Auflösend bedingter Nießbrauch

  • Das bezweifle ich.

    Denn diese Bedingung stand jeweils nicht zur Entscheidung.

    Eine Parallele zum Erbrecht:
    Nach § 2136 BGB kann im gewissen Umfang von den Beschränkungen der Vorerbschaft befreit werden, nicht jedoch von der Beschränkung des § 2113 Abs. 2 BGB. Wie verhält es sich, wenn nun ein Erblasser auf die Idee kommt, die Nacherbfolge für jeden einzelnen Nachlassgegenstand in der Weise auflösend bedingt anzuordnen, dass die Nacherbfolge entfällt, wenn der Vorerbe unentgeltlich über den betreffenden Nachlassgegenstand verfügt.

    Auch hier eine auf den ersten - trügerischen - Blick zulässige Bedingungskonstruktion. Der zweite prüfende - und gründlichere - Blick ergibt jedoch, dass sich diese Konstruktion nicht mit der zwingenden Norm des § 2136 BGB in Einklang bringen lässt. Wenn der Erblasser nicht von § 2113 Abs. 2 BGB befreien kann, kann er dies auch nicht im Bedingungswege. Das ist nichts anderes als eine Umgehung von zwingenden Rechtsnormen.

  • Im Sinne Cromwells auch Staudinger/Gursky § 873 Rn 123:

    Eine auflösende Wollensbedingung kommt bei sachenrechtlichen Verfügungen nicht in Betracht […]. Eine solche Konstruktion läuft nämlich auf einen Rücktritt vom dinglichen Verfügungsgeschäft hinaus, den das BGB nicht kennt […] und der mit dem Typenzwang im Sachenrecht nicht zu vereinbaren wäre.“

    Dazu, wie dünn die Trennlinie ist Staudinger/Gursky a.a.O. Rn 118:

    Zur Bedingung der Einigung kann ein beliebiges ungewisses künftiges Ereignis erhoben werden. Auch eine Potestativbedingung, die nicht immer genügend von der rechtlich anders zu behandelnden “Wollensbedingung“ unterschieden wird […]ist bei der Einigung möglich (BayObLG MittBayNot 1988, 127, 128; 1990, 39, 40). Bei der zulässigen Verfügung unter einer aufschiebenden oder auflösenden Potestativbedingung hängt das Entstehen oder Fortbestehen der Verfügungswirkung von einem eigenen willkürlichen Verhalten (Erklärung, Handlung, Unterlassung) der einen oder anderen an der Einigung beteiligten Partei ab, das sich nicht auf die Verfügung selbst bezieht und die daran geknüpfte Rechtswirkung unabhängig davon eintreten läßt, ob die Parteien diese Wirkung wollen oder nicht […]. Beispiel: […] Bei der Nießbrauchbestellung kann das einer Vertragspartei eingeräumte Recht, den Nießbrauch unter bestimmten Voraussetzungen und mit einer bestimmten Frist zu kündigen, nach Ansicht des BayObLG eine zulässige Potestativbedingung darstellen (MittBayNot 1990, 39, 40; zust Schöner/Stöber Rn 1382). Hier dürfte jedoch eher eine Wollensbedingung gegeben sein.“

  • Auf derart "dünnes Eis" würde ich mich als Rechtspfleger des Grundbuchamts jedenfalls nicht begeben. Mag das Beschwerdegericht entscheiden.

    Natürlich muss der gestellte Antrag mit fundierten Gründen beanstandet werden. Welche Gründe das sind, ergibt sich aus der vorliegenden Diskussion.

    Eine andere Frage ist, ob der Antrag nicht sofort zurückzuweisen wäre, weil der Nießbrauch als unbedingtes Recht nur nach einer Änderung der Bewilligung eingetragen werden könnte.

  • Ich kanns kaum glauben, wie mein OLG entschieden hat, hier auszugsweise:

    Die Beschwerde des Grundstückseigentümers wurde zurückgewiesen aufgrund folgenden Mangels:
    "Der Grundstückseigentümer hat den erforderlichen Nachweis einer Einigung zwischen ihm und seinem Sohn zur Bestellung des Nießbrauchs bislang nicht in der nach der Vorschrift des § 29 GBO Abs. 1 verlangten Form geführt. Es liegt lediglich eine von ihm unterschriebene "Eintragungsbewilligung" vor, in der er nachrangig den Nießbrauch zugunsten seines Sohnes bestellt. Seine Unterschrift ist zwar notariell beglaubigt. Es fehlt jedoch an einem ebenfalls den Anforderungen des § 29 Abs. 1 GBO genügenden Nachweis einer übereinstimmenden Willenserklärung seines Sohnes, die für die Begründung des Nießbrauchs notwendig ist. Die Beschwerde muß daher ohne Erfolg bleiben.

    Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß er die Bedenken des Grundbuchamts hinsichtlich der Eintragungsfähigkeit des ... Nießbrauchs nicht teilt. Wie der Entscheidung des Bayer. Ob.LG vom 27.9.1989 (MittbayNot 1990 S.39) zu entnehmen ist, ist die Bestellung eines auflösend bedingten Nießbrauchs zulässig, wobei als auflösende Bedingung auch eine "Kündigung" bzw. ein Widerruf durch den Eigentümer vereinbart werden kann. Der NB ist dann im Grundbuch als auflösend bedingtes Recht mit der festgelegten Bedingung einzutragen. Dass der Grundstückseigentümer im Falle eines Widerrufs die verfahrensrechtlichen Vorschriften der Grundbuchordnung zu beachten hat, steht der Eintragung als solche nicht entgegen. "

    Auf meine Begründung mit den §§ 873,875 BGB ging das OLG nicht ein.
    Ich überlege mir jetzt, ob ich mir nicht bei jedem Recht die Einigung nachweisen lasse ;)
    Wenn der Notar nun einen erneuten Eintragungsantrag stellt, muß ich in diesem Falle wohl darauf bestehen. Arrrgh.

    Ich habe jetzt 2 Wochen Urlaub, kann also ggf. erst ab dem 23.6. wieder antworten.

  • Gleichwohl würde ich auch die Bedingungsproblematik im Zurückweisungsbeschluss nochmals problematisieren. Denn auch die Ausführungen des OLG zu diesem Punkt liegen nach meiner Ansicht völlig neben der Sache. Im vorliegenden Fall geht es nicht um eine Kündigung des Nießbrauchs, die unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Fristen zulässig sein soll, sondern um den voraussetzungslosen einseitigen Widerruf der dinglichen Einigung, den das Gesetz nicht kennt und der als Umgehung des § 875 BGB unzulässig ist. Das ist ein ganz anderer Fall, als derjenige, der vom BayObLG entschieden wurde und der bei Schöner/Stöber in Rn. 1382 erörtert wird.

    Zurückweisungsgründe also:

    - In Übereinstimmung mit dem OLG: Dingliche Einigung über die Nießbrauchsbestellung ist nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen (man traut es sich kaum zu schreiben), und
    - Entgegen dem OLG: Unzulässige Bedingung (wie Staudinger/Gursky § 873 Rn. 123).

    Man kann weder das Eine noch das Andere hinnehmen.

  • Hoffentlich weist das OLG die Beschwerde der Notarin nicht deshalb zurück, weil über diese Sache schon einmal entschieden wurde.

    Es gäbe auch evtl. noch die Möglichkeit einer "Gegenvorstellung" durch die Notarin weil die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wurde (obwohl die Sache ja grundsätzliche Bedeutung gehabt hätte).

  • Die Notarin hat nun Beschwerde eingelegt gegen meine erneute Zurückweisung.
    Natürlich mit der Begründung, daß nach § 19 GBO die Bewilligung des Betroffenen ausreicht und das OLG irrtümlich den Nachweis der Einigung verlangt hat.

    Allerdings stehen ihrer Meinung nach der Eintragung des auflösend bedingten Nießbrauchs keine rechtlichen Bedenken entgegen, denn die Vorschrift des § 875 BGB beziehe sich nur auf die rechtsgeschäftliche Aufhebung durch Erklärung des Berechtigten (Palandt/Bassenge, BGB, 73.Aufl.2014, § 875 Rn.1).
    Nicht erfasst seien aber anderweitige Erlöschensgründe, wie etwas der Eintritt einer auflösenden Bedingung (so ausdrücklich MünchKomm/Kohler, BGB 6.Aufl. 2013 § 875 Rn.5 iVm § 873 Rn.17).

    Bin gespannt, was das OLG nun macht. Den Nießbrauch werde ich wahrscheinlich -wohl oder übel- eintragen müssen.

  • Die Notarin hat nun Beschwerde eingelegt gegen meine erneute Zurückweisung.
    Natürlich mit der Begründung, daß nach § 19 GBO die Bewilligung des Betroffenen ausreicht und das OLG irrtümlich den Nachweis der Einigung verlangt hat.

    Allerdings stehen ihrer Meinung nach der Eintragung des auflösend bedingten Nießbrauchs keine rechtlichen Bedenken entgegen, denn die Vorschrift des § 875 BGB beziehe sich nur auf die rechtsgeschäftliche Aufhebung durch Erklärung des Berechtigten (Palandt/Bassenge, BGB, 73.Aufl.2014, § 875 Rn.1).
    Nicht erfasst seien aber anderweitige Erlöschensgründe, wie etwas der Eintritt einer auflösenden Bedingung (so ausdrücklich MünchKomm/Kohler, BGB 6.Aufl. 2013 § 875 Rn.5 iVm § 873 Rn.17).

    Bin gespannt, was das OLG nun macht. Den Nießbrauch werde ich wahrscheinlich -wohl oder übel- eintragen müssen.

    Es geht ja auch nicht um die Anwendung des § 875 BGB, sondern um seine Umgehung im Bedingungswege als Verstoß gegen den numerus clausus der Sachenrechte.

  • Ich hab jetzt Cromwells Gedanken noch ein bißchen ausgeführt, damit hoffentlich jeder versteht was gemeint ist und schreib in meinem Nichtabhilfebeschluß folgendes:

    "Zu den Ausführungen der Notarin bezüglich der Eintragungsfähigkeit des Nießbrauchs wird angemerkt, daß es im vorliegenden Fall nicht um die Anwendung des § 875 BGB geht, sondern um seine Umgehung imBedingungsweg als Verstoß gegen den numerus clausus des Sachenrechts.

    Die nach § 875 BGB notwendige Aufgabeerklärung durch den Berechtigten wird durch die unzulässige Eintragung der auflösenden Bedingung umgangen.
    Nur wenn die Bedingung zulässig wäre, wäre § 875 BGB im Falle des Eintritts der auflösenden Bedingung nicht mehr anzuwenden, d.h. nur im Falle der zulässigen Bedingung könnte auf die Löschungsbewilligung des Berechtigten verzichtet werden.

    Da aber die auflösende Bedingung an die reine Willkür desEigentümers geknüpft ist und nicht an ein Ereignis wie z.B. die Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen, ist die Eintragung des Nießbrauchs als unzulässig abzulehnen.

    Im Grundbuch besteht keine Gestaltungsfreiheit bezüglich des Inhalts der Rechte, so daß ein Nießbrauch nicht durch den reinen Willen des Eigentümers zu Fall gebracht werden darf, weil dann keine Rechtssicherheit im Grundbuch mehr bestünde."

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