zwei Erbschaften treffen aufeinander

  • Hallo zusammen,

    da ich auf dem Gebiet der Erbenermittlung noch "Neuling" bin, folgende Frage:

    Erblasserin B. (verwitwet, kinderlos, Eltern vorverstorben) verstirbt, testamentarischer Erbe schlägt wg. ungewissem Nachlass aus. Das Erbe beträgt wenige Tausend Euro. Nur eine Schwester der Erblasserin ist vorhanden (I.). Diese eine Schwester I. verstirbt wenige Tage nach der o.g. Erbausschlagung des testamentarischen Erben. Das Erbe dieser Schwester I. beträgt einige hundert tausend Euro. Die Schwester I. (ebenfalls bereits verwitwet) hinterlässt eine noch lebende Tochter E.. Der Sohn A. der Schwester I. ist in 2022 bereits vorverstorben. Die Schwester I. hat mit ihrem bereits vorerstorbenen Mann ein Testament hinterlassen, wonach

    "als Schlusserben beim Tod des dort Überlebenden (hier letzte Überlebende: die I.) die beiden vorgenannten Kinder A. (Sohn) und E. (Tochter) sind. Als Ersatzerben - aufgrund Wegfall einer dieser beiden Erben aufgrund des Versterbens o.a. - wurden dessen Abkömmlinge berufen."

    Frage:

    - Fällt nun der Nachlass der B. aufgrund gesetzlicher Erbfolge automatisch in den Nachlass der nachverstorbenen Schwester I.? Und gilt hierfür dann nur die letztwillige Verfügung des Testaments der I. bezüglich dieser Erbschaft der B.?

    - Gibt es aufgrund zweier verschiedener Nachlässe nunmehr zwei Eröffnungen, einmal Testamentseröffnung und einmal wegen gesetzlicher Erbfolge nach der B.? Denn angenommen der erste Nachlass nach der B. wäre überschuldet und der zwei Nachlass vermögend müsste ja jeder Nachlass für sich betrachtet, also angenommen oder ausgeschlagen werden können.

  • Durch die Erbausschlagung des Testamentserben ist die Erbschaft der Schwester der Erblasserin als gesetzlicher Alleinerbin angefallen und das wäre auch nicht anders, wenn die Schwester in der Zeit zwischen Erbfall und Ausschlagung verstorben wäre, weil die Erbausschlagung auf den Erbfall zurückwirkt (§ 1953 Abs. 2 BGB). Es fragt sich allerdings, ob die Schwester die Erbschaft bereits angenommen hatte, weil sie zwei Tage vor ihrem Tod noch nichts davon wusste, dass ihr die Erbschaft angefallen ist.

    Hatte sie die Erbschaft bereits angenommen, fällt der Nachlass der Erblasserin „ganz normal“ in ihren eigenen Nachlass und wird der nach ihr selbst eingetretenen Erbfolge umfasst.

    Hatte sie die Erbschaft noch nicht angenommen, hat sich ihr Ausschlagungsrecht vererbt (§ 1952 Abs. 1 BGB), weil die für sie selbst geltende Ausschlagungsfrist bei ihrem Ableben noch nicht abgelaufen war. Damit entscheiden die Erben der Schwester kraft vererbten Ausschlagungsrechts darüber, ob die Erbschaft der Schwester nach dem ursprünglichen Erblasser angenommen wird. Dies kann zu Problemen führen, wenn nur ein Teil der Erben der Schwester diese Ausschlagung erklärt (§ 1953 Abs. 3 BGB). Nehmen die Erben der Schwester die Erbschaft der Schwester nach dem ursprünglichen Erblasser an, fällt dessen Nachlass wiederum „ganz normal“ in den Zweitnachlass der Schwester.

    Die Frage, wer die Schwester beerbt, ist völlig unabhängig hiervon zu beurteilen, weil jeder Erbfall stets gesondert zu betrachten ist.

    Oft werden beide Erbfälle verwechselt, wenn die Erben der Schwester die Erbschaft nach der Schwester (!) ausschlagen, weil sie dann das vererbte Ausschlagungsrecht mangels Erbenstellung nach der Schwester gar nicht ausüben (und natürlich auch diese Erbschaft nicht annehmen) können. Das können immer nur die „wahren“ Erben der Schwester, ganz gleich, ob das die ursprünglich zum Zuge kommenden Personen sind (weil sie die Erbschaft nach der Schwester annehmen) oder ob es andere Personen sind, die durch den Wegfall der ursprünglich bedachten Personen als Erben der Schwester berufen sind (und diese Erbschaft annehmen).

  • Danke für Ihre Ausführungen, sehr interessant.

    Keine der Erbschaften wurde bislang von den Erben angenommen. Nun wurde ich u.a. mit der Erbenermittlung beauftragt. In dem Zuge ist mir unklar, ob nunmehr nur die E als Alleinerbin in Betracht kommt (E=Nichte meiner Erblasserin), oder auch evtl. vorhandene Nachkommen des vorverstorbenen Bruders (also die Nachkommen des Neffen "A" meiner Erblasserin). Nach meinem derzeitigen Wissensstand hat A jedenfalls keine Nachkommen. Dann wäre wohl wiederum nur die E Alleinerbin des Nachlasses von wenigen Tausend Euros aufgrund gesetzlicher Erbfolge.

  • Wenn A Abkömmlinge hinterlassen hat, sind E zu 1/2 und diese Abkömmlinge zu insgesamt 1/2 Erben der Schwester und wenn A keine Abkömmlinge hinterlassen hat, ist E die Alleinerbin der Schwester. Im letzteren Fall ist E, wenn sie diese Erbschaft annimmt (was aufgrund des vorhandenen Nachlasses nicht zweifelhaft sein sollte), Alleinerbin der Schwester und kann als solche als potentielle Erbeserbin des ursprünglichen Erblassers über die Annahme der Ersterbschaft entscheiden.

    E ist also nicht Alleinerbin des Erstnachlasses kraft gesetzlicher Erbfolge, sondern sie ist Alleinerbin des Zweitnachlasses der Schwester kraft testamentarischer Erbfolge, in deren Nachlass auch die Erbschaft enthalten ist, welche der Schwester kraft Gesetzes nach dem Ersterblasser angefallen ist.

    Man muss die Begrifflichkeiten sorgfältig voneinander trennen, weil man sonst mit seinen Gedanken auf einmal im "falschen" Nachlass ist.

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