Vorerbe oder Nacherbe? Surrogation?!

  • Folgender Fall beschäftigt mich schon seit einerWeile:
    Ursprünglich eingetragen waren zwei Brüder, an die das Grundstück imWege der Vermächtniserfüllung zu je ½ Anteil aufgelassen wurde. Die Erbeinsetzungaller Kinder (zwei weitere Geschwister vorhanden) erfolgte unter Anordnung vonVor- und Nacherbschaft. Diese gilt nach dem Testament auch für das Vermächtnis,so dass ein entsprechender Nacherbenvermerk im Grundbuch eingetragen ist.(Nacherben sind „die leiblichen ehelichen Abkömmlinge“ des jeweiligen Vorerben.Der Nacherbfall tritt ein mit dem Tod eines jeden Vorerben.
    Nun hat vor einiger Zeit der eine Bruder seinen ½ Anteil auf seinen(seinerzeit einzigen ehelichen) Sohn, nennen wir ihn Horst, übertragen. Dieserhat den Nacherbenvermerk „übernommen“.

    In einem anderen Grundbuch ist Horst Eigentümer zu ½ Anteil. Er und einweiterer Enkel des Erblassers, der soll jetzt mal Kurt heißen, haben diesen Grundbesitzvon ihrem Großvater bekommen. Dieser hatte zunächst ein entsprechendesVermächtnis zugewendet, aber dann doch zu Lebzeiten die Auflassung an die Enkelerklärt.

    Nun sind Horst und Kurt übereingekommen, ihren jeweiligen ½ Anteil zutauschen. Horst würde dann in dem letztgenannten Grundbuch Alleineigentümer undKurt würde den Anteil an dem mit Nacherbenvermerk belasteten Grundbesitzerhalten.
    Im Vertrag „übernimmt“ Kurt den Nacherbenvermerk.

    Der Notar hat im Vertrag wegen der relativen Unwirksamkeit vonÜbertragungen bei Vor- und Nacherbschaft ausdrücklich über die „erheblichen“Rechtsfolgen dieser Übertragung belehrt und dann den Hinweis aufgenommen, dass dieBeteiligten die Beurkundung gleichwohl in dieser Form wünschen.

    Weiterhin erklären die Beteiligten noch, dass die Anteile jeweils dengleichen Wert haben. Dabei ist das eine Grundstück (mit Nacherbenvermerk) fast 3500m² groß, das andere dagegen nur etwas mehr als 1000 m², beides Gebäude- undFreifläche.

    Ich steh da etwas ratlos, habe schon viel zu Surrogation gelesen und zurunentgeltlichen Verfügung von Vorerben. Ich habe ja aber gar keinen Vorerben,sondern einen Nacherben, der hier handelt. Gleichwohl lastet derNacherbenvermerk eben auf dem übertragenen Anteil und ich neige dazu, dass ichmit dem Anteil des Horst den Nacherbenvermerk in das andere Grundbuch übertrage. Ich habeauch Bedenken gegen die Gleichwertigkeit der Tauschobjekte.

    Eine Anhörung von Nacherben kommt, wenn überhaupt, nur im Wege einerPflegerbestellung in Betracht.

    Ich finde nicht den richtigen Zugang und seh vielleicht nur den Waldvor lauter Bäumen nicht! Irgendwelche Ideen?

    Grüße aus dem Rheinischen
     Bee
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    Jedes Wort ist falsch und wahr, das ist das Wesen des Wortes.
    Max Frisch

  • Der Nacherbenvermerk bewirkt doch keine Grundbuchsperre. Mit Eintritt des Nacherbfalls greift doch § 2113 BGB.

    Das freut doch jeden Fachanwalt für Erbrecht, wenn die Nacherben ihre Rechte einklagen müssen/wollen.

    Ich würde mir da keinen Kopf machen.

    »Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustandegekommen sind.«
    Charles de Gaulle (1890 − 1970)

  • Gehen wir historisch vor:

    Es gab vier Miterben, wobei zwei von ihnen aufgrund testamentarischer Anordnung im Wege der Auflassung als Vorausvermächtnis (oder im Wege der Teilungsanordnung, das bleibt sich gleich) ein Grundstück als Hälftemiteigentümer erhielten. Aufgrund der Erblasseranordnungen war klar, dass sich die für diese beiden Miterben angeordnete Nacherbfolge nunmehr auf das gesamte besagte Grundstück bezog, sodass der Hälftemiteigentumsanteil eines jeden der beiden Miterben der für ihn angeordneten Nacherbfolge unterlag (es sind ja zwei Nacherbfolgen). Bis dahin war jedenfalls auch in grundbuchrechtlicher Hinsicht (Nacherbenvermerk) alles in Ordnung. Jeder Hälftemiteigentumsanteil war Surrogat für die vormalige erbengemeinschaftliche Beteiligung beider Miterben, die im Übrigen für die restlichen Nachlassgegenstände fortbestand, sofern insoweit keine Erbauseinandersetzung mit den anderen beiden Miterben erfolgte.

    Nun übertrug einer der Vorerben seinen Hälftemiteigentumsanteil an seinen Sohn Horst. Da es sich nicht um eine befreite Vorerbschaft - und zudem um eine unentgeltliche Verfügung - handelte, ist diese Übertragung im Fall des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam. Gleichwohl konnte die Übertragung problemlos im Grundbuch eingetragen werden, weil der eingetragene Nacherbenvermerk (hier: der in Bezug auf den übertragenen Hälfteanteil eingetragene Vermerk) bestehen blieb.

    Nun will Horst seinen nacherbschaftsverhafteten Hälftemiteigentumsanteil gegen einen Hälftemiteigentumsanteil an einem anderen Grundstück tauschen, der Kurt zusteht und der mit dem nacherbschaftsverhafteten Nachlass nichts zu tun hat. Da der Nacherbenvermerk bestehen bleibt, kann dies unproblematisch eingetragen werden.

    Materiellrechtlich gibt es aber beim Eintritt der Nacherbfolge diverse Hemmschuhe, die den Notar auch zu seinen eindringlichen rechtlichen Belehrungen veranlassten. Denn bereits die Übertragung des besagten Hälftemiteigentumsanteil an Horst war und ist gegenüber den Nacherben unwirksam und wenn Horst diesen Hälftemiteigentumsanteil nunmehr im Wege des Tausches weiterveräußert, „läuft“ diese Unwirksamkeit weiterhin mit (eine Zustimmung hierzu durch die Nacherben steht ja überhaupt nicht in Frage).

    Damit läuft Kurt Gefahr, dass die Übertragung seines Anteils (an dem anderen Grundstück) an Horst wirksam ist, er aber sein Eigentum an dem Anteil von Horst am nacherbschaftsverhafteten Grundstück beim Eintritt des Nacherbfalls wieder verliert.

    Das ist natürlich absolutes Harakiri.

    Auf die Frage, ob die beiden Anteile gleichwertig sind, kommt es nach dem Gesagten nicht mehr an. Das Ganze wird beizeiten mächtig und mit Getöse in die Luft fliegen. Aber den Leuten ist eben nicht zu helfen, wenn sie vor diesen Gefahren trotz Belehrung die Augen verschließen.

  • Vielen Dank, Cromwell für die Aufarbeitung und die "sachdienlichen" Hinweise! Danach hatte also Katzenfisch recht - einfach eintragen....!

    Grüße aus dem Rheinischen
     Bee
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    Max Frisch

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