Erteilung RSB + öffentliche Bekanntmachung

  • Hallo,

    ich habe gerade die Entscheidung des AG Göttingen in der neuen NZI 2007, 251 (Beschluß vom 7. 2. 2007 - 74 IN 182/01 ) gelesen.
    Danach soll die Erteilung der RSB erst nach Rechtskraft veröffentlicht werden. Das bringt m.E. ein paar praktische Probleme. Damit z.B. der Beschluss überhaupt rechtskräftig wird, muß ich ihn ja zustellen. Wenn nicht vor Rechtskraft veröffentlicht wird, dann heißt das ja wohl, ich muß den Beschluss an alle Gläubiger zustellen. Ist das nicht ein Aufwand für nichts und wieder nichts ?
    Mich würde jetzt mal interessieren, wie es in anderen Gericht gehandhabt wird.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Aus dem MüKo:
    Die in § 300 Abs. 1 angeordnete Anhörung dient der Gewährung rechtlichen Gehörs. Sie unterscheidet sich von der Anhörung zur Aufklärung des Sachverhalts. Eine Anhörung zur Sachverhaltsaufklärung kann das Gericht durch Vorführungs- und Haftbefehlsanträge erzwingen, nicht dagegen die Anhörung zur Gewährung rechtlichen Gehörs. Nimmt ein Beteiligter, dem rechtliches Gehör gewährt werden soll, die Gelegenheit zur Stellungnahme schuldhaft nicht wahr, dann hat das Gericht seiner Pflicht Genüge getan. Es ist nicht erforderlich, dass die Beteiligten sich tatsächlich äußern. Ein Unterlassen der Anhörung zur Gewährung rechtlichen Gehörs stellt, anders als ein Unterlassen zur Sachverhaltsaufklärung, einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist ein Verfahrensmangel und kann daher zur Aufhebung des Entscheidung führen. Die Entscheidung ist aufzuheben, wenn der Beteiligte, dessen rechtliches Gehör verletzt worden ist, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel, sich Gehör zu verschaffen, ausgeschöpft hat und die angegriffene Entscheidung auf der Verletzung beruht oder beruhen kann.14 Nach § 6 Abs. 1 unterliegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichts allerdings nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die InsO die sofortige Beschwerde ausdrücklich vorsieht. Hilft daher der Richter oder Rechtspfleger einer Entscheidung, die infolge eines Verstoßes gegen 103 Abs. 1 GG zustande gekommen ist nicht ab, dann verbleibt einem Insolvenzgläubiger, der nicht angehört wurde, zur Überprüfung der Entscheidung nur die Verfassungsbeschwerde. Gegen die Entscheidung über die Restschuldbefreiung kann nur der Insolvenzgläubiger eine sofortige Beschwerde einlegen, der bei einer Anhörung die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat.

  • Das AG Göttingen schreibt dazu:
    "
    c) Die in § 300 III 1 InsO vorgesehene öffentliche Bekanntmachung der Erteilung der Restschuldbefreiung erfolgt erst nach Rechtskraft des Beschlusses.
    aa) Für den Fall der Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO) ist dies eindeutig geregelt. Erst der rechtskräftige Beschluss wird zusammen mit der Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekannt gemacht (§ 289 II 3 InsO). Die Gesetzesbegründung (BT-Dr 12/2443, S. 190 [zu § 238 InsO-E]) führt aus, dass durch die öffentliche Bekanntmachung des rechtskräftigen Beschlusses jeder Gläubiger die Möglichkeit erhält, zu erfahren, ob dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt oder angekündigt wurde.
    bb) Im Fall der Versagung während der Wohlverhaltensperiode enthält § 296 III InsO eine Regelung. Satz 1 regelt die Rechtsbehelfsmöglichkeiten, Satz 2 ordnet die öffentliche Bekanntmachung der Versagung der Restschuldbefreiung an. Die Reihenfolge - erst Rechtsbehelfsmöglichkeiten, dann öffentliche Bekanntmachung nur der Versagung - spricht dafür, dass auch hier die Rechtskraft des Beschlusses abzuwarten ist. Nur an einer rechtskräftigen Versagung besteht ein Informationsinteresse der Gläubiger.
    Auch die Kommentarliteratur fordert die Rechtskraft des Beschlusses für eine Veröffentlichung (Frege/Keller/Riedel, InsolvenzR, Rdnrn. 2173, 2184; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Hdb. z. InsO, Kap. 8 Rdnr. 284; Landfermann, in: Heidelberger Komm. z. InsO, § 296 Rdnr. 12; Ahrens, in: Frankfurter Komm. z. InsO, § 296 Rdnr. 39; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 296 Rdnr. 51; Uhlenbruck/Pape, InsolvenzR, Rdnr. 981; Schmidt/Haarmeyer/Albrecht/Pape, Praxis und Ausbildung im Insolvenzbüro, Rdnr. 2010; Schmerbach, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, PräsenzKomm-/InsO, § 296 Rdnr. 16). Zweck der öffentlichen Bekanntmachung ist es nämlich nicht, die Zustellung der Entscheidung zu fingieren und die Rechtsmittelfrist in Lauf zu setzen, da der Kreis der rechtsmittelbefugten Beteiligten auf den Schuldner und den antragstellenden Gläubiger beschränkt ist (Stephan, in: MünchKomm-InsO, § 296 Rdnr. 36).
    cc) Im Falle der Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung enthält § 300 III InsO eine Regelung. Anders als bei § 296 III InsO ist in Satz 1 zunächst die öffentliche Bekanntmachung geregelt, in Satz 2 die Rechtsbehelfsmöglichkeiten. Eine Begründung für die abweichende Reihenfolge findet sich in der Gesetzesbegründung nicht (BT-Dr 12/2443, S. 193 [zu § 249 InsO-E]; ebenso für § 303 InsO BT-Dr 12/2443, S. 194 [zu § 252 InsO-E]). Zu einer gegenüber § 296 InsO abweichenden Verfahrensweise führt dies nicht. Auch im Falle der Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung sind wie bei § 296 InsO beschwerdeberechtigt nur der Schuldner und der antragstellende Gläubiger. Daher sollte die Rechtskraft des Beschlusses abgewartet werden (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 8 Rdnr. 304; Landfermann, in: Heidelberger Komm. z. InsO, § 300 Rdnr. 6; Stephan, in: MünchKomm-InsO, § 300 Rdnr. 32; Schmerbach, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, § 300 Rdnr. 13; das Muster bei Frege/Keller/Riedel, Rdnr. 2192, betrifft den Fall, dass kein Versagungsantrag gestellt wurde).
    dd) Ebenso wird im Falle des § 303 InsO beim Widerruf der erteilten Restschuldbefreiung die Rechtskraft als Voraussetzung für die öffentliche Bekanntmachung angesehen (Ahrens, in: Frankfurter Komm. z. InsO, § 303 Rdnr. 24; a.A. Stephan, in: MünchKomm-InsO, § 303 Rdnr. 34).
    ee) Folglich erfolgt die öffentliche Bekanntmachung gem. § 300 III 1 InsO in Anlehnung an die Regelung des § 289 II 3 InsO erst nach Rechtskraft des Beschlusses. Ansonsten könnte bei einem erfolgreichen Rechtsmittel eine Verwirrung des Rechtsverkehrs entstehen. Die öffentliche Bekanntmachung dient der Unterrichtung des Rechtsverkehrs. Für diesen ist von Interesse, ob die Rechtschuldbefreiung rechtskräftig erteilt worden ist. Sonstige mit der öffentlichen Bekanntmachung verbundene Wirkungen (z.B. gem. § 9 III InsO) können zwar auch erreicht werden (Uhlenbruck/Vallender, § 300 Rdnr. 16, ebenso § 303 Rdnr. 19). Entscheidend kommt es auf diesen Gesichtspunkt aber nicht an. Beschwerdeberechtigt gegen die Erteilung der Restschuldbefreiung sind nämlich gem. § 300 III 2 InsO nur die Insolvenzgläubiger, die die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt haben."

    In den Kommentierungen, die ich hier habe, steht auch, es solle die Rechtskraft abgewartet werden. Ich halte das, ehrlich gesagt, auch nicht für sinnvoll. Ich muß dann ja allen Gläubigern, dem Treuhänder und dem Schuldner den Beschluss zustellen. Ganz abgesehen von den Kosten, was ist das für ein Aufwand ?

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  • In § 289 Abs. 2 S.3 InsO ist ausdrücklich geregelt, dass der rechtskräftige Beschluss veröffentlicht werden soll. In § 300 Abs. 3 S. 1 InsO ist von der Rechtskraft nicht die Rede. Wenn der Gesetzgeber dies gewollt hätte, dann hätte er es auch in das Gesetz geschrieben. Außerdem werden alle Gläubiger vorher angehört und wenn die Gläubiger Einwendungen haben, dann sollen diese im letzten Anhörungstermin vor Erteilung der RSB vorgebracht werden und nicht hinterher.
    Bis das Gesetz hinsichtlich § 300 Abs. 3 S. 1 InsO nicht geändert wird, interessiert mich die Entscheidung vom AG Göttingen nicht, da diese Entscheidung mal wieder fern von der Praxis erscheint.

  • Mich würde aber schon interessieren, wie Göttingen es denn praktisch handhabt. Bzw. wie es die Gerichte machen, die ebenfalls erst die Rechtskraft abwarten. Denn rechtskräftig wird es ja nur, wenn es vorher den Beteiligten auch zugestellt wurde. Mal sehen, vielleicht melden sich ja noch Kollegen, die es so handhaben.

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  • Wir halten uns weiter an den Wortlaut des 300 Abs. 3 InsO. Hier ist nicht angeordnet, dass die Rechtskraft abgewartet werden muss. Daher veröffentlichen wir sofort den Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung im Internet. Dies gilt dann als Zustellung an alle und setzt somit auch -letztendlich- die Rechtsmittelfrist in Lauf.

    Die Entscheidung des LG Göttingen ist nicht praktikabel und nicht durch den Wortlaut des 300 Abs. 3 Satz 1 InsO gedeckt.

  • 5:0!
    Rein praktisch wüsste ich nicht wie das Problem zu lösen sein sollte.
    Was wäre denn z.B., wenn Zustellung an einen Gläubiger nicht möglich wäre, weil unbekannt verzogen? Gut, löst sich mit Aufgabe zur Post, oder? Dann gilt alles als zugestellt und ich habe einen Zeitpunkt, an dem ich den Fristbeginn festmachen kann.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Eine Veröffentlichung erst nach Rechtskraft ist m.E. sinnvoll und richtig, wenn ein Versagungsantrag gestellt wurde, wie in dem Verfahren des AG Göttingen. Es handelt sich dann bei der Erteilung bzw. Versagung ja um eine Streitentscheidung, die in der Beschwerdeinstanz noch geändert werden kann.

    Die Mehrzahl der Fälle, in denen kein Gläubiger einen Versagungsantrag gestellt hat und dem Schuldner die RSB antragsgemäß angekündigt wurde, hat das AG Göttingen wohl eher nicht gemeint. Die Zustellung erfolgt auch nach AG Göttingen nur an die versagungantragstellenden Gläubiger (bei Erteilung) bzw. an den Schuldner (bei Versagung):

    Zitat: "Der die Restschuldbefreiung erteilende Beschluss wird jedem versagungantragstellenden Gläubiger bzw. deren Vertretern zugestellt im Hinblick auf die in § 300 III 2 InsO eingeräumte Möglichkeit der sofortigen Beschwerde. Bei Ablehnung erfolgt die förmliche Zustellung an den Schuldner/Vertreter."

  • Aber über den Versagungsantrag wird doch in einem gesonderten Beschluß entschieden. Wieso ist die spätere RSB Erteilung dann noch eine Streitentscheidung?:gruebel:

  • Ich bin zwar noch neu in der Inso, aber ich trau mich mal. Wenn RSB erteilt wird und kein Versagungsantrag gestellt wird, stellen wir an den Schuldner mit ZU und den Verwalter mit EB zu,an die Gläubiger stellen wir durch Aufgabe zur Post zu. Die Veröffentlichung erfolgt dann erst nach Rechtskraft.

  • Ich bin zwar noch neu in der Inso, aber ich trau mich mal. Wenn RSB erteilt wird und kein Versagungsantrag gestellt wird, stellen wir an den Schuldner mit ZU und den Verwalter mit EB zu,an die Gläubiger stellen wir durch Aufgabe zur Post zu. Die Veröffentlichung erfolgt dann erst nach Rechtskraft.



    Warum und auf welcher Gesetzesgrundlage?

  • Gute Frage. Ich muss gestehen, dass ich das bisher ohne groß darüber nachzudenken von meinen Kollegen bzw. Vorgängern übernommen habe. Mein Kommentar sagt jedoch zu § 300 Abs. 3, dass vor jeder Veröffentlichung abgewartet werden sollte, ob sofortige Beschwerde eingelegt wird

  • Gute Frage. Ich muss gestehen, dass ich das bisher ohne groß darüber nachzudenken von meinen Kollegen bzw. Vorgängern übernommen habe. Mein Kommentar sagt jedoch zu § 300 Abs. 3, dass vor jeder Veröffentlichung abgewartet werden sollte, ob sofortige Beschwerde eingelegt wird



    Schau mal unter mein Posting Nr. 3, so ziemlich am Ende. Dort steht, dass beschwerdeberechtigt nur die Insolvenzgläubiger sind, die die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt haben.

  • Gute Frage. Ich muss gestehen, dass ich das bisher ohne groß darüber nachzudenken von meinen Kollegen bzw. Vorgängern übernommen habe. Mein Kommentar sagt jedoch zu § 300 Abs. 3, dass vor jeder Veröffentlichung abgewartet werden sollte, ob sofortige Beschwerde eingelegt wird



    Schau mal unter mein Posting Nr. 4, so ziemlich am Ende. Dort steht, dass beschwerdeberechtigt nur die Insolvenzgläubiger sind, die die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt haben.



    Rainer meint sein Posting # 3.

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