gemeinschaftliches Testament , italienische Staatsangehörigkeit

  • Guten Morgen, ich brauche Eure Meinungen zu einem Fall mit Auslandsberührung.

    Der Erblasser war italienischer Staatsangehöriger, er hat am 26.06.1995 zusammen mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches , notarielles Testament errichtet. Die Eheleute setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein, nach dem Tod des Längstlebenen soll der Sohn erben.

    Die Ehefrau ist deutsche Staatsangehörige.

    In diesem Testament heißt es weiterhin :

    "Ich besitze die italienische Staatsangehörigkeit, bin verheiratet und habe meinen gewöhnlichen Aufenthalt seit 27 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland. Ich bin der deutschen Sprache mächtig und möchte diese letztwillige Verfügungen treffen.

    Der Notar hat mich darauf hingewiesen, daß möglicherweise ausländisches Recht zur Anwendung kommt und er mich über den Inhalt der maßgeblichen Rechtsordnung nicht belehren kann, auch nicht darüber, ob das anwendbare Recht bezüglich der Form die notarielle Beurkundung in der Bundesrepublik Deutschland für ausreichend hält, ob es zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen aufstellt oder aus sonstigen Gründen die hier getroffenen Verfügungen von Todes wegen für unwirksam erklärt.

    Er hat mich weiterhin darauf hingewiesen, daß zu diesen Fragen ein Rechtsgutachten angefordert werden kann und es sich empfehlen kann, die Beurkundung im Heimatland vorzunehmen, zumindest soweit es das dort belegene Vermögen betrifft. Der Erschienene erklärte, daß er trotz aller Bedenken die Beurkundung durch den amtierenden Notar wünsche.

    Er erklärte weiter: Dieses Testament soll auch in Italien für meinen dortigen Besitz gelten.

    Sollte meine letztwillige Verfügung in Italien ganz oder teilweise unwirksam sein, so soll sie jeweils, soweit zulässig, in erster Linie. durch Auslegung, dann durch Umdeutung und letztlich durch Bestimmung eines vom Nachlaßgericht zu ernennenden Testamentsvollstreckers oder der entsprechenden Person im fremden Recht durch diejenige zulässige Regelung ersetzt werden, die dem Zweck der unzulässigen Verfügung am weitgehensten nahekommt.

    Mangels einer passenden Ersatzregelung ist das Interesse des Bedachten in Geld zu ersetzen."

    Das Grundbuchamt verlangt einen Erbschein.

    Meine örtliche Zuständigkeit ist gegeben, der Erblasser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hier.

    Die Frage ist, ob das Testament wirksam ist. Da es vor dem 17.08.2015 errichtet wurde findet die ERbrechts-VO ggf über den Art. 83 Erbrechts-VO Anwendung. Das italienische Recht kennt keine gemeinschaftlichen Testamente, nach diesem Recht wäre es unwirksam. Die Frage ist ob eine wirksame Rechtswahl getroffen wurde.

    Ich würde in der Formulierung des Notars als Rechtswahl des Erblassers deuten. Trotz Belehrung über die eventuelle Unwirksamkeit ist das Testament beurkundet worden, es sollte wirksam sein. Könnte diese Rechtswahl dann über Art 83 und 24 II EuErbVO und somit auch das Testament wirksam sein ?

    Art 25 EuErbVO findet auch auf gemeinschaftliche Testamente Anwendung, aber auch hier ist eine Rechtswahl zulässig.

    vielen Dank für Eure Meinungen. :)

  • Da habe ich mal ne Klausur geschrieben und das war grob glaube ich so:

    Art 22 EuERBVO:
    Rechtswahl (-)
    Ich würde das Testament nicht in Richtung Rechtswahl auslegen, sondern klar in Richtung Art. 21 EuErbVO.

    Art 21 EuErbVO: keine Rechtswahl, dann Kollisionsnorm
    (1) Sofern in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. (+)


    (2) Ergibt sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat hatte, dessen Recht nach Absatz 1 anzuwenden wäre, so ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. (-)


    Art 23 EuERBVO: Reichweite
    (1) Dem nach Artikel 21 oder Artikel 22 bezeichneten Recht unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen. (+)


    Art 24, 26, 27 EUErbVO regelt noch die Anwendung formalen und materiellen Rechts


    Die Frage, was italienisches Recht materiell zulässt, sollte also egal sein.

    Einmal editiert, zuletzt von rpag (6. März 2024 um 11:03)

  • Nachtrag, wenn auch hier nich relevant: die event. späteren Fragen nach Pflichtteilsansprüchen und Abstammung (falls Sohn nicht namentlich genannt) ergeben sich nicht aus dem o.g., sondern es sind jeweils erneute Prüfungen notwendig.


    Literaturtipp: Baetge: Internationales Erbrecht anhand von Fallbeispielen

  • Nach Art. 83 Erbrechts-VO reicht es auch aus, wenn das Testament nach dem Recht des Mitgliedsstaates, "dessen Behörde mit der Erbsache befasst ist", wirksam ist. Das ist Deutschland.

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  • Auch nach meiner Ansicht ist zunächst der Aspekt der Rechtswahl der ausschlaggebende Gesichtspunkt.

    Zur Rechtswahl von deutsch-italienischen Ehegatten vgl. BGH FamRZ 2019, 1561 m. Anm. v. Bary = ZEV 2019, 538 m. Anm. Mankowski.

    Zur fingierten Rechtswahl nach Art. 83 Abs. 4 EuErbVO vgl. EuGH FamRZ 2020, 1496 = BeckRS 2020, 16032.

    Zur Rechtswahl bei Verwendung von dem deutschen Rechtskreis zuzuordnenden Rechtsbegriffen ("Schlusserbe") vgl. BGH Rpfleger 2021, 415 = FamRZ 2021, 802 m. Anm. Fornasier = FGPrax 2021, 81 = NJW 2021, 1159 m. Anm. Zimmermann = ErbR 2021, 516 m. Anm. Mankowski = ZEV 2021, 313 = FD-ErbR 2021, 438278 m. Anm. Litzenburger.

  • Ergänzend: vor Inkrafttreten der Eu-ErbRVO konnte nach italienischem Erbrecht (Art. 46 Abs. 2 ital IPRG) für die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen – also für das unbewegliche, sondern für den Nachlass insgesamt – das Recht des Staates gewählt werden, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

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  • Vielen Dank für Eure Rückmeldungen. Die Ehefrau ist auf jedem Weg Erbin geworden, werde das im Erbscheinsantrag entsprechend aufnehmen und begründen. Der Sohn ( der ohne Testament Miterbe geworden wäre) wird ja sowieso angehört

    VG

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