§ 181 BGB, Erwerb WEG durch verwalterlose Wohnungseigentümergemeinschaft

  • Kurze Frage:

    Eigentümer einer Wohnung ist eine GmbH- und Co. KG. Die Wohnung wird durch die Wohnungseigentümergemeinschaft erworben. Diese ist wohl verwalterlos. Für die Wohnungseigentümergemeinschaft handelt ein vollmachtsloser Vertreter. Es werden von sämtlichen Eigentümern Genehmigungserklärungen vorgelegt. Die GmbH & Co. KG handelt als Verkäuferin und als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Besteht hier ein Vertretungsausschluss nach § 181 BGB?

  • Nach den Abhandlungen von Lehmann-Richter/Wobst, „Die Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem WEMoG“, in der NJW 2021, 662 ff.

    NJW 2021, 662 - beck-online

    und Lehmann-Richter, „Die verwalterlose Wohnungseigentümergemeinschaft“, ZWE 2022, 61 ff.

    ZWE 2022, 61 - beck-online

    geht die herrschende Meinung davon aus, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft von den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich vertreten wird, die nicht vom Vertretungsverbot betroffen sind („Anwachsungsprinzip“).

    Die Autoren selbst halten allerdings angesichts der Möglichkeit, einen Verwalter als Vertretungsorgan zu berufen, eine Uminterpretation von § 9 b I 2 WEG für nicht gerechtfertigt.

    Die Bestellung eines Verwalters würde jedoch zunächst einmal voraussetzen, dass es eine zur Einberufung der Versammlung, in der die Bestellung vorgenommen werden soll, befugte Person gibt. Besteht über die Durchführung einer Versammlung zum Zwecke der Verwalterbestellung kein Einvernehmen, hilft § 24 Absatz 3 WEG nur, wenn ein Beirat bestellt oder ein Wohnungseigentümer zur Einberufung ermächtigt wurde. Anderenfalls kann auch in Eilfällen die Einberufung nicht durch einen einzelnen Wohnungseigentümer erfolgen.

    Und eine gerichtliche Bestellung des Verwalters würde voraussetzen, dass im Regelfall vorab drei Vergleichsangebote eingeholt werden; dem Gericht muss dann jedenfalls mindestens ein übernahmebereiter Verwalter benannt werden (LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 7.11.2019, 2-13 T 82/19 und Beschluss vom 10.5.2022, 2-13 T 26/22).

    Das erscheint mir alles zu aufwendig, um die Suspendierung des Verbots des Selbstkontrahierens zu erreichen.

    Auch die Ausführungen der Autoren zum Prozessrecht werden abgelehnt. Danach sei auch in diesem Fall die Bestellung eines Verwalters erforderlich; unterbleibe dies, sei im Prozess auf Antrag ein Verfahrenspfleger zu bestellen.

    Zu Letzterem geht Becker im Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 15. Auflage 2023, § 26 RN 130 davon aus, dass im Prozess der Vertretungsausschluss einzelner Mitglieder der Gemeinschaft nicht zur Folge hat, dass für die Gemeinschaft der WEer auf Antrag nach § 57 ZPO ein Prozesspfleger bestellt werden müsse; vielmehr werde die verwalterlose Gemeinschaft in diesem Fall durch die übrigen WEer vertreten (ebenso die Kommentierung von Becker zu § 9b RN 121). Ein Prozesspflegers nach § 57 ZPO könnte auch allenfalls auf Beklagtenseite bestellt werden (Drasdo, NJW-Spezial 2023, 2).

    Wie Elzer in seiner Anmerkung zum Urteil des LG Frankfurt/Main vom 11.02.2021, 2-13 S 46/20, in der ZWE 2021, 185/190 ausführt, genügt dort, wo eine Gesamtvertretung entsprechend § 181 BGB nicht möglich ist, im Verbandsrecht eine Gesamtvertretung durch die Organwalter, die keinem Vertretungsverbot unterliegen (Zitat vgl. ua BGH NZG 2010, 1381 Rn. 12 und NJW 1964, 1624 unter 1. – jeweils zur KG; BGH WM 1982, 60 zur OHG). Eine Auslegung des § 9 b I 2 WEG führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Überlegung, die Wohnungseigentümer könnten danach immer einen Verwalter bestellen, trage nicht. Dies zeige sich etwa in Zweiergemeinschaften mit gleichem Kopfstimmrecht.

    Die Frage der Anwachsung wird zwar auch von Zschieschack in Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, Dokumentenstand: 8. Auflage, 10/2023, Werkstand: 8. Auflage 2024, § 9b RN 65 verneint, er geht aber davon aus, dass das Problem auch durch eine Ermächtigung gelöst werden könne. Habe der von der Vertretung Ausgeschlossene einen anderen Eigentümer ermächtigt, ihn bezüglich dieses Rechtsgeschäftes zu vertreten, entspreche es der Rechtsprechung des BGH, dass § 181 BGB nicht anwendbar sei, weil - anders als bei der Erteilung von Untervollmacht - der ermächtigte Gesamtvertreter bereits gesetzliche Vertretungsmacht besitze, die nur an das Erfordernis der Mitwirkung anderer Gesamtvertreter geknüpft sei. In Fußnote 199 ist dazu auf das Urteil des BGH 2. Zivilsenat vom 06.03.1975, II ZR 80/73, verwiesen.

    Mir scheint die hM zutreffend zu sein, nach der die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei einem dem Selbstkontrahierungsverbot unterliegenden Wohnungseigentümer durch die übrigen, nicht vom Verbot des § 181 BGB betroffenen Wohnungseigentümer vertreten wird.

    Und auf Seiten der erwerbenden KG könnte sich die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens aus der HRA-eintragung ergeben. Zwar wird die Befreiung bei der KG nicht für eintragungspflichtig, sondern nur für eintragungsfähig gehalten (s. die Nachweis bei Auktor, NZG 9/2006, 334/335, Fußnoten 14,16,17). Ist sie im HR nicht eingetragen, kann sie sich aber auch aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben. Dieser reicht allerdings als Nachweis nur aus, wenn er beurkundet wurde, weil es sich bei der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot um eine sonstige Voraussetzung der Eintragung handelt, sodass § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO zur Anwendung gelangt (KG, Beschluss vom 04.11.2014, 1 W 247-248/14: „Die Vertretungsverhältnisse könnten sich, da die Erwerberin am selben Tag gegründet worden sein soll, aus einem entsprechenden Gesellschaftsvertrag ergeben (vgl. BayObLG, Beschl. v. 26.2.1993 – 2Z BR 6/93 , juris), der zur Verwendung gegenüber dem Grundbuchamt allerdings der notariellen Form bedürfte, § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO (DNotI-Report 24/2002, 185, 187).“

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Wenn alle Sondereigentümer genehmigen/mitwirken, dann ja. Es gäbe ja sonst gar keine Möglichkeit mehr für die Wohnungseigentümergemeinschaft ein Grundstück zu erwerben, das einem Sondereigentümer gehört.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

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