Aufteilung nach WEG bei bestehendem Grenzüberbau

  • Ich habe folgendes Problem zur Vorabprüfung, ob Aufteilung nach dem WEG möglich ist, auf den Tisch bekommen:

    Hofstelle und bestehender Anbau befinden sich auf einem Flurstück. Dieses wurde geteilt, damit der Anbau in WEG aufgeteilt werden kann. Nun ist man wohl beim Notar darauf gestossen, dass sich im Dachgeschoß 2 Räume der Wohnung Nr. 2 jenseits der Grundstücksgrenze befinden, sozusagen in die bestehende Hofstelle hineingebaut wurden. Dienstbarkeiten wurden bisher keine bestellt, da es bis vor kurzen ja ein Flurstück war.

    Nun meine Bedenken und meine Frage: Ist es in diesem Fall überhaupt möglich, WEG auf dem Nachbargrundstück zu begründen, da es sich um 2 Räume einer Wohnung handelt? Bzgl. TG hab ich in der Literatur etwas gefunden, aber für meinen Fall...

    Hoffe, es kann mir jemand weiterhelfen!:oops:

  • Den Fall hatte ich auch noch nicht, aber wenn ich die nachfolgenden BGH-Entscheidungen zugrundelege, ist ein Eigengrenzüberbau auch mit einzelnen Räumen möglich.

    Fall1: Zimmer im OG ragt „hinüber“:
    Wird ein Grundstück in der Weise aufgeteilt, daß aus einem aufstehenden Gebäude zwei selbständige Gebäude entstehen und ein Teil eines Gebäudes in das Nachbargrundstück hineinragt, so bleibt dieser Teil mit dem Eigentum an dem Gebäude, dessen wesentlicher Bestandteil er ist, verbunden (Ergänzung zu BGHZ 64, BGHZ Band 64 Seite 333 zur Fussnote 1).
    BGH, Urteil vom 4. 12. 1987 - V ZR 274/86 = DNotZ 1988, 570 = Rpfleger 1988, 245 (wie OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 397)

    Fall 2 = Wohn- und Schlafzimmer im 1. OG von ca. 40 m² in fremdes Grundstück hineinragend:

    a) Die Grundsätze des Eigengrenzüberbaus können auch dazu führen, dass eines von mehreren Geschossen eines Hauses als übergebauter Gebäudeteil anzusehen ist, der dem Gebäude und der darunter liegenden Grundstücksfläche zugehörig ist, von der aus übergebaut ist.
    b) Veräußert in einem solchen Fall der Eigentümer des übergebauten Gebäudeteils das darunter liegende Grundstück, so kann im Regelfall nicht angenommen werden, dass sich die Übertragung auch auf den übergebauten Teil erstreckt; anderenfalls wäre die Übertragung insgesamt unwirksam.
    BGH, Urteil vom 12. 10. 2001 - V ZR 268/00 = DNotZ 2002, 290

    Fall 3: Wird ein Grundstück in der Weise geteilt, dass Räume eines aufstehenden Gebäudes von der Grenze der beiden neu gebildeten Grundstücke durchschnitten werden, sind diese wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem das Gebäude steht, welchem die Räume bei natürlicher Betrachtung zuzuordnen sind. Der Wille der Beteiligten, die von der Grundstücksgrenze durchschnittenen Räume eigentumsmäßig beiden Grundstücken zuzuordnen, ist demgegenüber unbeachtlich.
    BGH, Urt. v. 10. 10. 2003 - V ZR 96/03 = BeckRS 2003, 10178 = Rpfleger 2004, 155

    Fall 4:
    1….
    2. Wurden zwei Grundstücke in der Weise bebaut, dass einzelne Geschosse der beiden aufstehenden Gebäude zum Teil in das jeweilige Nachbargrundstück hineinragen (verschachtelte Bauweise), und bildet jedes Geschoss bei natürlich-wirtschaftlicher Betrachtung insgesamt eine Einheit mit einem der beiden Gebäude, sind die übergebauten Räume wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem das Gebäude steht, welchem das Geschoss zuzuordnen ist (Fortführung von Senat, BGHZ 102, BGHZ Band 102 Seite 311 = NJW 1988, NJW Jahr 1988 Seite 1078).
    3…
    4…
    BGH, Urteil vom 15. 2. 2008 - V ZR 222/06 (OLG Koblenz) = NZM 2008, 334


    Folge ich der Entscheidung des OLG Düsseldorf, DNotI-Report 3/2002, 21:

    Vereinbarung über Eigentum bei gestattetem Überbau
    1. Der gemäß § 912 BGB – also rechtswidrig – hinübergebaute Gebäudeteil fällt in das Eigentum des Bauenden.
    2. Entsprechendes gilt – erst recht – bei einer vom Nachbarn
    gestatteten und damit rechtmäßigen Grenzüberschreitung.
    3. In beiden Fallen können jedoch die Beteiligten die
    Rechtsfolge des Überbaus abweichend festlegen.
    OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.2.2001 – 9 U 178/00

    http://www.dnoti.de/Archive/DNotI_Report/2002/rep032002.pdf

    dann müssten Vereinbarungen darüber möglich sein, dass die hinübergebauten Räume wesentliche Bestandteile des in Wohnungseigentum aufzuteilenden Grundstücks sind.

    Vor Begründung von Wohnungseigentum müsste damit der Überbau durch Grunddienstbarkeit abgesichert werden (s. DNotI-Report 1/2007, 1 ff)

    http://www.dnoti.de/Archive/DNotI_Report/2007/rep012007.pdf

    Aber, wie gesagt, ich hatte diese Konstellation noch nicht.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für die schnelle Antwort.

    So wie ich das jetzt verstanden habe, ist eine Aufteilung in WEG möglich, da die beiden Räume im OG wirtschaftlich zum Gebäude auf dem Nachbargrundstück gehören. Sozusagen entschuldigter Überbau bzw. Eigengrenzüberbau gem. § 912 BGB.

    Muß nun dieser Überbau durch eine Dienstbarkeit abgesichert werden?

  • Neuer Fall:

    Vor kurzem habe ich eine Aufteilung in Wohnungseigentum gemäß § 8 WEG eingetragen. Es handelt sich um 5 Miteigentumsanteile mit jeweils einer Wohnung und einer Garage. Nach der Teilungserklärung ist die Bebauung bereits erfolgt.
    Nach Eintragung des Wohnungseigentums ist einem anderen Notar bei Entwurf eines Kaufvertrages aufgefallen, dass eine Garage (Nr.5) nicht auf dem Hausgrundstück steht, sondern auf dem Nachbargrundstück, einer Privatstraße (Sackgasse). Bei genauer Betrachtung des Lageplans ist dieses auch erkennbar, die Straße führt danach geradewegs in die Garage. Dies ist mir zuvor nicht aufgefallen. Ich kann allerdings nicht erkennen, ob die ganze Garage Nr. 5 auf dem Straßengrundstück steht oder nur der größte Teil oder möglicherweise auch noch etwas von der nächsten Garage in das Straßengrundstück hineinragt. Nach dem Grundriss hat jede Garage eine Trennmauer zur Nachbargarage, ob diese Trennmauer aber genau auf der Grundstücksgrenze steht, kann ich nicht erkennen. Beide Grundstücke gehören derselben Eigentümerin.


    Falls es sich also um ein einheitliches Bauwerk sämtlicher Garagen handelt, dann liegt ein Eigentümergrenzüberbau vor. In diesem Falle ist der gesamte Garagenkomplex, einschließlich der Garage Nr. 5, zum wesentlichen Bestandteil des Hausgrundstücks geworden. Dies hat zur Folge, dass an allen Garagen wirksam Sondereigentum begründet worden ist.
    Sollte aber die Garage 5 als selbständiges Bauwerk angesehen werden können, welches man abreißen könnte, ohne die übrigen zu beeinträchtigen, dann funktioniert das mit der Erstreckung des überstehenden Gebäudes zum wesentlichen Bestandteil des Nachbargrundstücks nicht. In diesem Fall ist dann kein Sondereigentum an dem Überbau entstanden.
    Wie seht Ihr die weiteren Prüfungspflichten des Grundbuchamtes?.

    Ich wollte einen entsprechenden Aktenvermerk fertigen und ihn der Eigentümerin nebst beiden Notariaten zur Kenntnisnahme übermitteln. Das Wohnungseigentum würde ich aber so lassen, da die wirksame Begründung von Sondereigentum möglich ist.

  • Wenn ich nicht erkannt hätte, dass sich aus dem Lageplan ein Überbau ergibt und die Möglichkeit besteht, dass das SE an der Garage nicht entstanden ist, weil es sich bei dem überbauten Teil nicht um ein einheitliches Bauwerk handelt, s.
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1052188
    dann würde ich es nicht bei einem Aktenvermerk und der Mitteilung darüber an den Notar und die Eigentümerin belassen wollen.

    Zwar kann kein isolierter MEA entstehen, weil der MEA nach wie vor mit SE verbunden ist, wenn auch nur an der Wohnung und nicht an der Garage. Hinsichtlich der Darstellung des SE an der Garage wäre das GB aber unrichtig. Die Berichtigung ist zwar Sache der Beteiligten. Ich würde mich aber zunächst einmal verlässigen wollen, ob diese GB-Unrichtigkeit überhaupt gegeben ist. Dies deshalb, weil es für künftige Eintragungen an dem betreffenden Objekt auch um die Frage der Voreintragung geht. Seinerzeit habe ich dazu ausgeführt,
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…365#post1045365

    § 39 Absatz 1 GBO verlangt die Voreintragung des (weiter verfügenden) Eigentümers in allen seinen Rechtsbeziehungen (Bauer in Bauer/von Oefele, Grundbuchordnung, 2. Auflage 2006 § 39 GBO RN 32 ff). Die Voreintragung ist nur fortschreibungsfähig, wenn sie das Recht (hier: das Vollrecht Eigentum) in allen seinen Bestandteilen enthält, die es nach dem Gesetz kennzeichnen. Dem genügt eine inhaltlich unzulässig oder unvollständige Eintragung nicht (Bauer.. RN 32 sowie Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Auflage, 2008, RN 137 m.w.N. in Fußn. 5). Also muss die Voreintragung das betroffene Recht richtig zum Ausdruck bringen (Bauer…RN 35). Entspricht vorliegend das im Grundbuch ausgewiesene Sondereigentum an den Garagen nicht der Rechtswirklichkeit, weil nach dieser Rechtswirklichkeit Sondereigentum im Rahmen der planwidrigen Bebauung entstanden ist, müsste zum einen der Aufteilungsplan (BayObLG, DNotZ 1989, 779 und WE 1997, 73/74 = NJWE-MietR 1996, 248-250 = WuM 1996, 491-493 mit weit. Nachw.) und zum anderen das Grundbuch vor jeder weiteren Eintragung berichtigt werden…“ (Anmerkung: die im Link weiter erwähnte, in der obergerichtlichen Rechtsprechung verbreitete Auffassung, Sondereigentum entstehe ausnahmsweise in den von der tatsächlichen Bauausführung vorgegebenen Grenzen, wenn diese nur unwesentlich vom Aufteilungsplan abweiche, hat der BGH im Übrigen abgelehnt; s. OLG Düsseldorf 3. Zivilsenat, Beschluss vom 17.06.2016, 3 Wx 282/15 unter Zitat BGH NJW 2016, 473 ff. m.w.Nachw.; BGH ZMR 2013, 452 f.).

    Also würde ich zunächst einmal bei den Beteiligten (und ggf. dem Vermessungsamt) Rückfrage halten wollen, ob es sich bei dem auf das Straßengrundstück hinübergebauten Teil der Garage um ein eigenständiges Bauwerk oder um einen Bestandteil des Garagenkomplexes handelt.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Danke, Prinz. Die Idee mit der wiederherzustellenden Grundbuchrichtigkeit im Wege der Voreintragung finde ich sehr gut!

    Ich habe bei dem Bauamt nachgefragt, ob dort Baugenehmigungen etc. vorliegen. Dort hat man einen alten Bauantrag für ein 5-Familienhaus mit 4 Garagen gefunden. Die Bearbeiterin wird noch nach der 5. Garage suchen und mir Ablichtungen der Unterlagen schicken. Wenn sich daraus ergibt, dass die vier Garagen bis zur Grundstücksgrenze gebaut worden sind, dann muss die 5. Garage ja selbständig auf dem anderen Grundstück stehen. Ich werde dann die Eigentümerin anhören und auf den falschen Grundbuchstand und das Erfordernis der Berichtigung hinweisen. Da die 5. Garage ja auch Gemeinschaftseigentum enthält (z.B. Außenmauern) gehe ich davon aus, dass sich die Grundbuchunrichtigkeit auf sämtliche Blätter bezieht und überall die richtige Voreintragung erfolgen muss.

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