Berufsbetreuer - wieviele Betreuungen sind gesund?

  • Meine Kollegin und ich haben uns vorgenommen, die Berufsbetreuer in ihrer Arbeit stärker zu kontrollieren. In letzter Zeit traten häufig Beschwerden von Betroffenen, Heimen, Ämtern und Angehörigen auf, die nicht mehr hinnehmbar sind. Wie leider sooft stossen wir bei der Betreuungsstelle auf taube Ohren. Im Gegenteil manch einer bekommt trotzdem auch weiter Betreuungen, wo wir vom klaren Verstand her sagen, dass die Arbeit nicht zu schaffen ist. Bei einer klaren Mischkalkulation, was meint ihr denn, wieviele Betreuungen kann ein Betreuer maximal führen, ohne das die eigentliche Tätigkeit darunter leidet? Manchmal hat man wirklich das Gefühl es geht nur ums kassieren und der Betroffene bleibt auf der Strecke.

    Inwieweit darf der Rechtspfleger überhaupt den Berufsbetreuer kontrollieren? Könnte man eigentlich auch so eine Art Geschäftsprüfung im Büro des Betreuers machen?

    Freue mich über Meinungen.

  • Ich denke, die Angabe einer konkreten Zahl von Betreuungen pro Betreuer ist problematisch.
    Der Arbeits- und Zeitaufwand hängt ja auch ganz stark von den individuellen Umständen des jew. Betreuten ab.

    30 Betreute im Altenheim sind sehr wahrscheinlich eher durch den Betreuer zu schultern, als 30 Betreute, die noch in ihrer eigenen Wohnung leben.

  • Hast Du das Thema schon mal mit den Richtern erörtert?
    Einer meiner Berufsbetreuer hat mir mal gesagt, dass er 50 Betreuungen braucht, um den Laden am Laufen zu halten. Fand ich ein bißchen viel.
    Bei der Betreuungsstelle kannst Du auf jeden Fall mal eine Auflistung aller Berufsbetreuer und deren Verfahren anfordern. Die müssen nämlich bis Ende März angeben, wie viele Verfahren sie führen (§ 10 VBVG).
    Ansonsten: steter Tropfen höhlt den Stein.
    Die GSt. bitten, Betreuervorschläge vor Richtervorlage vorzulegen und Aktenvermerk aufnehmen, ob dieser Betreuer oder doch eher ein anderer eingesetzt werden soll.

  • Ich denke, es kommt auf die Organisation des Betreuers an...

    Wir haben einen, der hat knapp über 80 Betreuungen, bei dem sind Rechnungslegungen, Berichte und notwendige Maßnahmen immer korrekt, zeitnah und super ausführlich. Der ist nebenbei noch Anwalt und Zustellungsbevollmächtigter.

    Es gibt aber auch Leute, die stoßen bei 20 Betreuungen schon an ihre Grenzen. Und dann können die sich davon nicht finanzieren...

  • Ich denke auch, man kann das nicht an Zahlen so sehr fest machen. Jeder Betreuer arbeitet anders. Es gibt welche, die sind super umständlich und kommen nicht aus dem Knick, die sind mit relativ wenigen Betreuungen schon überfordert und es gibt welche, die arbeiten bei über 70 Betreuungen noch sehr ordentlich und zügig.
    Wenn wir Probleme mit Betreuern haben, gehen wir unseren Richtern mächtig auf die Ketten und legen die Akte immer wieder vor zur Prüfung eines Betreuerwechsels. Auch wenn sie uns unseren Wunsch nicht immer erfüllen, wollen sie sich für die Zukunft doch den Stress ersparen und nehmen für neue Betreuungen solche Betreuer nicht mehr.
    Die Betreuungsbehörde kann man auch bei uns vergessen.

  • Also ich weiß nicht ob ich das zu problematisch sehe, aber ich denke ein persönlicher Kontakt sollte im Monat schon drin sein. Das schafft man doch mit 80 Betreuungen nicht! Im Übrigen schonmal darüber nachgedacht, dass jemand, der eine Top Büroorganisation hat, diese Leute auch bezahlen muß? Und wovon bezahlt er die? Natürlich von seinem Stundensatz. Soweit sogut. Aber dieser Stundensatz steht doch dem Betreuer und nicht seiner Bürokraft zu, auch wenn sie letztlich die ganze Arbeit macht. Klar hält im Schadenfall der Betreuer den Kopf hin, aber ist die Verwendung der Pauschalvergütung so vom Gesetzgeber gedacht?
    Überspitzt gesagt würde dann doch auch ein Betreuer pro Gericht ausreichen, der dann die Arbeit in seinem Büro verteilt.

    Zitat

    Inwieweit darf der Rechtspfleger überhaupt den Berufsbetreuer kontrollieren? Könnte man eigentlich auch so eine Art Geschäftsprüfung im Büro des Betreuers machen?



    Hier hat noch niemand etwas dazu gesagt! :(

    PS: Ich will dazu mal einen Vergleich anstellen:
    Wenn ich zum Starfriseur gehe, dann will ich auch beim Meister persönlich und nicht beim Gehilfen dran kommen und trotzdem Starfriseurpreise bezahlen.

  • Hier in Berlin ist jemand, der war mal Behördenleiter und hat nach Auskunft einer Richterin sich als Betreuer selbständig gemacht. Er führt(e) bis zu 250 Betreuungen! Der Betreuer ist sehr schnell bei der Beantwortung der Fragen. Beanstandungen von B + RL fast keine bzw. fast nie vorhanden.

    Sein Büro ist komplett durchorganisiert. Daten werden auf dem Ding (größer als Handy, aber kleiner als Laptop - mir fällt grad der Name nicht ein) eingegeben oder abgefragt und aktualisiert.

    Ihr könnt ja mal ausrechnen, was er für einen Jahresumsatz hat ;)

    Fraglich ist natürlich der persönliche Umgang...

    Dazu habe ich mir keinen Kopf gemacht, die Richterin meinte aber zu mir: Wenn ich mal unter Betreuung gestellt werde, dann will ich den Mann als Betreuer haben!



    M.E. sagt die Anzahl der Betreuungen nichts über die Qualität aus, kann aber durchaus ein Indiz sein.
    Für mich ist der Hauptindikator, ob jemand zuviel oder zuwenig Betreuungen hat, wenn derjenige nach 1 Monat nicht antwortet und permanent ermahnt werden muss. Oder die Rechnungslegung zu spät eingereicht wird. Ständige fehlerhafte Anträge usw.

    "Könnte man eigentlich auch so eine Art Geschäftsprüfung im Büro des Betreuers machen?"
    Im Übrigen meine ich, dass sich die Aufsichtspflicht des Vormundschaftsgerichts nicht auf die Tätigkeit im Betreuerbüro erstreckt. Wir machen doch keine "Gerichtsvollziehergeschäftsstellenprüfung" ;)

  • Wie weit der Rechtspfleger kontrollieren darf, steht im Gesetz. Inhaltliche Kontrolle ist da nicht aufgeführt, auch keine Kontrolle (angeblicher) Überlastung.

    Sollten Betreuer ihre Pflichten nicht erfüllen, so kann der Rechtspfleger die Sache dem Richter vorlegen m. d. Anregung, die Geeignetheit zu prüfen.

    Das darf aber nicht in allgemeine Christenverfolgung ausarten, aufgehängt an der Zahl der Betreuungsverfahren.

  • Ich würde mir nie anmaßen, eine Geschäftsprüfung im Büro des Betreuers machen zu wollen - ganz davon abgesehen, dass das nicht zu meinen Arbeitsaufgaben gehört und ich dafür wohl meine kostbare Freizeit opfern müsste, wofür ich nicht bereit bin.

  • Zur Aufsicht über die Betreuer:
    Es gibt da einen ganz guten Aufsatz in der BtPrax von Uwe Harm (BtPrax 2/2006). Dort ist ganz gut dargestellt, dass das Vormundschaftsgericht nur die Rechtsaufsicht und nicht die fachliche Aufsicht hat. Kontrolle also nur innerhalb der gesetzlichen Vorgaben (Pflichtverletzung, Bericht, RL, jederzeitige Auskunft, Betreuungsplan usw). Eine Geschäftsprüfung ist m.E. nicht möglich, würde wohl auch zu erheblich Ärger führen.
    Zu den Betreuungszahlen:
    Bei uns läuft die Koordination zwischen Betrbehörde und Richter/Rechtspfleger zurzeit ganz gut. Es gab auch ein treffen zwischen Behörde, Berufsbetreuer und Richter/Rechtspfleger. Auch dort ging es um die Zahlen. Eine genauer Obergrenze gibt es bei uns auch nicht. Aber die Tendenz, die persönlichen Kontakte zu vernachlässigen, ist auch bei uns beobachtbar. Hier interessieren sich aber die Richter auch dafür und fordern den Betreuer zur Stellungnahme auf.
    Wenn ein Betreuer über mangelnde Einkünfte klagt, kann man ja mal beim Controler die Entwicklung seines Umsatzes überprüfen lassen, oft ist an dem gejammer nichts dran.

  • Wie weit der Rechtspfleger kontrollieren darf, steht im Gesetz. Inhaltliche Kontrolle ist da nicht aufgeführt, auch keine Kontrolle (angeblicher) Überlastung.

    Sollten Betreuer ihre Pflichten nicht erfüllen, so kann der Rechtspfleger die Sache dem Richter vorlegen m. d. Anregung, die Geeignetheit zu prüfen.

    Das darf aber nicht in allgemeine Christenverfolgung ausarten, aufgehängt an der Zahl der Betreuungsverfahren.



    :zustimm:
    Und ein Kontakt mit dem Betreuten ist immer möglich. Sei es nur telefonischer Kontakt oder sogar der persönliche.
    Bei uns sind viele der Heimbewohner in 5 oder 6 Heimen "konzentriert", d.h. dass der Betreuer bei einem Termin wegen einem konkreten Anlass auch einfach mal Überraschungsbesuche bei anderen Betreuten macht. das hat zum einen einen Erziehungseffekt für das Heim zur Folge (der Betreuer achtet auf Sauberkeit, Pflege und Allgemeinzustand) und zum anderen freuen sich natürlich auch die Betreuten, wenn er auch mal einfach so vorbeischaut...

    Und sollte ihm eine Unregelmäßigkeit auffallen, kommt außerhalb des Berichtschreibens dann eine Gesprächsnotiz oder ein Schreiben an Heim oder Klinik für uns zur kenntnis...

    Das macht alles er allein, nur schreiben werden zum Teil von einer Mitarbeiterin erledigt...

  • Die Freizeit sei mal dahingestellt für uns steht der Betroffene im Vordergrund.
    Wäre aber auch mal interessant zu wissen, wie sich der Betreuer so organisiert.

    Der Mann mit den 250 Betreuungen muß ja ein paar Angestellte haben. Aber ist dann sein persönlicher Stundensatz noch gerechtfertigt? *nurmalsofrag*

    Ist es denn so ungewöhnlich, wenn es mehr kontrolliert werden würde, WIE der Betreuer arbeitet?

    Meine persönliche Meinung zur Betreuertätigkeit ist, dass der Betreuer den Menschen betreut und sich der rechtlichen Probleme annimmt. Unbeholfenen auch mal einen Ratschlag gibt und die Leute nicht nur verwaltet.

    Ich finde es nicht in Ordnung, wenn sich der Betreuer nur alle 2-3 Monate mal im Heim blicken lässt. Also mal anrufen könnte man ja wenigstens mal und sich nach dem Gesundheitszustand und der Post erkundigen.

    Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Betreuten Kontoauszüge/Kontostand vorenthalten wird.

    Ich finde es nicht in Ordnung, wenn der Betreute den Betreuer nicht erreicht, bzw. auf dem Handy weggedrückt wird.

    Ich finde es nicht in Ordnung wenn sich der Betreuer bei den aktiven Betreuten nicht zum Urlaub abmeldet und den Vertreter benennt.

    Ich finde es nicht in Ordnung Berichte 2-3 mal anzumahnen und Zwangsgeld anzudrohen. (aber hauptsache der Vergütungsantrag ist pünktlich da)

    Ich könnte die Liste beliebig fortsetzen.

  • Eigentlich ist grundsätzlich schon alles gesagt. Ich habe hier Betreuer, die sind mit 15 Verfahren überfordert, andere schaffen 50. Letztlich ist es doch so, dass es Betreute gibt, die machen einfach wenig bis keine Arbeit und welche, die 3 Mal am Tag anrufen. Wenn der Betreuer halbwegs gescheit organisiert ist und sich nicht zum Sozialarbeiter berufen fühlt (solche sind zwar sehr nett für den Betreuten, kriegen meist aber sonst nichts auf die Reihe und finden die gesetzlichen Pflichten gegenüber dem Gericht eher lästig), denke ich schon, dass 50 Betreuungen machbar sind. Dass der persönliche Kontakt leidet, ist nix Neues, aber das scheint der Gesetzgeber mit der Pauschalierung noch mal verstärkt zu haben und wahrscheinlich gewollt. Zu Beschwerden kommt es auch bei uns immer mal wieder, aber das sind eigentlich immer die gleichen Betreuer, über die sich beschwert wird und passieren tut nix. Unsere Betreuungsstelle würde sicher gern mehr machen, aber aufgrund der personellen Gegebenheiten sind denen oftmals die Hände gebunden. Ich weiß von Nachbaramtsgerichten, dass dort die Zusammenarbeit mit der Betreuungsbehörde hervorragend funktioniert und ein Berufsbetreuer, der nicht ordentlich arbeitet, von der Betreuungsstelle "in die Mangel genommen wird".
    Eine Geschäftsprüfung bei einem Berufsbetreuer geht m.E. viel zu weit, uns bleiben die üblichen Zwangsmethoden (Zwangsgeld, Richtervorlage), auch wenn es manchmal nervt, wenn sich nichts ändert.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D



  • Das ist auch nicht in Ordnung. Deswegen werden ja die Betreuer darauf hingewiesen, dass die Akte dem Richter vorgelegt wird zur Prüfung eines Betreuerwechsels und dann geht die Akte auch zum Richter. Manchmal frage ich die Betreuer auch ganz direkt, ob sie überlastet sind und nicht lieber mal die eine oder andere Betreuung abgeben wollen.

  • Bei uns haben die Berufsbetreuer so ca. 40-60 Betreuungen. Die meisten kommen gut klar und sind pünktlich. wir haben aber auch schon etliche abgesägt, die mit weniger nicht klar gekommen sind und geschlampt haben. Spätestens bei der 1. Zwangsgeldandrohung wird die Sache dem Richter vorgelegt mit der Bitte, die Eignung als Betreuer zu überprüfen!

  • Ein wenig mehr Kontrolle wäre sicher nicht verkehrt.
    Ich kann mich an Fälle - vor der Umstellung auf die Pauschalvergütung - erinnern, in denen der Tag mehr als 24h hatte....:eek: ... das war natürlich mächtig dreist vom betreffenden Betreuer...:cool:

  • Ein wenig mehr Kontrolle wäre sicher nicht verkehrt.
    Ich kann mich an Fälle - vor der Umstellung auf die Pauschalvergütung - erinnern, in denen der Tag mehr als 24h hatte....:eek: ... das war natürlich mächtig dreist vom betreffenden Betreuer...:cool:



    Das hatten wir hier auch mal... Der hatte dann ein Verfahren am Hals, allerdings angezettelt vom Rechnungshof...

  • Das waren alles Leute von der Bundeswehr (Zitat):
    "Der Tag hat 24 Stunden, kommst du damit nicht aus, nimmst du die Nacht dazu.":D

  • Ich denke auch, dass eine feste starre Größe für Betreuungen nicht sinnvoll ist. Es kommt eben immer auf den Umfang der übertragenen Betreuungen an und natürlich auch auf den Betreuer an.
    Im Rahmen der Berichte, Rechnungslegungen und den normalen Kontakten merkt man schon ganz gut, welcher Betreuer klar kommt und welcher nicht.

    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.

    (Mark Twain)

    Spendenaufruf

  • Ja, ich finde auch, dass konkrete Zahlen nichts bringen, weil es sehr auf den Organisationsgrad des Betreuers und die Art der Betreuungen ankommt.
    Unsere Betreuungsbehörde regte mal an, dass (nicht starr, aber) grundsätzlich nicht mehr als 50 Betreuungen geführt werden sollten pro Berufsbetreuer.
    (Dies, weil einer unserer Berufsbetreuer unangenehm auffiel durch hohe Zahl von Betreuungen und schlampige Arbeit.)
    Unsere Richter wollten sich hierauf aber nicht festlegen lassen.

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