Unwirksamkeitserklärung § 35, ex nunc oder -tunc?

  • Hallo Zusammen,

    zunächst hoffe ich mal, dass ich als Nicht-Rechtspfleger oder -Anwalt hier überhaupt mitmachen darf ;)

    Falls ja, hätte ich da folgenden Fall:

    Schuldner befindet sich in der Regelinsolvenz. Seine selbständige Tätigkeit ist seit 2 Jahren vom IV freigegeben. Jetzt entwickelt er eine Geschäftsidee und gründet mit Partnern eine GmbH. Die Stammeinlage zahlt er unzweifelhaft aus den Erträgen der selbst. Tätigkeit. Die Sache boomt und kurz drauf steigt ein Investor in die GmbH mit ein.

    Das kriegen die Gläubiger mit und führen einen Unwirksamkeitsbeschluss gem.§ 35 Abs. 2 S. 3 InsO herbei. Und jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob dieser Beschluss ex tunc oder ex nunc gilt. Bei ex tunc würden die Anteile in die Masse fallen und der Schuldner (nebst Investor) dumm gucken. Bei ex nunc hätten die Gläubiger nix von dem Beschluss, da die Anteile m.E. beim Schuldner bleiben. Geld (Ausschüttungen) aus der Beteiligung wird es in den nächsten Jahren nicht geben, da erstmal das Wachstum finanziert werden muß und keine ausschüttungsfähigen Überschüsse entstehen.

    Die Literatur ist wohl überwiegend der Meinung, der Beschluss gilt ex nunc. Der Hamburger Kommentar sieht das wohl anders. Rechtsprechung habe ich nur vom AG Duisburg gefunden (60 IN 26/09). Dieses ist für ex nunc.

    Andere Frage: Angenommen, das Gericht spricht sich in dem Beschluss für ex tunc aus: Hat der Schuldner eine Möglichkeit sich zu wehren? Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss sieht die InsO ja nicht vor (§ 6 InsO).

    Hat jemand Erfahrung oder weiss näheres?

    Danke und Gruß

    Brenner

  • schon allein wegen der Rechtssicherheit würde ich mich für ex nunc entscheiden.

    Spannender ist aber die Frage, ob dies zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch möglich ist.

    Dritter Punkt wäre, ob es eines solchen Beschlusses überhaupt bedarf.
    Freigegeben ist die Tätigkeit des Schuldners als Kirschenentkerner
    Wenn er jetzt eine GmbH zur maschinellen Kirschentkernung gründet, stellt sich die Frage, ob die daraus erwachsenden
    Erträge überhaupt unter die Freigabe fallen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Es gibt Schuldnertätigkeiten vor der Insolvenz, die mit "Bauchladen/macht alles" zu umschreiben sind. Dann gibt es manchmals dazu agierende IV, die in keiner Unterlage die "freigegebene" Tätigkeit näher bezeichnen. Dann ist m.E. "ALLES" freigegeben.
    Kirschkerne mit der Hand aus der kirsche holen sowie die Maschine entwicklen und vermarkten.

  • als geklärt kann die Frage der Kassationswirkung nicht wirklich konstatiert werden. M.E. eher ex nunc, da sich die Rechtsverhältnisse zwischen zunächst wirksamer Freigabe und sodann kassierter Freigabe nicht mehr sinnvoll regeln ließen.
    In vorliegendem Falle würde ich mal einen Blick auf die Zeitpunkte von Eröffnung und Freigabe werfen (war vielleicht die Frage der Freigabe TOP im Eröffnungsbeschluss ? ) was mich noch interessieren würde: wie kam es zur Kassation der Freigabe ? wie stellte sich der IV dazu in der GLV u.s.w. ....

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    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Vielen Dank schonmal für die Antworten!

    Spannender ist aber die Frage, ob dies zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch möglich ist.

    Eine Frist für die Unwirksamkeitserklärung soll es wohl nicht geben. D.h., die Gläubigerversammlung kann das irgendwann noch beschließen. Was natürlich für eine Wirkung in die Zukunft spricht, alles andere wäre ja völlig daneben. Aber was heißt das schon...

    Zitat

    Dritter Punkt wäre, ob es eines solchen Beschlusses überhaupt bedarf.


    Auch das ist wohl sehr strittig. Lt. Wischmeyer, ZInsO 2009, S. 2121ff soll sich die Erklärung des IV auf die gesamte Tätigkeit beziehen, egal ober der Schuldner dann was anderes macht. Entschieden ist das m.W. aber noch nicht. In meinem Fall umfasste die Gewerbeanmeldung vor Freigabe aber nahezu alle Tätigkeiten, auch die um die es jetzt geht.

    Zitat

    Wenn er jetzt eine GmbH zur maschinellen Kirschentkernung gründet, stellt sich die Frage, ob die daraus erwachsenden
    Erträge überhaupt unter die Freigabe fallen.

    Die Erträge sind nicht das Problem, sondern die Anteile selber. Wenn er die Anteile aus den freigegebenen Einkünften erworben hat, dann gehören die m.E. unzweifelhaft zum insolvenzfreien Vermögen. Würde er sich eine Segelyacht kaufen, hätte die Masse darauf m.E. ja auch keinen Zugriff. Außer über eine Unwirksamkeitserklärung mit Rückwirkung.

    Zitat von Defaitist

    was mich noch interessieren würde: wie kam es zur Kassation der Freigabe ? wie stellte sich der IV dazu in der GLV u.s.w. ....

    Bislang kam es noch nicht dazu. Es geht vorerst um die Frage des "was tun?" und damit verbunden um eine Risikoeinschätzung. Das Problem ist, dass der IV scheinbar das Verfahren ewig offen halten will und der Mandant nicht bis zur Aufhebung warten kann.

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