§ 87 Gemeindeordnung NW

  • Aus aktuellem Anlass möchte das Thema noch einmal aufgreifen. Es mehren sich die Anrufe (rheinischer) Notare, die unter Hinweis auf eine (mir nicht bekannte) Stellungnahme ihrer Notarkammer und auf einen Erlass des Innenministers die Vorab-Eintragung von Finanzierungsgrundschulden der Erwerber von städtischen Grundstücken für zulässig halten und uns zur Eintragung "überreden" wollen. Wir lehnen das hier - unter Hinweis auf den eindeutigen Gesetzestext - ab. Die Westfälische Notarkammer hat sich erstaunlich deutlich positioniert und rät ihren Mitgliedern, keine Finanzierungspfandrechte für Erwerber vor der Eigentumumschreibung zur Eintragung zu bringen.
    Wie sehen das die anderen Kollegen im Rheinland und welche Erfahrungen habt ihr gemacht. Hat mal irgendein Notar Rechtsmittel eingelegt?

    Grüße aus dem Rheinischen
     Bee
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    Jedes Wort ist falsch und wahr, das ist das Wesen des Wortes.
    Max Frisch

  • Ich habe vor einigen Tagen eine Zwischenverfügung herausgegeben und erhielt daraufhin von der Notarin die Kopie eines Schreibens des IM NRW an die Bezirksregierungen von NRW vom 27.10.2010, das auch einen Eingangsstempel der Rheinischen Notarkammer aufweist. Ich vermute mal , das dürfte der von Bee erwähnte "Erlass" sein.
    Es handelt sich um "Hinweise" des IM an die Bezirksregierungen.
    Ich zitiere mal (Hervorhebungen durch mich):
    "Kommunale Grundstücke können bei ihrer Veräußerung zum Zwecke der Kaufpreisfinanzierung mit Grundpfandrechten belastet werden. Sofern der Kaufpreis vom Käufer unwideruflich unmittelbar an die Gemeinde oder auf ein Notaranderkonto gezahlt wird sind die Tatbestandsvoraussetzungen der o.g. Vorschrift (= § 87 I GO NRW) nicht erfüllt.
    Die Einräumung von Grundpfandrechten liegt in diesen Fällen ausschließlich im Interesse der Gemeinden an einer geschäftsüblichen und marktgerechten Abwicklung der Veräußerung. Die Gemeinde tritt hier nicht in eine Garantenstellung fremder Interessen ein, da die Grundpfandrechte nur unter Bedinung der Kaufpreiszahlung wirksam werden. Die Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos zu Gunsten eines Dritten ist mit der Bestellung der Grundpfandrechte für die Gemeinden nicht verbunden. Eine aufsichtsbehördliche Genehmigung ist somit nicht erforderlich."

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Rastätter führt dazu in der DNotZ 2000, 17 ff, 27/28 aus:

    …“Die meisten Länder - ausgenommen Brandenburg - verbieten ebenso wie § 88 GO Bad.-Württ. die Bestellung von Sicherheiten zugunsten Dritter. Die Rechtsaufsichtsbehörde kann Ausnahmen zulassen. Zwar wird in der Literatur teilweise eine teleologische Reduktion der Vorschrift befürwortet, wenn bei der Vorwegbeleihung die üblichen Sicherungen für den Veräußerer (Einschränkung der Zweckbestimmung) beachtet werden zur Fussnote 35. Diese Ansicht ist jedoch keineswegs gesichert und in der Praxis nicht durchsetzbar. Von ihr sollte daher de lege lata Abstand genommen werden….

    In der Fußnote 35 ist eine bejahende Kommentarstelle und die schon weiter oben ewähnte Gegenmeinung des DNotI, DNotI-Report 19/1995, 176, mit dem Zitat des (unveröffentlichten) Urteils des LG Zwickau, angeführt, siehe:

    http://www.dnoti.de/Report/1995/rep1995.htm

    Aus der Stellungnahme des DNotI ergibt sich, dass der Erlass des Sächsischen Staatsministeriums des Innern mit den Hinweisen zur Bestellung von Grundschulden durch Gemeinden und Landkreise im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen vom 3.4.1992, Sächs. Amtsblatt vom 4.5.1992, S. 438, nicht dazu führt, dass die Grundschuldbestellung nicht der Genehmigung der Aufsichtsbhörde bedarf. Dieser an die Regierungspräsidien Chemnitz, Dresden und Leipzig sowie die Landratsämter des Freistaates Sachsen gerichtete Erlass vom 3.4.1992 -Az: Ref. 23- führt besondere Gründe des Gemeinwohls als Ausnahme dazu an, dass Sicherheitsleistungen der Gemeinden zugunsten Dritter grundsätzlich nicht zulässig sind, und enthält auf den Seiten 3 und 4 Formulierungsvorschläge, die in den Grundstückskaufvertrag aufgenommen werden sollen.

    Derartige Ausnahmen sieht offenbar auch der o. a. Erlass des IM/NRW vom 27.10.2010 vor. Dieser, dem IM/Sachsen offenbar entsprechende Erlass kann dann aber m.E. nach ebenfalls nicht dazu führen, dass die Genehmigung der Aufsichtsbehörde entfällt.

    Etwas anderes gilt, wenn diese Ausnahmen wie in Bayern mit der VO vom 16.08.1995 / 28.3.2001; GVBL 1995, 812 und GVBl. 2001, 174) oder in Thüringen mit der Grundpfandrechts-Genehmigungsfreistellungsverordnung vom 26.01.2006, , GVBl. 2006, 48 (zitiert nach Böhringer, Rpfleger 2007, 178/182, Fußn. 78) gesetzlich normiert sind.

    Die diesbezügliche, für NRW geltende VO vom 27.11.1996 (GVBl. 1996, 519) ist jedoch nach dem Gutachten des DNotI vom Juli 2010 (zitiert bei #17) am 31.12.2009 außer Kraft getreten.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)


  • Die diesbezügliche, für NRW geltende VO vom 27.11.1996 (GVBl. 1996, 519) ist jedoch nach dem Gutachten des DNotI vom Juli 2010 (zitiert bei #17) am 31.12.2009 außer Kraft getreten.

    Eben. Wenn man meint, dass es grundsätzlich Ausnahmen vom Beleihungsverbot geben sollte, dann mag man diese (so wie früher) gesetzlich normieren. Zeit genug wäre gewesen.
    Den Gesetzestext halte ich da doch für ganz eindeutig. Dies umso mehr, als die vom IM aufgeführten Bedingungen unter denen § 87 GO nicht zutreffen soll, m. E. nicht der Prüfung des Grundbuchamtes unterliegen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -


  • Die diesbezügliche, für NRW geltende VO vom 27.11.1996 (GVBl. 1996, 519) ist jedoch nach dem Gutachten des DNotI vom Juli 2010 (zitiert bei #17) am 31.12.2009 außer Kraft getreten.

    Eben. Wenn man meint, dass es grundsätzlich Ausnahmen vom Beleihungsverbot geben sollte, dann mag man diese (so wie früher) gesetzlich normieren. Zeit genug wäre gewesen.
    Den Gesetzestext halte ich da doch für ganz eindeutig. Dies umso mehr, als die vom IM aufgeführten Bedingungen unter denen § 87 GO nicht zutreffen soll, m. E. nicht der Prüfung des Grundbuchamtes unterliegen.

    DAS gebe ich den Notaren auch immer zu bedenken. Der letzte meinte dann, ob ich denn ernsthaft glauben würden, der Gesetzgeber wisse immer was er tue! :eek:
    Natürlich glaube ich das nicht, aber ich sehe auch nicht die Notwendigkeit, das Gesetz auszulegen, wo es nix auszulegen gibt. Vielen Dank auch an Prinz für die ausführlichen Hinweise und Zitate!! :daumenrau

    Grüße aus dem Rheinischen
     Bee
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    Max Frisch

  • DAS gebe ich den Notaren auch immer zu bedenken. Der letzte meinte dann, ob ich denn ernsthaft glauben würden, der Gesetzgeber wisse immer was er tue! :eek:


    Ich habe mir bei diversen Diskussionen in der letzten Zeit manches Mal gedacht, warum wir Rechtspfleger angesichts persönlich erschienener Eigentümer mit Ausweis in der Tasche eigentlich so stur an der öffentlichen Beglaubigung der Eigentümerzustimmung nach § 27 GBO festhalten, wenn das Gesetz doch eh "zielgerichtet ausgelegt" werden muss oder ohnehin völlig egal ist.

    Ob wir hierauf von einem Notar eine Antwort bekämen?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

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