,00 DM (!) zuzüglich der prozentualen Erhöhung zum 01.07.2005) eingearbeitet ist.


    Kann mir jmd. sagen, wie hoch der im Freibetrag enthaltene Anteil dann heute ist? :gruebel:

    Oder gibt es gar eine aktuellere Drucksache, aus der sich der berücksichtigte Wert ergibt.

  • Kannste vielleicht mit den Erhöhungsbeträgen von 2005 und 2011 hochrechnen, weil bei diesen Erhöhungen auch den Betrag für die eingerechneten Fahrtkosten miterhöht wurde.

  • Aber die Voraussetzungen liegen eben erst vor, wenn der Schuldner in seinem Existenzminimum gefährdet wäre, wenn er diese - wie von Dir beschrieben zu berücksichtigenden - Kosten aus dem Pfändungsfreibetrag bezahlen müsste, so auch Stöber Rdnr. 1176a. Und wenn Schuldners individueller Bedarf eben geringer ist, weil er entweder Rentner (nicht erwerbstätig) ist oder geringere Wohnkosten hat, wird der Pfändungsfreibetrag eben nicht erhöht, trotz anerkennungswürdiger anderer Mehrbelastungen, weil er diese Kosten locker aus dem Pfändungsfreibetrag begleichen kann, ohne dadurch sozialhilfebedürftig zu werden.
    Meine Fälle sind übrigens gar nicht so abwegig, kommt in Verbraucherinsolvenzverfahren durchaus vor. Aber ich habe Angst, hier langsam rechthaberisch zu wirken, und schweige nun mal stille ;)

    Mein Gedankengang geht beispielsweise in genau deine Richtung (ich meine damit natürlich nicht den letzten Satz)! :)

  • Ich weiß nicht was der Mehraufwand durch die Fahrtkosten mit dem Existenzminimum zu tun haben soll.

    Buchstabe a und b / c sind verschiedene Paar Schuhe und ermöglichen jeder für sich eine Erhöhung des unpfändbaren Betrages ohne dass auch die Voraussetzungen des Buchst. a erfüllt sein müssen.

  • habe folgenden fall:

    antrag des schuldners nach § 850 f I b). er möchte 470 € zusätzlich im monat belassen haben (das ist auch das was pfändbar wäre), da er monatlich 4.000 km fahrten mit eigenem pkw zur arbeit hat.
    wie ist die rechtslage?

    be water my friend

    Ich kann nicht ständig die SuFu nutzen- ich muss auch mal was arbeiten :akten

  • Ich finde (immer noch) die Auffassung des LG Dessau-Roßlau, 29.08.2011, 1 T 175/11 m.w.N. überzeugend.

    (Gesamtkilometer pro Tag - 60 km) x 20 (oder 21) Tage/Monat x 0,30 EUR/km, (rechnen darfst du selbst ;))

    (D.H. bis 30km einfach pro Tag gibt es nix.)

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • meine rechnung:

    200 km tgl. - 60 km = 140 km

    140 km x 0,30 € x 20 Arbeitstage = 840 €

    dann sind seine beantragten 470 € ja n schnäppchen :).

    be water my friend

    Ich kann nicht ständig die SuFu nutzen- ich muss auch mal was arbeiten :akten

  • bzw. würdet ihr dem antrag entsprechen wenn der gläubiger nichts entgegensetzt?

    Wenn doch keiner dagegen ist? Warum denn nicht? Aber die Entscheidung hat ggfs. auch Auswirkungen auf evtl. nachfolgende Gläubiger.

    Grundätzlich könntest Du Dich nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch richten.

    Aber da geht es um Sozialleistungen und darum, dass dem Hilfeempfänger zugemutet werden kann, dass er umzieht, wenn es mehr als 40 km einfache Entfernung ist.

    Also stellt sich die Frage, ob er umziehen kann oder nicht.

    Wenn man von 20 Arbeitstagen im Monat ausgeht, dann hat er 200 km täglich zu fahren, macht einfach 100 km. Bei 5,20 € wären das 520,00 €, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass er nicht umziehen kann. Dann sollte man noch berücksichtigen, dass bei der Pfändungstabelle ursprünglich ein Betrag von 100,00 DM für Fahrtkosten berücksichtigt war. Durch die prozentualen Erhöhungen der unpfändbaren Beträge ist dieser Betrag heute um etwa 10 % höher, also liegt bei ca. 57,00 €. Verbliebe noch ein Betrag von 463,00 €.

    Grundsätzlich ist das vom Ergebnis her allerdings unbefriedigend, weil damit die gesamten Mehrkosten zu Lasten des Gläubigers gehen.

    Also könnte man den zusätzlich unpfändbaren Betrag über das Nettoeinkommen und die Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen ermitteln.

    Wie vielen Personen gewährt er Unterhalt?

  • 0 personen

    Wenn er keinen Anhang hat, warum zieht er nicht um?

    Wenn Du rechnen willst, bitte:

    Du stellst einen Mehrbedarf für die erhöhten Fahrtkosten von (wie von mir errechnet) 463,00 € fest.

    Das Einkommen das über dem unpfändbaren Grundbetrag liegt, ist zu 3/10 unpfändbar und zu 7/10 pfändbar.

    Wie Du schreibst, ist der gewünschte Erhöhungsbetrag in etwa der pfändbare Betrag. Also dürfte das Einkommen bei 1.700,00 € liegen.

    Würdest Du vorab die 463,00 € abziehen, verblieben 1.237,00 € und davon wären 140,78 € pfändbar.

    Gehst Du nun von 7/10 pfändbarem Anteil des Betrages von 463,00 € aus, dann ergibt das 324,10 €. Mit dieser Berechnung würdest Du ihm nur das zusätzlich pfandfrei belassen, was als pfändbar auf die 463,00 € entfällt.

    Ist kompliziert und ich weiß nicht, wie ich Dir das anders erklären sollte.

    Wie gesagt, den vollen Betrag unpfändbar zu belassen würde bedeuten, dass alles zu Lasten des Gläubigers gehen würde, obwohl der nur 7/10 des Mehrbetrages über die Pfändungstabelle bekommt oder bekommen hat.

  • Ich habe jetzt einen Fall, wo die Schuldnerin in Frankfurt arbeitet und aus unserem schönen Nordhessen jeden Tag pendelt. Ihre Frau ist schwer krank, sodass ein Umzug nicht in Frage kommt, da hier auch Familie in der Nähe ist, um sie im Notfall versorgen zu können.
    Wenn ich die Schuldnerin richtig verstanden habe (sie hat sich für morgen zur Aufnahme des Antrags angemeldet), fährt sie mit der Bahn. Laut Tarifauskunft des RMV kostet die Monatskarte für das gesamte Tarifgebiet Südhessen 246 Euro. Vom hiesigen Bahnhof bis zum ersten Bahnhof im RMV-Gebiet dürften täglich maximal 10 Euro anfallen. Wie würdet ihr das sehen? Die Monatskarte freigeben und die übrigen Euros, die sie braucht, um erstmal in die Tarifzone zu kommen, als die Fahrtkosten ansehen, die im Freibetrag schon enthalten sind?
    Ich weiß im Augenblick natürlich noch nicht, wie der Antrag gestellt wird, würde aber gerne vorher schon einmal grob wissen, was möglich ist.
    Danke im Voraus :)

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