Anfechtung der Wirksamkeit eines Testaments bei bereits erteilten Erbschein

  • Ich habe folgenden Fall:


    Erblasserin (sehr vermögend) verstorben im Juni 2023, hinterlässt gemeinsam mit Ihrem Ehemann zwei letztwillige privatschriftliche Verfügungen. Eine datiert vom 14.02.2019 und die andere vom 01.01.2023.

    In der Verfügung vom 14.02.2019 haben sich die Erblasserin und ihr Ehemann gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Schlusserben sind zwei Neffen. In der Verfügung vom 01.01.2023 setzt die Erblasserin zugunsten einer weiteren Nichte ein Vermächtnis (welches nach dem Tod der Erblasserin fällig ist) aus (Anteil an einem Grundstück in X-Stadt (dieses Grundstück befindet sich in der Teilungsversteigerung (Eigentümer sind die Erblasserin und deren Geschwister). Unterschrieben ist diese Verfügung von der Erblasserin und in Vollmacht auch von dem Ehemann.

    Im Oktober 2023 stellt der Ehemann einen Erbscheinantrag, welcher ihn als Alleinerben ausweist. Aus dem Antrag geht weiter hervor, dass die Vermächtnisanordnung von der Erblasserin eigenhändig ge- und von ihr und dem Ehemann eigenhändig unterschrieben wurde. Bezüglich des Zusatzes "in Vollmacht" erklärt der Ehemann in dem damaligen Antrag, dass er damit nicht zum Ausdruck bringen wollte, dass er dieses Testament in Vollmacht für seine Frau unterschrieben habe, sondern ganz bewusst für sich allein.

    Alle Beteiligten (Geschwister der Erblasserin) erhalten Abschriften der letztwilligen Verfügungen von Todes wegen (rausgeschickt im August 2023) und werden zu dem Antrag auf Erteilung des ES vom 01.10.2023 gehört (rausgeschickt am 02.10.2023).

    Nunmehr im April 2024 teilen zwei Geschwister der Erblasserin mit, dass die Ergänzung des Testamens vom 01.01.2023 nicht wirksam ist und auch erhebliche Zweifel an der Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 14.02.2019 bestehen.. Zur Begründung wird vorgetragen, dass dem Inhalt der Todesanzeige (erschienen im Juli 2023) zu entnehmen ist, dass die Erblasserin nach kurzer schwerer Demenzerkrankung verstorben ist.

    Wie gehe ich jetzt mit der Anfechtung um?:/

  • Weglegen. Als Antrag auf Einziehung des Erbscheins auslegen und nach Anhörung zurückweisen.

    Das Testament von 2023 enhthält ein Vermächtnis, es spielt also für die Frage, wer Erbe ist keine Rolle ob sie 2023 testierunfähig war oder nicht.

    Für eine Testierunfähigkeit im Jahr 2019 wird nichts vorgetragen - erst recht der Hinweis auf die Todesanzeige ("kurze schwere Demenz" im Jahr 2023) legt nahe, dass sie 2019 noch nicht testierunfähig war.

    Ob das Vermächtnis für die Nichte wirksam ist oder nicht, möge von den Zivilgerichten geklärt werden - beteiligt sind da aber erstmal nur die Nichte und die Erben, nicht die Geschwister der Erblasserin.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Im Rechtssinne ist das natürlich keine "Anfechtung", sondern lediglich die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Testamente.

    Im Übrigen grundsätzlich wie tom.

    Ergänzend: Das Testament 2023 ist für die Erbfolge irrelevant, weil es keine Erbeinsetzung enthält. Es ist daher nicht von Belang, ob dieses Testament wirksam oder unwirksam ist. So wie sich der Ehemann der Erblasserin bislang geäußert hat, wird er das angeordnete Vermächtnis wohl problemlos erfüllen.

    Für eine Testierfähigkeit bei der Errichtung des Testaments 2019 gibt es bislang keine Anhaltspunkte. Alles, was die Geschwister vortragen, bezieht sich auf die Zeit innerhalb eines überschaubaren Zeitraums vor dem Eintritt des Erbfalls. Das Testament aus dem Jahr 2019 wurde aber bereits vier Jahre und vier Monate vor dem Erbfall errichtet.

    Ich würde den Ehemann zu den Einwendungen der Geschwister anhören. Außerdem würde ich den Geschwistern entsprechend dem vorstehend Gesagten einen rechtlichen Hinweis geben und um explizite Mitteilung bitten, ob sie ihre Einwendungen aufrecht erhalten und ob diese als Anregung auf Einziehung des erteilten Erbscheins zu verstehen sind.

    Spannend könnte es dann beim zweiten Erbfall werden, falls der Ehemann neu testiert (z. B., weil die bedachten Neffen Abkömmlinge der Geschwister der Erblasserin sind, die nunmehr Einwendungen erheben). Denn die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung kann auch davon abhängen, ob die Neffen der Geschwisterverwandtschaft des Ehemannes oder der Geschwisterverwandtschaft der Ehefrau angehören. Meist "schweigen" die privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testamente im Hinblick auf die Frage der Wechselbezüglichkeit und in Bezug auf einen etwaigen Testiervorbehalt.

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