Verstoß gegen § 1 Absatz 4 WEG

  • Hallo, ich habe hier eine WEG, die vor ca. 30 Jahren unter Verstoß gegen § 1 Abs. 4 WEG eingetragen worden ist, nämlich an BV 1 und BV 2 ohne vorherige Vereinigung oder Bestandteilszuschreibung.

    Ein solcher Antrag lässt sich in den alten Urkunden (Auflassung, Teilungserklärung, Änderungen etc.) nicht finden. Im Zuge der Anhörung wegen der von Amts wegen vorgesehenen Schließung der WE-Grundbücher hat ein Beteiligter geäußert, dass man ja einen konkludenten Antrag auf Vereinigung/Zuschreibung annehmen könnte. Das sehe ich nicht so. Ich kann ja nicht erraten, ob Vereinigung oder Bestandteilszuschreibung gewollt war.

    Die Wohnungs/Teileigentumseinheiten stehen immer noch im Eigentum der begründenden GbR, jedoch sind mittlerweile einige Änderungen im Gesellschafterbestand erfolgt. Es gibt keine unterschiedliche Belastung, weder in Abt. II noch in Abt. III.

    Ich habe im Beck Kommentar zum WEG gestöbert, danach ist der Verstoß gegen § 1 Abs. 4 WEG ein Inhaltsirrtum, hier sind alle Miteigentumsanteile betroffen, eine Heilung ist nicht möglich und die Eintragung ist unzulässig.

    Wenn ich nunmehr wieder ein Grundstücksgrundbuch anlege, und die Eigentümer GbR dann Vereinigung/Zuschreibung beantragt, kann diese dann wieder unter Bezugnahme auf die alte Teilungserklärung den Antrag auf Eintragung nach § 8 WEG stellen (unter Zustimmung der neu eingetretenen Gesellschafter)? Oder muss die Teilungserklärung neu beurkundet werden? Gilt die alte Abgeschlossenheitsbescheinigung noch? :?:

  • Ich gehe davon aus, dass die Eintragung lautet:

    "x/1000 Miteigentumsanteil an

    Flst. Nr. 1

    Flst. Nr. 2

    verbunden mit dem Sondereigentum...."

    Dann wurden die Grundstücke doch vereinigt und möglicherweise war das auch der Wille des Eigentümers. Dann würde es nur am Antrag fehlen. Das Grundbuch wäre aber richtig.

  • Sorry, dann habe ich es falsch verstanden. Ich kann mir dann allerdings die Buchung - ehrlich gesagt - nicht vorstellen.

    Lautet sie dann:

    "x/1000 Miteigentumsanteil an

    BV Nr. 1 - Flst Nr. 1

    BV Nr. 2 - Flst. Nr. 2

    verbunden mit dem Sondereigentum..."?

  • Ich kann ja nicht erraten, ob Vereinigung oder Bestandteilszuschreibung gewollt war.

    Aber auslegen kann man es. Die TE und auch die Abgeschlossenheitsbescheinigung beschreiben nämlich mit ziemlicher Sicherheit "das Grundstück", bestehend aus FlSt. 1 und FlSt. 2.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Kein einziger Kommentar (beck, Hügel) oder Aufsatz hat, wenn der die Nichtbeachtung des § 1 Abs. 4 WEG zum Thema hatte, die Möglichkeit der Heilung durch Auslegung angesprochen. Ich zumindest sehe in den Urkunden keinen Anhaltspunkt für die Auslegung als Vereinigung. Ich sehe aber auch keinen Anhaltspunkt für die Auslegung als Bestandteilszuschreibung. Irgendeinen Hinweis, in welche Richtung es gehen soll, hätte schon vorhanden sein müssen, damit ich auslegen kann.

    Und ja, die Eintragung ist, sagen wir, ziemlich interessant und die eintragende Kollegin hat sich da nicht mit Ruhm bekleckert. Sich angestrengt, dass irgendwie ins Grundbuch zu kriegen mit zwei Grundstücken und dabei nicht erkannt, dass das nicht geht weil es nicht sein soll weil falsch. Ist nun aber so. Die Eintragung möchte ich hier aber aus Gründen nicht abbilden.

    Ich hätte einfach gerne eine Antwort auf meine Frage: können die ursrpünglichen Urkunden (Teilungserklärung, Abgeschlossenheitsbescheinigung) nochmal herangezogen werden für eine neue Eintragung?

  • Es geht nicht um eine "Heilung", sondern darum auszulegen, was ursprünglich beantragt war - und den noch nicht bearbeiteten Teil des Antrags (Vereinigung) ggf. nachzuholen.

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  • Dann fehlt aber immer noch ein Hinweis darauf, ob Vereinigung oder Bestandteilszuschreibung gewollt wäre (Es sind nur Gesamtbelastungen in Abt. III vorhanden, das Ergebnis wäre dasselbe).

    Muß man wohl nachfragen und/oder zwischenverfügen, § 18 Abs. 1 GBO.

    Ich wiederhole nochmal die Anfangsfrage, da sie wohl bald untergehen wird sonst:

    Können die ursrpünglichen Urkunden (Teilungserklärung, Abgeschlossenheitsbescheinigung) nochmal herangezogen werden für eine neue Eintragung?

    Meiner Meinung nach ist der ursprüngliche (zwischenzuverfügende) Antrag nicht erledigt. Daher gelten m.E. nach § 48 Abs. 5 WEG die bei Antragstellung geltenden Vorschriften.

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  • Tja, selbst wenn ich ein (oder zwei) Auge(n) zudrücke und sage, ich lege aus (nach Zwischenverfügung). Die Eintragung, so wie sie derzeit ist, bliebe unrichtig. Es müsste ja trotzdem erst das Grundstücksgrundbuch wiederhergestellt werden, die Vereinigung/Zuschreibung erfolgen und dann der ursprüngliche Antrag erledigt. Wie ist das mit der Mitwirkung der neuen Gesellschafter der GbR?

  • Tja, selbst wenn ich ein (oder zwei) Auge(n) zudrücke und sage, ich lege aus (nach Zwischenverfügung). Die Eintragung, so wie sie derzeit ist, bliebe unrichtig. Es müsste ja trotzdem erst das Grundstücksgrundbuch wiederhergestellt werden, die Vereinigung/Zuschreibung erfolgen und dann der ursprüngliche Antrag erledigt. Wie ist das mit der Mitwirkung der neuen Gesellschafter der GbR?

    Wie gesagt: es liegt ein unerledigter Antrag vor. Zwischenverfügung: Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 WEG liegen nicht vor, bitte stellen Sie sie her. Danach Antrag vollziehen. Der Eigentümer (GbR) hat sich nicht geändert.

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  • ...Wenn ich nunmehr wieder ein Grundstücksgrundbuch anlege, und die Eigentümer GbR dann Vereinigung/Zuschreibung beantragt, kann diese dann wieder unter Bezugnahme auf die alte Teilungserklärung den Antrag auf Eintragung nach § 8 WEG stellen (unter Zustimmung der neu eingetretenen Gesellschafter)? Oder muss die Teilungserklärung neu beurkundet werden? Gilt die alte Abgeschlossenheitsbescheinigung noch? :?:

    Für eine Teilungserklärung, die unter Verstoß gegen § 1 Absatz 4 WEG vor rd. 50 Jahren vollzogen wurden, hat der Gesetzgeber mit Art. 3 § 1 des Gesetzes vom 30.07.1973 (BGBl I 910) eine Übergangsregelung geschaffen, die lautet:

    „(1) Ist vor Inkrafttreten dieses Gesetzes Wohnungs- und Teileigentum in der Weise begründet worden, dass Sondereigentum mit gleich großen Miteigentumsanteilen an mehreren Grundstücken verbunden wurde, gelten die Grundstücke als bei der Anlegung des Wohnungs- oder Teileigentumsgrundbuchs zu einem Grundstück vereinigt.

    (2) Ist das Sondereigentum mit unterschiedlich großen Miteigentumsanteilen an mehreren Grundstücken verbunden worden, gelten die Eigentumsrechte bei der Anlegung des Wohnungs- oder Teileigentumsgrundbuchs als rechtswirksam entstanden, soweit nicht andere, die rechtswirksame Begründung ausschließende Mängel vorliegen.“

    Es ist also zu einer gesetzlichen Vereinigung der Grundstücke gekommen.

    Das entsprach der Meinung in Literatur und Rechtsprechung, die davon ausging, dass eine Vereinigung die normale Form der Verschmelzung von Grundstücken und im Zweifel als gewollt anzusehen sei (Röll, DNotZ 1968, 523/529; BayObLG, DNotZ 1972, 350; LG Schweinfurt, MittBayNot 1978, 217). Das setzte allerdings voraus, dass zum einen ein Veränderungsnachweis vorlag, der die Verschmelzung der Grundstücke vorsah und zum anderen, dass die zu verbindenden Grundstücke nicht mit einem Grundpfandrecht oder nur mit ein und demselben Gesamtgrundpfandrecht belastet waren (siehe Picker im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, Updatestand 31.12.2021, § 890 RN 27).

    Dennoch wäre auch seinerzeit eine Zwischenverfügung zu einer Klarstellung angezeigt gewesen (Haegele, GBR, 10. Auflage, RN 630, Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann (KEHE), 4. Auflage, § 5 GBO RN 18; siehe jetzt Staudinger/Picker aaO unter Zitat: Keller/Munzig/Keller § 5 Rn 20; Schöner/Stöber Rn 630).

    Wenn bislang kein VN vorliegt, der die katastermäßige Verschmelzung der beiden Grundstücke ausweist, dann dürfte jedenfalls die Auslegung der damaligen Grundbucherklärungen im vorgenannten Sinne nicht möglich sein.

    Also sind neue Grundbucherklärungen erforderlich, die die jetzigen Gesellschafter der BGB-Gesellschaft abzugeben haben.

    Für die Wiederbegründung des Wohnungseigentums bedarf es dann deren Bestätigung der seinerzeit in der Teilungserklärung abgegebenen Erklärungen.

    Ich vermute allerdings, dass dort Regelungen enthalten sind, die heute nicht mehr greifen können. So waren früher Regelungen dahin möglich, dass der Verwalter nur bei einem wichtigen Grund vorzeitig abberufen werden konnte. Diese Einschränkung ist derzeit nicht mehr möglich. Auch wurde die Ladungsfrist nach § 24 IV 2 WEG von zwei auf drei Wochen verlängert. Ferner sind z. B. die Bestimmungen der §§ 25 III, IV WEG aF über die Beschlussfähigkeit aufgehoben worden. Nunmehr ist jede Versammlung beschlussfähig, sofern mindestens ein stimmberechtigter Wohnungseigentümer anwesend oder vertreten ist. Dadurch sind auch frühere Regelungen über die Zweitversammlung obsolet geworden. Das ist jetzt nur beispielhaft wiedergegeben. Jedenfalls muss eine neu zu vollziehende Teilungserklärungen den Bestimmungen des WEG in der Fassung des WEMoG entsprechen.

    Einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung bedarf es hingegen grundsätzlich nicht (siehe OLG Schleswig, Beschluss vom 13.05.2009, 2 W 173/08, RNotZ 2012, 335

    Verwendung einer „alten“ Abgeschlossenheitsbescheinigung bei Aufteilung in Wohnungseigentum - DNotI

    Bei unveränderten baulichen Verhältnissen kann eine Abgeschlossenheitsbescheinigung auch nach einer lange zurückliegenden Zeit noch oder auch erstmals verwendet werden s. (Rapp im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, § 7 WEG RN 27).

    Das dürfte jedenfalls dann gelten, wenn sich aus der AVA vom 6. Juli 2021

    https://www.dnoti.de/fileadmin/user_upload/BAnz_AT_12.07.2021_B2.pdf

    i. V. mit der Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz vom 19. Dezember 2022

    https://www.bundesanzeiger.de/pub/publication/PXYh6LhL0CfueaMI1Jb/content/PXYh6LhL0CfueaMI1Jb/BAnz%20AT%2028.12.2022%20B3.pdf?inline

    keine weitergehenden Anforderungen wie aus der AVA von 1974 ergeben.

    (siehe dazu auch die hier

    genannte Abhandlung von Schneider, „Praktischer Umgang mit der AVA“, ZfIR 2023, 116 ff,

    Praktischer Umgang mit der AVA
    Nach dem Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen…
    www.zfir-online.de

    auf die ich über juris keinen Zugriff habe.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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