Antrag des Notars unter Maßgabe einer Zeitbestimmung

  • Hallo,

    im Grundbuch ist ein Nießbrauch für X eingetragen. Löschbar bei Todesnachweis. Nunmehr reicht der Notar folgende Bewilligung des Begünstigten ein: Die Löschung des Nießbrauchs wird aufschiebend befristet zum 31.12.2016. Der Notar beantragt die Löschung des Rechts zum 01.01.2017.

    Der Antrag gilt doch eigentlich erst mit Erreichen des Zeitpunktes als gestellt, wenn über ihn erst von einem bestimmten Zeitpunkt an entschieden werden soll. Würdet ihr diesen Antrag nun verfristen?

  • Der Antrag steht unter einem nach § 16 GBO unzulässigen Vorbehalt, nämlich dem des Fristablaufs. Zudem ist die Befristung bei dem Nießbrauch noch gar nicht eingetragen. Die nachträgliche Befristung eines dinglichen Rechts wird von der herrschenden Meinung nicht als Teillöschung des Rechts angesehen (so Munzig in Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht, 6. Auflage 2006, § 19 GBO RN 79), sondern wie eine Inhaltsänderung behandelt (KG, JFG 13, 75/77 = JW 1935, 3235/3236; Kohler in Münchener Kommentar, BGB 5. Auflage 2009, § 877 RN 6; Palandt/Bassenge, BGB, 71. Auflage 2012, § 877 RN 4; Vieweg in juris-PK-BGB, 5. Auflage 2010, § 877 BGB RN 6; Gursky in Staudinger, BGB Bearbeitung 2007, § 877 RNrn. 30, 39 mit weit. Nachw.). Daher bedarf sie der Eintragung.

    Ich würde die Zurückweisung ankündigen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • In diesem Fall also Gewährung rechtlichen Gehörs mit der (unausgesprochenen) Bitte um Antragsrücknahme? ;)

    Ich würde umgehend zurückweisen.

  • Von einer Bitte, den Antrag zurückzunehmen, war nicht die Rede. Vielmehr besteht innerhalb der Anhörungsfrist Gelegenheit, den Antrag zurückzunehmen. Damit ist dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG, Demharter, § 81 RN 17 ff) Genüge getan. Wird der Antrag sofort zurückgewiesen, kann der Notar den Anhörungsmangel im Beschwerdeweg rügen.

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  • Wie wäre denn der Mangel behebbar? Gar nicht. Also wozu rechtliches Gehör in diesem Fall? Wenn der Notar das Fehlen desselben bei einer sofortigen Zurückweisung rügen möchte, bitte.

  • Es geht nicht darum, dass der Mangel ohnehin nicht rückwirkend zu beheben ist, sondern um die Kostenfrage. Wenn der Notar im Rahmen der Anhörung Gelegenheit hat, den Eintragungsantrag zurückzunehmen, entstehen die geringeren Gebühren des § 130 II KostO. Der Umstand, dass den Beteiligten die höheren Gebühren des § 130 I KostO in Rechnung gestellt werden, kann durchaus zur Anhörungsrüge führen.

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  • Das leuchtet mir nicht ein. Ich muss doch nicht, nur weil bei einer Zurücknahme nach Anhörung geringere Gebühren entstehen, dem Notar die Möglichkeit geben, seinen - nicht vollziehbaren, mit nicht behebbaren Mängeln behafteten - Antrag zurückzunehmen anstatt ihn sogleich zurückzuweisen.

  • Der Notar hat den für die Beteiligten (die ja letztlich die Kosten zu tragen haben) kostengünstigsten Weg einzuschlagen. Daher halte ich es für geboten, ihm vor der Antragszurückweisung Gelegenheit zur Antragsrücknahme zu geben.

    Dahin tendiert auch die neuere Rechtsprechung. S. z. B. OLG Schleswig, FGPrax 2010, 82:
    „…Dementsprechend ist kein Raum dafür, mittels einer Rang wahrenden Zwischenverfügung im Sinne des § 18 GBO Berichtigungsbewilligungen anzufordern. Das Grundbuchamt hätte seine Bedenken hinsichtlich der Führung des Unrichtigkeitsnachweises im Sinne des § 22 GBO mittels eines formlosen Hinweises zur Verfahrensförderung zum Ausdruck bringen müssen, um dem Bet. zu 1. vor einer sofortigen Zurückweisung des Antrages Gelegenheit zu geben, diesen entweder zurückzunehmen oder doch noch Löschungsbewilligungen nebst Erbschein einzureichen.

    Lorbacher, Vors. Richter am OLG München, merkt dazu unter Hinweis auch auf die mit der Antragszurückweisung verbundenen Gebühren an:

    …“Es erscheint dann mit dem OLG Schleswig konsequenter, verfahrensrechtlich einen formlosen Hinweis durch das Grundbuchamt vor Erlass einer ablehnenden Entscheidung in den Raum zu stellen. Ob derartige Hinweise außerhalb vollstreckungsrechtlicher Eintragungshindernisse (BGHZ 27, S. 310; Wilke in Bauer/von Oefele, aaO, § 18 Rn. 8) grundbuchverfahrensrechtlich zulässig sind, ist zwar ebenfalls strittig (grundsätzlich verneinend Meikel/Böttcher, aaO, § 18 Rn. 23; grundsätzlich bejahend Schöner/Stöber, aaO, Rn. 445); sie kommen aber mit der Zwischenverfügung nach § 18 Absatz 1 GBO jedenfalls dort nicht in Konflikt, wo diese gesetzlich ausgeschlossen ist. Bleiben für den Adressaten keine Zweifel hinsichtlich der rechtlichen Tragweite eines solchen Hinweises – wie er dem OLG Schleswig vor Augen schwebt –, erscheint dieser Weg gangbar (enger BayObLG, NJW-RR 1993, S. 530/531) und unter Abwägung der grundbuchrechtlichen Belange mit dem Interesse des Ast. an einer fairen Verfahrensgestaltung im Regelfalle auch angemessen.

    Ds OLG München, Beschluss vom 20.09.2011, 34 Wx 373/11 = BeckRS 2011, 24206, hat dies offen gelassen…“Es kann in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob eine vom Grundbuchamt beabsichtigte sofortige Antragszurückweisung einen vorherigen rechtlichen Hinweis entsprechend § 139 ZPO geboten hätte (dazu OLG Schleswig FGPrax 2010, 282m. Anm. Lorbacher)…“

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  • Der Notar hat den für die Beteiligten (die ja letztlich die Kosten zu tragen haben) kostengünstigsten Weg einzuschlagen. Daher halte ich es für geboten, ihm vor der Antragszurückweisung Gelegenheit zur Antragsrücknahme zu geben.

    Schlimm genug, dass der Notar nicht zu wissen scheint, ob er überhaupt vollzugsreife ANträge stellt.

    [quote=Prinz9Dahin tendiert auch die neuere Rechtsprechung. S. z. B. OLG Schleswig, FGPrax 2010, 82:
    „…Dementsprechend ist kein Raum dafür, mittels einer Rang wahrenden Zwischenverfügung im Sinne des § 18 GBO Berichtigungsbewilligungen anzufordern. Das [I]Grundbuchamt [/I]hätte seine Bedenken hinsichtlich der Führung des Unrichtigkeitsnachweises im Sinne des § 22 GBO mittels eines formlosen Hinweises zur Verfahrensförderung zum Ausdruck bringen müssen, um dem Bet. zu 1. vor einer sofortigen Zurückweisung des Antrages Gelegenheit zu geben, diesen entweder zurückzunehmen oder doch noch Löschungsbewilligungen nebst Erbschein einzureichen.[/quote] Bleibt die Frage: Muss ich - wenn ich von Unsinn ausgehe - dennoch die Möglichkeit eröffnen, den Antrag zurücknehmen zu können?

    Zitat von Prinz

    Lorbacher, Vors. Richter am OLG München, merkt dazu unter Hinweis auch auf die mit der Antragszurückweisung verbundenen Gebühren an:

    …“Es erscheint dann mit dem OLG Schleswig konsequenter, verfahrensrechtlich einen formlosen Hinweis durch das Grundbuchamt vor Erlass einer ablehnenden Entscheidung in den Raum zu stellen. Ob derartige Hinweise außerhalb vollstreckungsrechtlicher Eintragungshindernisse (BGHZ 27, S. 310; Wilke in Bauer/von Oefele, aaO, § 18 Rn. 8) grundbuchverfahrensrechtlich zulässig sind, ist zwar ebenfalls strittig (grundsätzlich verneinend Meikel/Böttcher, aaO, § 18 Rn. 23; grundsätzlich bejahend Schöner/Stöber, aaO, Rn. 445); sie kommen aber mit der Zwischenverfügung nach § 18 Absatz 1 GBO jedenfalls dort nicht in Konflikt, wo diese gesetzlich ausgeschlossen ist. Bleiben für den Adressaten keine Zweifel hinsichtlich der rechtlichen Tragweite eines solchen Hinweises – wie er dem OLG Schleswig vor Augen schwebt –, erscheint dieser Weg gangbar (enger BayObLG, NJW-RR 1993, S. 530/531) und unter Abwägung der grundbuchrechtlichen Belange mit dem Interesse des Ast. an einer fairen Verfahrensgestaltung im Regelfalle auch angemessen.

    Ds OLG München, Beschluss vom 20.09.2011, 34 Wx 373/11 = BeckRS 2011, 24206, hat dies offen gelassen…“Es kann in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob eine vom Grundbuchamt beabsichtigte sofortige Antragszurückweisung einen vorherigen rechtlichen Hinweis entsprechend § 139 ZPO geboten hätte (dazu OLG Schleswig FGPrax 2010, 282m. Anm. Lorbacher)…“

    Ganz ehrlich: Es ist schon schlimm genug, notarielle Urkunden manigfaltig beanstanden zu müssen, aber nun auch noch höflichst Rücknahme anheim stellen, das ist wirklich... zu viel.

    Aber ich finde es ja auch schon abartig, als RPfl. Urkunden von VOLLjuristen prüfen zu müssen und - natürlich - beanstanden zu müssen. Aber nun auch noch Antragsrücknahme wegen Unsicherheit... *kopfschüttel*

  • Bedenke aber, dass die Grundrechte auch im Grundbuchverfahren gelten.

    Holzer führt dazu im Beck´schen-online-Kommentar zur GBO in RNern 118, 119 aus:

    ..“… Sofern die Gehörsgewährung im Grundbuchverfahren über diese speziellen Regelungen hinausgeht, ist nach wie vor auf Art 103 Abs 1 GG zurückzugreifen (Demharter GBO § 1 Rn 48), der in allen Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Geltung beansprucht (BVerfG MDR 1995, 819; BGH Rpfleger 1989, 107; Holzer/Holzer FamFG § 28 Rn 3, 8 f; Ertl Rpfleger 1980, 1, 9). Das gilt auch, soweit im Grundbuchverfahren der Rechtspfleger funktionell zuständig ist..“ (es folgen Erläuterungen dazu).

    Demharter führt in § 1 RN 49 aus, dass die Grundsätze der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht nur gelten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, sondern auch bei Zurückweisung oder Zwischenverfügung. Desgleichen in seiner Buchbesprechung, FGPrax 2004, 262/363: “…Dass auch im Grundbuchverfahren rechtliches Gehör zu gewähren ist, wird inzwischen nicht mehr in Frage gestellt. Unterschiedliche Auffassungen bestehen nur darüber, ob im Eintragungsantragsverfahren außer dem Antragsteller auch weiteren Beteiligten Gehör zu gewähren ist. Der Entscheidung des OLG Hamm (OLGZ 1965, OLGZ Jahr 1965 Seite 342), das die Frage verneint, widerspricht Böttcher (Einl. F Rn. 70). Bedeutung erlangt die Frage bei Erlass einer Zwischenverfügung und bei Antragsabweisung (Ein. F Rn. 74, 75). .“

    Dass vor der Antragszurückweisung ebenfalls rechtliches Gehör zu gewähren ist, ist auch bislang schon vertreten worden (Bergen, BWNotZ 1996, 137/143). Das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Demharter, § 77 RN 7) hat schließlich dazu geführt, dass durch das Anhörungsrügengesetz mit § 81 Absatz 3 GBO ein eigenständiger Rechtsbehelf eingeführt wurde.

    Im Beispielsfall muss der Notar nicht davon ausgehen, dass das Grundbuchamt die Ansicht vertritt, dass die nachträgliche Befristung eine Inhaltsänderun g darstellt, da auch die Ansicht vertreten wird, dass sie als Teillöschung des Rechts anzusehen ist (s. KEHE/Munzig § 19 GBO RN 79). Also ist er auf die Konsequenzen aus der gegenteiligen Auffassung hinzuweisen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Ich handhabe es wie Prinz und bin damit bisher gut gefahren. Nicht nur, dass es ich so für fairer halte - Fehler können schließlich überall mal passieren. Es ist auch so, dass man sich oft die Arbeit der Zurückweisung spart.

    Ulf

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