Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1.
    Das fiktiven Vergleichseinkommen gem. § 295 Abs. 2 InsO muss ein selbständig tätiger Schuldner erst zum Ende der Wohlverhaltensperiode an den Treuhänder zahlen.
    2.
    Versagungsanträge gem. § 295 Abs. 2 InsO können erfolgreich erst zum Abschluss des Verfahrens im Rahmen des § 300 InsO gestellt werden.
    3.
    Ein Auskunftsanspruch gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO über die Einnahmen aus der Selbständigkeit besteht nicht.

    AG Göttingen, Beschl. v. 2. 9. 2011 - 74 IN 107/09

  • 1.
    Familienrechtliche Unterhaltsansprüche, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden waren (Rückstände), sind als normale Insolvenzforderungen (vgl. § 40 InsO) beim Insolvenzverwalter zur Eintragung in die Tabelle (§§ 174, 175 InsO) anzumelden.

    2.
    Die hierauf gestützte Anfechtung rechtfertigt die Zurückverweisung gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG, § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

    OLG Jena, Beschl. v. 29. 8. 2011 - 1 UF 324/11

  • Bei einer Insolvenz des Schuldners verliert auch die Pfändung verschleierten Arbeitseinkommens nach § 114 Abs. 3 Satz 1 InsO ihre Wirkung. § 114 Abs. 3 Satz 1 InsO ist auch auf diejenige Vergütung anzuwenden, die nach § 850h Abs. 2 ZPO als lediglich dem Gläubiger gegenüber geschuldet gilt. Mit der Insolvenzeröffnung kann dann der Treuhänder vom Drittschuldner die Zahlung der angemessenen Vergütung verlangen.

    LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 27. 1. 2011 - 3 Sa 51/10

  • 1.
    Ein Kommanditist scheidet mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen auch dann aus der Kommanditgesellschaft aus, wenn zugleich über das Vermögen der Kommanditgesellschaft selbst das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
    2.
    Scheiden alle Gesellschafter bis auf einen aus einer Kommanditgesellschaft aus, so erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation, und ihr Vermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über.

    BVerwG, Urt. v. 13. 7. 2011 - 8 C 10.10

  • 1.
    Der aussonderungsberechtigte Vermieter muss nicht unbegrenzt auf seine Mietzinsen verzichten; er wird nicht vollständig mit anderen Insolvenzgläubigern auf eine Stufe gestellt.
    2.
    Der Unternehmerbegriff erfasst auch den Insolvenzverwalter, der ein Unternehmen verwaltet.
    3.
    Der Insolvenzverwalter ist kein Kaufmann.

    OLG Braunschweig, Teilurt. v. 31. 3. 2011 - 1 U 33/10

  • 1.
    Der Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 AnfG setzt eine sog. mittelbare Gläubigerbenachteiligung voraus. Unter einer objektiven Gläubigerbenachteiligung sind alle Handlungen zu verstehen, die die Befriedigungsmöglichkeiten aus dem Schuldnervermögen beeinträchtigen. Im Gegensatz zur unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung des § 3 Abs. 2 AnfG reicht es im Fall des § 3 Abs. 1 AnfG aus, wenn die Benachteiligung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz des Anfechtungsprozesses gegeben ist.
    2.
    Auch ein bei bilanzierender Betrachtung wertneutrales "Bargeschäft" unterliegt jedenfalls dann der Anfechtung, wenn es in dem Vorsatz vorgenommen wird, die Gläubiger zu benachteiligen.

    OLG Saarbrücken, Urt. v. 10. 5. 2011 - 4 U 297/10-86

  • Veräußert ein Insolvenzverwalter ein mit einem Grundpfandrecht belastetes Grundstück freihändig aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung, liegt neben der Lieferung des Grundstücks durch die Masse an den Erwerber auch eine steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an dem Grundpfandgläubiger vor, wenn der Insolvenzverwalter vom Verwertungserlös einen "Massekostenbeitrag" zugunsten der Masse einbehalten darf. Vergleichbares gilt für die freihändige Verwaltung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke durch den Insolvenzverwalter.
    2.
    Eine steuerbare Leistung liegt auch bei der freihändigen Verwertung von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter vor (Änderung der Rechtsprechung).

    BFH, Urt. v. 28. 7. 2011 - V R 28/09

  • 1.
    Im Fall der Sicherungsabtretung einer Lohnforderung wegen rückständigen Unterhalts kann nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens die Einzelzwangsvollstreckung in den nach § 850d ZPO erweitert pfändbaren Bereich nicht mehr betrieben werden. Es handelt sich vielmehr um eine Insolvenzforderung, für die § 114 Abs. 1 I InsO gilt.

    LAG Hamm, Urt. v. 9. 6. 2011 - 16 Sa 686/10

  • Der Treuhänder hat - auch ohne besondere Beauftragung der Überwachung des Insolvenzschuldners gem. § 292 II InsO - die Pflicht zu prüfen, ob die an ihn abgeführten pfändbaren Beträge ausreichend sind. Hierbei hat er sich, ohne dass ihm ein Ermessensspielraum zusteht, an den Pfändungstabellen des § 850c ZPO zu orientieren. Hat der Treuhänder diese Verpflichtung mit einem für die Gläubiger entstehenden Schaden unterlassen, begründet dies eine Haftung des Treuhänders gem. § 280 I BGB.

    LG Hannover: Teilurteil vom 27.06.2011 - 20 O 328/10

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    Hoher Vergütungsabschlag bei Lottogewinn:

    Leitsätze:
    1. Ein Lottogewinn fällt grundsätzlich in vollem Umfang in die Insolvenzmasse. (amtlicher Leitsatz)

    2. Es bleibt dahingestellt, ob bei grobem Missverhältnis zwischen Insolvenzforderungen und Masse der Zweck der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger gem. § 1 Satz 1 InsO eine Begrenzung gebietet. (amtlicher Leitsatz)

    3. Bei der Berechnung der Vergütung ist auf den Anteil des Lottogewinnes ein deutlicher Vergütungsabschlag gem. § 3 Abs. 2 InsVV (hier 90%) angezeigt. (amtlicher Leitsatz)

    AG Göttingen: Beschluss vom 08.09.2011 - 74 IN 235/09

  • a) Die Regelvergütung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren ist nicht durch die bei gleicher Berechnungsgrundlage sich ergebende Regelvergütung des Insolvenzverwalters nach § 2 Abs. 1 InsVV der Höhe nach begrenzt.

    b) Übersteigt die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Treuhänders im ver-einfachten Insolvenzverfahren den Betrag von 160.000 € oder die Gesamtsumme aller angemeldeten und anerkannten Insolvenzforderungen, kommt ein Abschlag in Betracht, der von Amts wegen zu prüfen ist.
    BGH, Beschluss vom 22. September 2011 - IX ZB 193/10 - LG Stade
    AG Stade

    http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…461&Blank=1.pdf

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • BGH, Urteil vom 22. September 2011 - IX ZR 197/10

    Wer als Berechtigter aus dem Grundstück Meistbietender bleibt und unter Einbezie-hung seines Ausfalls den Zuschlag erhält, erlangt den gesetzlichen Bietvorteil ohne rechtlichen Grund, soweit seine ausgefallene Grundschuld nicht (mehr) valutiert (Bestätigung von BGHZ 158, 159). Die Herausgabe des Erlangten steht demjenigen zu, dem bei einem um den rechtsgrundlosen Bietvorteil erhöhten Bargebot der Mehrerlös im Teilungsverfahren und nach Erfüllung schuldrechtlicher Rückgewährpflichten zu-gefallen wäre.


    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH vom 22.09.2011, IX ZB 107/10, ohne Leitsatz.

    Zur Berücksichtigung von Erkenntnisquellen bei der stichtagsbezogenen Bewertung.
    Erkenntnisquellen sind bis zum letzten tatrichterlichen Entscheidungszeitpunkt, an dem der Vergütungsanspruch zu beurteilen ist, zu nutzen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH vom 22.09.2011, IX ZB 121/11, ohne Leitsatz:

    Nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens, bei dem der Schuldner sich momentan in der WVP befindet, sind Forderungen, die vorinsolvenzlich begründet worden waren nicht dazu geeignet, einen weiteren Insolvenzantrag zu begründen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Der Fiskus als Anfechtungsgegner schuldet für den Zeitraum ab Erhalt anfechtbar erlangter Steuern bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Nutzungsersatz. Der Fiskus hat nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung tatsächlich keine Nutzungen gezogen (§ 987 Abs. 1 BGB) und ihm kann auch nicht vorgeworfen werden, schuldhaft keine Nutzungen gezogen zu haben (§ 987 Abs. 2 BGB).

    OLG Hamm, Urt. v. 12. 7. 2011 - I-27 U 25/11

  • Der Anwendungsbereich des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist nicht auf rechtsgeschäftliches Handeln des Verwalters beschränkt ("durch Handlungen oder in anderer Weise"), auch ein "schützenswertes Vertrauen der Gegenseite" ist nicht erforderlich. Als Masseverbindlichkeiten kommen nicht nur Verbindlichkeiten in Betracht, die aus Neugeschäften des Insolvenzverwalters herrühren und mit einem "schützenswerten Vertrauen" verbunden sein mögen, sondern auch solche, die auf Prozesshandlungen oder Rechtsverletzungen des Insolvenzverwalters beruhen.

    OLG Köln, Urt. v. 31. 8. 2011 - 2 U 20/11

  • 1. Vom Tatbestand des § 134 InsO sind alle vermögensmindernden Verhaltensweisen des Schuldners erfasst, insbesondere Handlungen, die das Schuldnervermögen durch Herausgabe eines Gegenstands aus dem haftenden Vermögen zugunsten eines Dritten - sei es auch nicht mit unmittelbar dinglicher Wirkung - schmälern.

    2. Erforderlich ist, dass der spätere Insolvenzschuldner durch die Zuwendung eine Vermögensminderung erlitten hat, anderenfalls fehlt es bereits an einer Gläubigerbenachteiligung. Es erscheint zweifelhaft, ob in dem Abschluss eines Mietvertrags eine anfechtbare Leistung liegen kann.

    3. Durch den Eintritt der Insolvenzschuldnerin in den bestehenden Mietvertrag ist weder das Aktivvermögen gemindert noch sind die Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin vermehrt.

    OLG Brandenburg, Urt. v. 10. 8. 2011 - 3 U 112/10

  • 1. Für Ansprüche nach dem IFG sind die VG zuständig, auch wenn sich der Auskunftsanspruch gegen einen Sozialversicherungsträger richtet.

    2. Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, von Sozialversicherungsträgern Auskunft über vom Schuldner und Dritten geleistete Zahlungen auf die Beitragsschuld zu verlangen, ohne dass dem Verweigerungsgründe entgegenstehen. Insbesondere kann der Sozialversicherungsträger sich nicht darauf berufen, dass die Auskunftsregelungen der InsO vorrangig sind, die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherungsträger durch die Informationserteilung beeinträchtigt sind oder dass der Insolvenzverwalter sich die Informationen anderweitig zu beschaffen hat.

    VG Freiburg, Urt. v. 21. 9. 2011 - 1 K 734/10

  • 1. Vergibt der Verwalter einen Teil der für die Betriebsfortführung notwendigen Arbeiten (hier: Controlling und Überwachung der Liquidationspläne) fremd und belastet damit die Masse, ist ein geringerer Zuschlag für die Betriebsfortführung angezeigt.

    2. Eine Zusatzvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV aus einem Massezuschuss resultierend aus einem Grundstücksverkauf erhält der Verwalter nur, wenn ausdrücklich ein Feststellungskostenbeitrag vereinbart ist.

    LG Heilbronn, Beschl. v. 9. 5. 2011 - 1 T 418/10 Hn

  • Die Regelung, dass Beträge, die der Verwalter als Vergütung für den Einsatz besonderer Sachkunde erhält, von dem die Vergütung des Insolvenzverwalters bestimmenden Wert der Insolvenzmasse abgezogen werden, entspricht der Ermächtigungsgrundlage und ist verfassungsmäßig.

    BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - IX ZB 112/09 -

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