Trennungslösung/ Einheitslösung/ Nacherbfolge/ Vermächtnis/ Nacherbenvollstreckung?

  • Hallo Leute, ich bin bei diesem notariellen Testament echt "lost":

    I.
    Der Ehegatte, der den anderen überlebt, ist dessen Alleinerbe.

    II.
    Erben des Überlebenden sind unsere Kinder:
    a) b) c)
    und die noch etwa aus unserer Ehe hervorgehenden Kinder, und zwar zu gleichen Rechten und Anteilen. Zu Ersatzerben bestimmen wir, soweit es sich um Söhne handelt, deren eheliche Abkömmlinge, soweit es sich um Töchter handelt, deren Abkömmlinge
    III.

    Wenn der Überlebende von uns sich wieder verheiratet, hat er sich mit unseren Kindern nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge auseinanderzusetzen.
    IV.

    Der Überlebende von uns soll berechtigt sein, unter Lebenden und von Todes wegen über unser gesamtes Vermögen und unseren gesamten Nachlass völlig frei anderweitige Bestimmungen zu treffen, jedoch nur innerhalb des Kreises unserer Abkömmlinge.

    I. bis III. wären wohl Vollerbschaft bezüglich 1/2 Anteil, auflösend bedingte Vollerbschaft mit aufschiebend bedingter Nacherbschaft zu Gunsten der Kinder hinsichtlich der restlichen 1/2 Erbschaft? Doch warum steht dort nur Kinder und nicht Abkömmlinge, kann das wirklich gewollt sein, wenn von gesetzlicher Erbfolge gesprochen wird? Und mit einer V. ähnelnden Klausel hatte ich schon einmal Probleme. Wie soll ich das mit der völlig freien Verfügung unter Lebenden innerhalb des Kreises der Abkömmlinge rechtlich verstehen/lösen?

    Kann doch nicht sein, dass ich schon wieder trotz Notartestament einen Erbschein fordern muss.

  • Da ich davon ausgehe, dass es vorliegend um die Erbfolge nach dem erstverstorbenen Ehegatten geht, sind die Bestimmungen in Ziffer IV nicht von Belang, weil sie die Schlusserbfolge nach dem überlebenden Ehegatten betreffen.

    Ansonsten grundsätzlich wie von Dir dargestellt:

    Für einen 1/2-Erbteil ist bedingte Nacherbfolge angeordnet, die mit der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten eintritt. Nacherben sind die drei Kinder.

    Offen bleiben folgende Fragen:

    Ist es eine befreite Vorerbschaft, was im vorliegenden Fall wohl naheliegt, aber von einem notariellen Testament darf man erwarten, dass diese Frage ausdrücklich geregelt wird, sodass das "Schweigen" des Testaments entgegen der in Betracht kommenden Auslegung im Sinne einer befreiten Vorerbschaft auf eine nicht befreite Vorerbschaft hindeuten könnte?

    Es besteht eine Ungewissheit über die Person der Ersatznacherben, weil "nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge" zu anderen Ergebnissen führen kann als die in Ziffer II enthaltene Regelung, wo für die Frage der Ersatzerbfolge (und daher auch für die Ersatznacherbfolge?) danach unterschieden wird, ob es sich bei den Kindern um Söhne oder um Töchter handelt.

    Manchmal hat man den Eindruck dass sich die Anordnung einer Nacherbfolge und eine zutreffende notarielle Sachbearbeitung gegenseitig ausschließen.

  • Hier liegt der Fehler nicht mal so sehr in der verunglückten Vor- und Nacherbschaft, sondern darin, dass der Notar nicht in der Lage war eine vernünftige (sofern das überhaupt geht) Wiederverheiratungsklausel zu formulieren. Ich habe gerade einen Erbvertrag von Ende der 1950er Jahre vor mir liegen, der jetzt eröffnet wurde und für den Fall der Wiederverheiratung Vermächtnisse "in Höhe des Wertes der gesetzlichen Erbteile" vorsah. Ging also schon damals.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Hallo, es ist dem Überlebenden, welcher nur auflösend bedingter Vollerbe und aufschiebend bedingter Vorerbe und damit doch zu Lebzeiten beschränkt ist, aber die Verfügung unter Lebenden zu Gunsten von Abkömmlingen erlaubt und die Frage ist, wie ich dies im Grundbuch bei der Berichtigung (Abt. II, Nacherbenvermerk) umsetzen soll.

  • Selbst wenn man hier von einer befreiten Vorerbschaft ausgeht, kann über § 2136 BGB hinaus nicht befreit werden, also insbesondere nicht vom Verbot der unentgeltlichen Verfügung.

    Eine auflösende Bedingung im Sinne des Wegfalls der aufschiebend bedingt angeordneten Nacherbfolge für den Fall der lebzeitigen Verfügung ist nicht angeordnet, zumal eine solche auflösende Bedingung allenfalls für den gesamten Nachlass und nicht für einzelne Nachlassgegenstände möglich wäre (hierzu gibt es schon andere Threads). Es kommt somit im Ergebnis nicht auf die Frage an, ob man eine solche Bedingung überhaupt für zulässig hält.

    Ich sehe allerdings auch die notwendige Fragestellung, ob man einen Erbschein verlangt (wie bereits ausgeführt: Unklar, ob befreite oder nicht befreite Vorerbschaft und des weiteren unklar, wer die Ersatznacherben sind, weil insoweit widersprüchliche Anordnung). Das sind alles Auslegungsfragen, deren Beantwortung sich nicht aus gesetzlichen Auslegungsregeln ergibt und für deren Beurteilung daher grundsätzlich vorrangig das Nachlassgericht zuständig ist.

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