Umfrage § 15 a RVG

  • Bei meiner Bearbeitungsweise ergibt sich kein Chaos. Ich arbeit wie folgt:

    Zu Problem X schaue ich, was das Gesetz hergibt, und überlege mir, wie ich entscheiden will. Dann schaue ich, ob jemand zum gleichen Problem meiner Ansicht ist. Ist dies der Fall (und das kommt dankt der heutigen Recherchemöglichkeiten eigentlich immer vor), bin ich beruhigt und entscheide entsprechend (ggf. unter Angabe von mehr oder weniger ausführlichen Gründen und ggf. unter Angabe der Fundstelle(n), die meine Meinung stützt/stützen). Finde ich keine meine Meinung unterstützende Fundstelle, schaue ich mir die Argumente der Gegenmeinung an. Entweder die überzeugen mich, dann entscheide ich entsprechend, oder im anderen Fall bleibe ich stur und begründe meine Entscheidung umso besser (dann halt ohne Fundstelle).

    Darauf, ob gegen meine Entscheidungen Rechtmittel eingelegt wird, oder nicht, habe ich eh keinen Einfluss und es ist mir daher auch herzlich egal. Die Erfahrung zeigt aber, dass wenn man seine Entscheidungen begründet (s. Valerianus) und ggf. noch um Fundstellen ergänzt, die Rechtmittel viel seltener werden, als wenn man gar keine Gründe angibt, oder seine Meinung immer nur an der bezirklichen Rechtsprechung oder des BGH orientiert.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (9. Oktober 2009 um 14:04)

  • Grundsätzlich wird die von Ernst P. genannte Methode von den allermeisten auch angewandt werden. Schwierig wird es, der Öffentlichkeit eine (eigene) Meinung zu verkaufen, wenn es wie auf dem Gebiet des § 15a RVG alle paar Tage eine Kehrtwende gibt und sich letztlich keiner bewusst ist und auch nicht bewusst sein kann, was nun wie anzuwenden ist. 2 Meinungsrichtungen werden fast hälftig von Obergerichten vertreten, so dass man in der Tat schauen muss, wo man sich befindet und welche Ansicht dort gilt. Es dürfte wohl sinnfrei sein, sich in seinem Beritt in -zig Fällen immer wieder aufheben zu lassen. Nun gibt der BGH - wenn auch unter Kollegenschelte - eine für mich überzeugende Richtung vor und prompt wird auch diese wieder ignoriert - und sei es von Vertretern der Landeskasse. Auswirkung: Bei PKH wird angerechnet, bei der Festsetzung nicht. Das kann doch alles nicht gewollt sein. Unter diesen Umständen kann ich meine Meinung vertreten wie ich will, die Bezis geben im PKH-Bereich ihre Ansicht bekannt und die Kostenbeamten halten sich daran, schon weil sie bei einer späteren Prüfung Beanstandungen fürchten.

    Ganz so einfach ist die Sache - zumindest in diesem Sonderfall - eben doch nicht. Wenn ich mir vor Augen halte, mich in den letzten Wochen schon bis zu 5x zum Affen gemacht zu haben, nur weil dauernd wer das Gegenteil des Vorgängers favorisiert, dann darf es wohl erlaubt sein, Legislative und Judikative kritisch zu hinterfragen. Oder glaubt wirklich wer, es wird von allen Seiten Beifall geklatscht, dass ich im KFV nicht anrechne, der KoBe in der PKHV aber doch? Für mich ist das ein Fall von :daemlich und :behaemmer, mehr nicht! Und zu Ende ist das alles ja auch noch nicht. Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn der VIII. ZS die nächste Rechtsbeschwerde zu entscheiden hat.

    Also - bei allem guten Willen: Es ist vieles anders, aber gewiss nichts besser geworden. Meine Meinung!

  • Am Rande: Die Vorgabe des FamFG, dass jeder Beschluss begründet werden muss, halte ich insoweit auch für sinnvoll. Zum einen müssen sich so manche Sachbearbeiter wieder überlegen, warum die gewisse Sache so entscheiden, wie sie (seit Jahren) entscheiden. Zum anderen gebietet es m. E. schon die juristische Höflichkeit, dem Empfänger Gründe mitzuteilen, warum man zu jenem Ergebnis gekommen ist.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (10. Oktober 2009 um 20:52)

  • ...warum die gewisse Sache so entscheiden, wie sie (seit Jahren) entscheiden.


    Standard-Begründung: Das haben wir schon immer so gemacht... :wechlach:

  • Die Frage, die sich mir jetzt natürlich aufdrängt, ist, ob die Entscheidung des BGH nicht eine Schwemme von "Anträgen auf Nachfestsetzung" lostritt!?
    -nämlich all derer, die aufgrund des § 60 RVG die Gesch.Geb. in Anrechnung gebracht haben!


    Bisher sechs - und alles dabei, vom Rechtsmittel entschieden vom LG bis zum Antrag mit freiwilliger Anrechnung :(

  • Bei mir sind bislang noch keine Anträge auf Nachfestsetzung eingegangen, allerdings allein von einer (!) Kanzlei schon angedroht: 60! :mad:

  • Ich habe nur bedingt Verständnis für das Ganze.

    Ich möchte mal ein etwas entlegenes Beispiel bringen. Die Rolling Stones sind seit Jahrzehnten an der Spitze der Rockbands und alterslos gut. Trotzdem passieren da auch Fehler. Der größte Fehler war, damals bei dem Konzert in Altamont die Hell's Angels als Aufpasser engagiert zu haben. Nun, das war schlimm, aber im Großen und Ganzen gesehen kann man sagen: die Stones bleiben die Stones.

    So würde ich es auch mit dem BGH halten. Den gibt es noch länger als die Stones. Und wir sind alle lange genug dabei, um zu erkennen, dass der Beschluss des 2. Zivilsenats vom 02.09.2009

    a) argumentativ dünn ist
    b) von anderen Senaten und vom BVerwG abweicht
    c) die Konsequenzen aus der Divergenz mit anderen Senaten / Gerichtshöfen nicht gezogen hat
    d) und außerdem eine absolut unmögliche Kollegenschelte enthält (Mick Jagger spielt ja auch keine Songs ein, in denen er seinen Drummer Charlie Watts als Blödmann besingt)

    Wenn wir uns einig sind, das wir so etwas wie am 02.09.2009 noch nie erlebt haben und auch nie wieder erleben wollen, was hindert dann einen sachlich unabhängigen Rechtspfleger daran, den § 15 a RVG als das aufzufassen, was er ist, nämlich eine Gesetzesänderung mit der Wirkung des § 60 RVG? Wenn ich Ihr wäre, würde ich die Nachfestsetzungen aus wohlerwogenen Gründen ablehnen, und ein 2. Zivilsenat des BGH, der derart schlecht in Form ist, würde mich davon nicht abhalten. Es kommen wieder bessere Zeiten und andere Fälle, in denen halte ich mich an den BGH und lehne mich zurück mit dem guten Gefühl: auch wenn nicht alles gut ist, was aus Karlsruhe kommt, immerhin herrscht jetzt Rechtsklarheit. Aber die Entscheidung vom 02.09.2009 ist ein Ausreißer, und der kann ich nicht folgen.

  • Siehste, und das genau ist das weiterhin existierende Dilemma: Die Einschätzung der Entscheidung des II. ZS als "Ausreißer" ist Deine Privatmeinung, andere sehen das anders und dürfen das auch anders sehen. Daher kann jeder seine persönlichen Argumente einbringen wie er will, andere werden sich dadurch nicht überzeugen lassen. Letztlich kommen wir also nicht weiter.

    Dass beide Argumentationsseiten Für und Wider haben, sieht man daran, dass die Meinungen nahezu hälftig geteilt sind und auch in der Anffassung der Kommentatoren im höchsten Maße Uneinigkeit besteht. Weshalb dann ausgerechnet Deine Meinung Leitschiene für rechtspflegerische Entscheidungen sein soll, erschließt sich mir nicht so ganz. Es wird irgendwann soweit kommen (müssen), dass der "große Senat" ein Machtwort spricht - und welches das sein wird, werden wir dann sehen.

  • ist Deine Privatmeinung, andere sehen das anders und dürfen das auch anders sehen

    Deshalb schrieb ich doch:


    Wenn wir uns einig sind, das wir so etwas wie am 02.09.2009 noch nie erlebt haben und auch nie wieder erleben wollen, ...

    Naja, so ist's halt mit Sätzen, die mit "Wenn" beginnen.


  • Warten wir auf die Antwort des VIII. ;)

  • Warten wir auf die Antwort des VIII. ;)



    Nein, die will ich gar nicht lesen. Ich will die Meinung des Großen Senats haben. Und dann wissen, wo´s langgeht. Und dann hoffe ich, dass sich alle an dieser Entscheidung orientieren - alle, die mit Kostenfestsetzung zu tun haben.

    Aber ich fürchte, dass - wenn der Große wie der VIII. (u.a.) entscheidet - heißt es wieder: Wieso dran halten? Wer ist eigentlich der BGH? Ich hab doch mein OLG!

    Oder kann mir hier irgendwer meine Befürchtungen nehmen? :(

  • Oder kann mir hier irgendwer meine Befürchtungen nehmen? :(


    Nö... :teufel: :teufel:

  • Ich halte trotz BGH weiter an § 60 RVG fest.
    Ok, der BGH hält es nicht für eine Gesetzesänderung, dann hab ich aber eine Regelungslücke und nehme de § 60 RVG halt analog :teufel:



    Und genau wegen solcher Bearbeitungsweise werden wir uns noch sehr lange mit der Problematik 15a/60 RVG beschäftigen.
    Das führt doch nur zu neuen Beschwerden, die irgendwer dann bis zum BGH treibt, der dann womöglich mal wieder eine Entscheidung trifft, die die komplette Praxis über den Haufen wirft. Nenene, irgendwann sollte es echt mal gut sein! Es gibt ne BGH-Entscheidung, also haltet euch auch dran - das wird schließlich in genügend anderen Kostenfragen auch so gemacht!

  • in meinem Beritt haben sich die Rpfl des LG Bezirks kurzgeschlossen und gemeinsam eine Gangart ausgemacht. Einige mussten über ihren Schatten springen, aber in meinen Augen sollte Rechtssicherheit auch von unten anfangen. Freilich ist jeder sachlich unabhängig, aber am Ende verstehe ich mich immer noch als Dienstleister und zwar als ein solcher, auf den man sich verlassen können sollte. Da passt es nicht zusammen, wenn jeder 2. anders entscheidet, womöglich noch im gleichen Haus und der Turnus der Akten über die Gebühren entscheidet.

  • Ich halte trotz BGH weiter an § 60 RVG fest.
    Ok, der BGH hält es nicht für eine Gesetzesänderung, dann hab ich aber eine Regelungslücke und nehme de § 60 RVG halt analog :teufel:



    Und genau wegen solcher Bearbeitungsweise werden wir uns noch sehr lange mit der Problematik 15a/60 RVG beschäftigen.
    Das führt doch nur zu neuen Beschwerden, die irgendwer dann bis zum BGH treibt, der dann womöglich mal wieder eine Entscheidung trifft, die die komplette Praxis über den Haufen wirft. Nenene, irgendwann sollte es echt mal gut sein! Es gibt ne BGH-Entscheidung, also haltet euch auch dran - das wird schließlich in genügend anderen Kostenfragen auch so gemacht!



    Ich würde mich gern an die Entscheidung halten, die gibt allerdings meiner Meinung nach nix her, sonder sagt lediglich, dass es sich nicht um eine Gesetzesänderung, sondern um eine Klarstellung handelt.
    Es gibt aber leider keine Übergangsvorschrift für Klarstellungen und die Entscheidung selbst hält auch keine Vorgehensweise bereit, also muss ich selbst auslegen :daumenrun

    Solange ich keine Entscheidung des BGH habe, wie ich mit Altfällen umzugehen habe, kann ich nur so handeln, wie ICH es für richtig halte :teufel:

  • Was mich persönlich am II. Senat stört ist, dass in meinem Gerichtsbezirk nach einiger Übergangszeit anstandslos alle Kanzleien die Geschäftsgebühr anrechnen, selbst wenn man kurz daran erinnern musste.

    Rechtsmittel gibt und gab es bisher keine. Nun fängt das Ganze mit dem II. Senat wieder von vorne an.

    Meine Kollegin meinte, dass wir jetzt am VIII. Senat festhalten, solange bis das Große entschieden hat und gut ist.

  • aus der Signatur von Andre
    "Indem die Wissenschaft das Zufällige zu ihrem Gegenstand macht, wird sie selbst zur Zufälligkeit; drei berichtigende Worte des Gesetzgebers und ganze Bibliotheken werden zu Makulatur." (Julius von Kirchmann, "Die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft", Berlin, 1847)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!