Rechtspflegeranwärter in der Praxis

  • Neben der Aktenbearbeitung: was macht ihr sonst noch mit den Anwärtern?



    Einsatz im Archiv, Ergänzungslieferungen einsortieren und Kaffee kochen lassen :teufel:

    @ Omega: Das sind höherwertige Tätigkeiten, die man erst als Geschäftsleiter benötigt. In diese Niederungen müssen Anwärter noch nicht absteigen. :teufel:

    Aber zum Thema: Ich zeige Anwärtern alles, was ich auch machen muss. Wir müssen die jungen Leute doch fit machen für unsere Arbeit! Dazu gehört selbstverständlich auch Pubklikum. Und ich bin mmer wieder überrascht, wie positiv das Publikum auf einen Anwärter (für sie ein Azubi) reagiert. Meine dahingebeteten Floskeln begeistern manchmal nicht so sehr. Für mich sind Anwärter immer wieder eine Bereicherung.

  • Wenn ich einen Anwärter anvertraut bekomme, versuche ich mir vorzustellen, es könnte mein eigener Sohn (oder Tochter) sein und behandle ihn/sie auch entsprechend.
    Ich arbeite normal das weiter, was ich sonst auch gerade tun würde, lasse aber die Arbeit (wenns irgendwie geht) durch den Anwärter - unter meiner Leitung - ausführen. Ich sitze dann daneben und gebe laufend Anweisungen.
    Das nervt zwar ein bißchen, aber ist für die Anwärter eine super Ausbildung. Die Resonanz der Anwärter war entsprechend.



    Das mag für den Anfang gut sein, macht die/den Anwärter/-in aber auch von dir "abhängig". Für selbstständige Arbeit ist es eben notwendig, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, dass sie/er die Akten allein vorbereitet. Fragen sind natürlich jederzeit erlaubt, aber die Antwort sollte dann schon weitestgehend auf die direkte Fragestellung begrenzt bleiben. Schließlich soll die/der Anwärter/-in ihr/sein Köpfchen selber anstrengen.

  • Was man als Ausbilder auch nie vergessen darf.. Man sollte nicht zu viel von den Anwärtern erwarten. In der FH bekommt man zwar die ganze Theorie mit ihren 100.000 Sonderfällen eingebläut, aber in der Praxis nützt einem alles Theoriewissen nicht viel, wenn man mit der praktischen Aktenbearbeitung nicht klar kommt. Hatte auch das Glück, dass ich gleich nach ein paar Monaten im Berufsalltag eine Anwärterin in ZVG bekommen hab. Wir haben uns dann gegenseitig geholfen. In den ersten Tagen habe ich ihr versucht die Akten nach Verfahrensgang vorzulegen und bearbeiten zu lassen. Und dann nach einiger Zeit durfte sie dann alleine in einem Zimmer und auch am PC die Akten bearbeiten. Sie war auch öfter mal dabei, wenn Publikum da war und hat da auch gute Lösungsansätze für Probleme gebracht und einen Versteigerungstermin durfte sie dann auch mal abhalten.

  • Das mit dem Versteigerungstermin ist eine gute Idee.

    Ich hatte auch einen zu machen. Der Saal war brechend voll (leerer Plätze. Anwesend waren mein Ausbilder, der Gläubigervertreter und ich.)

    Dann kann man auch mal den Ablauf üben, ohne dass es konsequenzen für das Verfahren hat.

  • Das mit dem Versteigerungstermin ist eine gute Idee.

    Ich hatte auch einen zu machen. Der Saal war brechend voll (leerer Plätze. Anwesend waren mein Ausbilder, der Gläubigervertreter und ich.)

    Dann kann man auch mal den Ablauf üben, ohne dass es konsequenzen für das Verfahren hat.



    Bei meinem Ausbildungsgericht ist es auch üblich, dass der Anwärter mal einen Versteigerungstermin abhält. Zwar wird niemand dazu gezwungen, aber die Erfahrung sollte man machen - auch um zu wissen, wie man in solch einer Situation reagiert (nicht zu leise und zu schnell reden etc.).

    Ich habe auch in der Betreuungsabteilung ein Verpflichtungsgespräch gemacht (die Verpflichtung hat dann nat. der Rpfl. gemacht, aber die ganzen Erläuterungen habe ich übernommen) und war bei Ortsterminen mit. Das fand ich auch sehr gut und wichtig.

    Ansonsten gehe ich bei Anwärtern so vor, dass ich am Anfang ein paar Akten zum Lesen gebe, um einen Blick für das Verfahren zu bekommen, sofern die Abteilung dafür geeignet ist (z. B. Versteigerungsakten, Register, Betreuung, Nachlass etc.). Dann suche ich Akten raus, in denen der grundsätzliche Verfahrensablauf gerade zu bearbeiten ist. Später dann gibts auch Akten, die komplizierter sind und sich mit konkreten Problemen befassen. Diese Vorgehensweise fand ich als Anwärter sehr gut und hilfreich.

    Was in der Theorie auch untergeht, sind Gerichtskosten. Das würde ich ebenso mit einbinden (sofern der Rpfl. insoweit zuständig ist).

  • Also meine Ausbildungszeit ist noch nicht so lange her, und was mir persönlich am meisten gebracht hat, war was selber machen zu dürfen. Also selber mit dem PC rumprobieren, auch selber mal einen Termin abzuhalten oder nen Berechtigungsschein z.B. zu erstellen, einen Beschluss selber formulieren und erarbeiten was es denn für ein Beschluss sein muss etc.. Allerdings bitte niemanden "zwingen" oder darauf bestehen. Einige meiner Kollegen sind damit überhaupt nicht klargekommen und hatten fast schon Angst vor dem Praktikum. Ich weiss zwar nicht, wie die jemals als Rechtspfleger arbeiten wollen, wenn sie nichts selbständig hinbekommen. Aber ich finde, das Praktikum sollte Spaß machen und eher Lust auf den Job machen, als abschrecken. Furchtbar fand ich auch Kollegen, die den Beruf des Rechtspflegers schlecht geredet haben. Man steht schließlich am Anfang, ist auch noch motiviert und die Motivation und den Spaß an der Arbeit sollte man sich doch möglichst lange behalten. Also wenn man mal etwas genervt ist, besser nicht gegenüber den Anwärtern raushängen lassen. Wie soll einem der Beruf Spaß machen, wenn man sieht dass vielleicht 10 Jahre später schon der Frust einkehren wird.

    Es darf aber, wie bereits gesagt, nicht zu viel erwartet werden. Erst ganz langsam anfangen, auch die Grundkenntnisse vermitteln, da man im Studium doch nur die Problemfälle kennenlernt. Es ist am Anfang wirklich seltsam, wenn man nicht sofotz überall Probleme in den Akten findet.

    Einen mit der Literatur vertraut machen finde ich auch super, vielleicht auch wichtigte Internetseite zeigen (z.B. das rechtspflegerforum oder so:strecker), damit sie möglichst gut auf die Praxis vorbereitet werden

  • Furchtbar fand ich auch Kollegen, die den Beruf des Rechtspflegers schlecht geredet haben. Man steht schließlich am Anfang, ist auch noch motiviert und die Motivation und den Spaß an der Arbeit sollte man sich doch möglichst lange behalten. Also wenn man mal etwas genervt ist, besser nicht gegenüber den Anwärtern raushängen lassen. Wie soll einem der Beruf Spaß machen, wenn man sieht dass vielleicht 10 Jahre später schon der Frust einkehren wird.


    Ich erkenne nicht, weswegen man Kollegen, die auch erst anhand der Praxisausbildung erkennen können, ob ihnen der Beruf liegen wird, unnötig Sand in die Augen streuen sollte. Die Arbeitsbedingungen werden immer schlechter und Rechtspflegerpensen sind gelegentlich auch nicht wirklich spannend. Wenn man damit nicht klar kommt, kann die Zeit bis zur Verrentung im Alter von 75 lang werden. Natürlich hat der Job aber auch seine Vorzüge.

  • Das waren bisher richtig gute Tipps, denen ich mich nur anschließen kann.

    Ein paar Kleinigkeiten möchte ich noch ergänzen:
    Ich habe meinen Anwärtern immer ans Herz gelegt, Publikum zu machen (mit dem Argument, dass sie es später ja auch machen müssen, aber eben allein), aber gesagt, dass das freiwillig ist. Dadurch haben sich viele überwunden, die erst Angst hatten.
    Dem Publikum habe ich die Anwärter als neue Kollegen vorgestellt, die sich in die Abteilung einarbeiten statt als Azubis - war nicht ganz richtig, aber das gab erstmal Selbstbewußtsein.
    Außerdem habe ich die Verfügungen des Anwärters fast immer so unterschrieben wie sie waren, wenn sie rechtlich in Ordnung waren. Auch wenn manche Formulierungen nicht meine waren, aber vertretbar.
    Neben der fachlichen Ausbildung habe ich dem Anwärter immer versucht zu vermitteln, dass dies meine Art ist (zu Formulieren, mit dem Publikum umzugehen...), dass es aber viele Wege gibt und er seinen eigenen finden muss.
    Diese Punkte haben die Anwärter immer gut gefunden (bzw. das haben sie gesagt :teufel:)
    Im Anschluss an die Ausbildung habe ich auch immer Gelegenheit gegeben, positive UND negative Kritik loszuwerden - damit man weiß, was man beim nächsten Mal verbessern kann.

    Zum fachlichen Teil: wie schon oben vorgeschlagen sollte man dem Anwärter auch Einblicke geben, die er später nicht so kriegt. Also Hospitation beim Nachlasspfleger, Betreuer, Gerichtsvollzieher etc.
    Wichtig war für mich auch, den Anwärter ein oder zwei Tage in die Geschäftsstelle zu stecken - damit sie zum einen sehen, was passiert, bevor die Akte oder das Publikum bei uns aufschlägt bzw. wie die Verfügungen abgearbeitet werden, und zum anderen, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit mit allen Diensten ist.
    Das fanden auch alle gut.
    Was auch immer interessant ist: ein paar alte Akten heraussuchen, damit man sehen kann, was sich so verändert hat (rechtlich und in der Verfügungstechnik). Super waren dafür uralte Betreuungsakten (mit Entmündigung und so) die jetzt noch laufen, aber wenn das Rechtsgebiet sowas nicht hergibt, einfach ein paar richtig alte Akten aus dem Keller suchen.

    Fachlich muss man natürlich alles vermitteln, aber hier haben die Anwärter meist schon sehr viel mitgebracht. Wichtiger fand ich, den Gerichtsalltag zu vermitteln, was einem in den Theorieabschnitten keiner erklärt. Und bei einigen auch die Angst vor der Praxis nehmen. Ich kenne Einser-Kandidaten, denen haben die Knie geschlottert, wenn Publikum reinkam... :D

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Ich fands gut, wenn man eine Musterakte hatte, die den normalen Verfahrensablauf darstellte. So konnte man sich daran langhangeln, wenn man nicht weiter wusste. :daumenrau

    Äußerst betrüblich ist es, wenn man als Anwärter alles für den Mülleimer vorbereitet. :daumenrun

    Zudem finde ich es wichtig, dass sich der Ausbilder vorher auch ein wenig damit auseinandersetzt, was für den Anwärter in nächster Zeit so ansteht. Wir haben neben der Praxis unsere Diplomarbeit geschrieben, die ja nicht wenig Zeit einnimmt, uns wurde aber dauerhaft vermittelt, dass wir ja neben der praktischen Ausbildung nichts weiter zu tun hätten. Das fand ich sehr schade.

  • ...

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Vielen Dank für die vielen Beiträge auf meine Anfrage.
    Leider bin ich wegen Urlaubs und Vertretung nicht eher dazu gekommen, mich wieder um das Thema "Anwärter" zu kümmern.
    Am 02.08.2010 ist es soweit und ich bekomme meine ersten beiden Anwärter.

    Ich bin heute schon mal angefangen, Infomaterial für die Anwärter zusammen zu stellen. Und mit der Aktenbearbeitung kriege ich das bestimmt auch noch hin.
    (Muss mich aber wohl etwas zusammen reißen, da ich immer so genau bin.:hetti:)

    Birgit-Vanessa



  • Dann viel Spaß bei der Ausbildung - ich hoffe, Du bekommst auch die Seiten zu sehen, die tatsächlich Spaß machen können, und nicht nur die Mehrarbeit.

    Genau sein ist doch gut - ungenau können die später werden, wenn die selbst unterschreiben! Immerhin müssen die ja noch durch die Prüfungen kommen, da sollte man sie nicht zu sehr verwirren mit "eigentlich ja, macht in der Praxis aber kein Mensch" :D

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Warum nicht ?
    Dies ist bei unseren Ausbildungszeugnissen ein Bewertungsstichpunkt.

    Ohne "Test" mit dem Publikum kann ich den Umgang auch nicht im Zeugnis bewerten.
    Abgesehen davon , dass z.B. die Teilnahme an Terminen,Anhörungen etc. - jedenfalls für Ba-Wü - in der Ausbildungs-VO vorgeschrieben ist ( Die Justiz 2001, S. 537 ff ).

  • insbesondere wenn jemand zu der beklo*** Auflage ne Frage hat :teufel: da muss der Anwärter dann selbst raus und da haben sich schon manche überraschend gut profiliert :)

  • Handhabt ihr das dann so, dass die Anwärter komplett auf sich gestellt sind oder euch bei fachlichen Fragen noch zu Rate ziehen können?

  • Ich selbst würde es sowohl für den Anwärter als auch fürs Publikum eher ungünstig finden, wenn sie sich völlig allein unterhalten. Da können auch mal unvollständige oder falsche Aussagen gemacht werden und hinterher heißt es dann wieder: Aber mir wurde doch gesagt ...


    Und schließlich soll ja auch der Anwärter es richtig machen und lernen.
    Daher hör ich in solchen Sachen wenigstens zu und ab und zu ein Kopfnicken oder ein Hinweis, bevor es in die falsche Richtung geht, helfen ungemein.

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