Aufnahme Klageantrag für ein Sozialgericht

  • § 91 SGG und alle sich darauf beziehenden Meinungen sehen das Problem allein aus der Perspektive der Fristwahrung, so steht es ja auch in § 91 SGG. Infolgedessen könnte eine Klage, die zu Protokoll eines Amtsgerichts erhoben wurde, durchaus fristwahrend sein, wenn die/der zuständige Sozialrichter/in das Gericht als Behörde i.S.d. § 91 SGG anerkennt.

    Die Ausgangsfrage ist aber, ob sich daraus eine rechtssichere Zuständigkeit eines Amtsgerichts und damit eine Pflicht zur Aufnahme von Klagen zu Protokoll des UdG ableiten lässt. Oder anders gefragt, könnte in der Verweigerung der Klageaufnahme und der kausalen Fristversäumung ein Schadensersatzanspruch ggü. dem Gericht entstehen? Oder könnte gar eine zunächst fristgerecht aufgenommene Klage vor einem Amtsgericht an § 91 SGG scheitern, weil das Amtsgericht im weiteren Verlauf nicht als Behörde i.S.d. § 91 SGG anerkannt wird. Auch hier wären Schadensersatzansprüche gegen das Amtsgericht nicht auszuschließen.

    Deshalb habe ich oben schon geschrieben, dass die Klage ggf. von der Gerichtsverwaltung aufzunehmen wäre, denn die ist definitiv Behörde i.S.d. § 91 SGG. Ein Satz im Geschäftsverteilungsplan wie z.B. "Die Rechtsantragstelle wird bei der Aufnahme fristwahrender Klagen vor den Sozialgerichten ggf. für die Gerichtsverwaltung tätig." könnte die Situation lösen. Dabei möchte ich nicht verschweigen, dass dies auch Türen öffnet, z.B. bei Amtsgerichten im ländlichen Raum, wo weit und breit kein Sozialgericht ansässig ist.

  • Amtsgerichte sind häufig näher am Wohnort des Bürgers. Insofern ist es im Interesse eines einfachen Zuganges zur Jusitz nicht verkehrt die Niederschrift aufzunehmen. Hier und da habe ich den Eindruck, dass mehr Zeit und Energie darauf verwandt, zu begründen, warum man es nicht macht, als es Zeit und Energie erfordert hätte die Niederschrift aufzunehmen. Das hier Tür und Tor geöffnet wird und eine Flut auf die Amtsgerichte zukommt , ist eher nicht zu erwarten.

    Die Niederschrift kann auch zum Sozialgericht aufgenommen werden. Das spart die Verweisung. Nur sollte die Niederschrift dann am selben Tag an das Sozialgericht übermittelt werden.

    Inhaltlich kann man wegen dem Amtsermittlungsprinzip nicht viel verkehrt machen:

    Ich erhebe Klage (zum Sozialgericht Sowieso) gegen die Behörde XY - Aktenzeichen

    Ich beantrage: den Bescheid vom ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... aufzuheben und mir

    (steht regelmäßig im Widerspruchsbescheid) z.B. Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe / einen Grad der Behinderung von / Erwerbsminderungsrente / Leitungen nach Pflegestufe , ... zu gewähren

    Begründung: Ich bin mit der Entscheidung der Behörde nicht einverstanden (Optional: weil...) und möchte daher, dass die Entscheidung durch das Gericht überprüft wird.

    Schön ist es, wenn der Widerspruchsbescheid in Kopie beigefügt wird.

    Das Einzige, worauf es ankommt ist die Fristwahrung. Alles Andere: Anträge, erforderliche Erklärungen, Auskünfte, Gründe, Beweismittel, etc. pp. fordert das Gericht an oder zieht sie Amts wegen bei. Das Verfahren ist sehr niederschwellig.

    Auch Verfahren wegen Einstweiligen Rechtsschutz bedürfen nicht viel: Bezeichnung des Antragsstellers, des Antragsgegners, was begehrt wird, kurz warum, Nachweis der Dringlichkeit (z.B. aktueller Kontoauszug, Angabe zum Bargeldbestand).

    pareo, non servio (Diener bin ich, nicht Sklave)

  • "Verfahren und Pflichten der Behörde iSd Abs. 1: Eine Pflicht der Behörde, die Klage entgegenzunehmen, ist in Abs. 1 nicht vorgesehen; sie kann auch nicht Abs. 2, der sich nur auf die Abgabe einer eingegangenen Klage bezieht, entnommen werden (s. BSG SozR 3–1500 § 91 Nr. 1, auch zur Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; BSG 25.4.2018 – B 8 SO 23/16 R Rn. 18; vgl. ferner Luik in Hennig Rn. 18 ff.). Zur Entgegennahme verpflichtet sind nur die staatlichen Stellen, denen das Gesetz Zuständigkeiten im Vollzug der Sozialgesetzgebung und bei der Verwirklichung der sozialen Rechte der Bürger überträgt oder für die eine Verpflichtung ausdrücklich geregelt ist."

    Dss könnte z.B. bei einer Gemeinde das Sozialamt sein, nicht aber die Müllabfuhr.

    "Wird Klage bei unzuständigem Gericht erhoben, ist zu unterscheiden (vgl. → § 98 Rn. 3; → § 87 Rn. 6:( Soll Klage bei zuständigem Gericht erhoben sein oder ist sie an anderes Gericht adressiert, liegt ein Fall des § 91 vor; das Gericht gibt die Klage nach Abs. 2 ab. Ist dagegen, was meist der Fall sein wird, die Klage an das vermeintlich zuständige Gericht adressiert, also bei einem bestimmten Gericht erhoben, weil Kläger es für zuständig hält, muss Gericht nach § 98 bzw. § 17a Abs. 2 GVG verfahren und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht verweisen (vgl. Estelmann in Zeihe Rn. 16b)."

    Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, Rn 5ff

    Raum für Schadensersatz sehe ich nicht. Allenfalls, wenn die Rechtsantragsstelle es versäumt den Bürger darauf hinzuweisen, an wen er sich zu wenden hat und den Bürger einfach so wegschickt. Aber vermutlich kommt es da eher zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als zu irgendwelchem Regress, wenn der Bürger zumindest glaubhaft machen kann, innerhalb der Frist bei der RAST des AG ZZZZ gewesen zu sein.

    pareo, non servio (Diener bin ich, nicht Sklave)

  • ...

    Auch Verfahren wegen Einstweiligen Rechtsschutz bedürfen nicht viel: Bezeichnung des Antragsstellers, des Antragsgegners, was begehrt wird, kurz warum, Nachweis der Dringlichkeit (z.B. aktueller Kontoauszug, Angabe zum Bargeldbestand).

    Ich stimme Dir in fast allen Punkten zu. :thumbup: :)

    Beim Einstweiligen Rechtsschutz wäre ich aber vorsichtig, § 91 SGG spricht nur von Klagen, auch § 84 SGG spricht lediglich von Widersprüchen. Wo siehst Du die rechtliche Brücke zum Einstweiligen Rechtsschutz?

  • § 91 SGG regelt die fristwahrende Einlegung einer Klage beim Eingang bei einer anderen Behörde bzw. Gericht.

    Auf den einstweiligen Rechtsschutz ist das nicht anwendbar, weil die Vorschrift eng auszulegen ist. Zudem sind Anträge auf Einstweiligen Rechtsschutz nicht fristgebunden.

    Gleichwohl ist die unverzügliche Weiterleitung angezeigt, weil sonst der Zweck vereitelt werden könnte.

    pareo, non servio (Diener bin ich, nicht Sklave)

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