ärmste Hausbewohner

  • Habe ein Testament eröffnet mit dem Wortlaut:
    "... Tochter wird von der Erbschaft ausgeschlossen, weil ...
    Nach Abzug der Bestattungskosten soll der Nachlass an die ärmsten Bewohner des Hauses ... gehen."

    Der Erblasser hat zuletzt im Pflegeheim gewohnt.
    Dieses Haus ist gemeint.

    An wen übersende ich das eröffnete Testament ?
    Im Hinblick auf § 2072 BGB wohl an das Sozialamt der Stadt, geht dann wohl an die Heimbewohner, die Sozialleistungen bezogen haben. Oder ?

    Ausserdem habe ich einen Nachlaßpfleger auf Antrag des Heimes und der gesetzlichen Erben bestellt.
    Wie hat der Erbschein auszusehen ?
    Muss ein Erbschein beantragt werden oder kann Nachlaßpfleger nach Abwicklung des Nachlasses (Auskehrung der Pflichtteile pp.) das Geld/ Kontoguthaben an das Sozialamt auszahlen ???

  • Im Hinblick auf § 2072 würde ich das auch so sehen.

    Also muss die Sozialbehörde einen ES zu ihren Gunsten beantragen und später den Ertrag aus dem Nachlass intern mit den Personen, die im Heim Sozialleistungen beziehen, gleichmäßig verteilen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • So gut gemeint wie das Testament ist, im Zweifel nützt es den auf Sozialhilfe amgewiesenen Heimbewohnern überhaupt nichts.

    Zumindest bei uns funktioniert es so, dass bei einer für die Heimkosten nicht ausreichenden Rente die Sozialbehörde die Rente auf sich überleiten lässt und dafür die Heimkosten übernimmt (wenn Vermögen von < 2.600,- € vorhanden). Der Heimbewohner erhält lediglich ein monatliches Taschengeld von ca. 99,- € und muss auch erworbenes Vermögen, das den Freibetrag überschreitet, an die Sozialbehörde abführen.

    Das Testament hat also nur zur Folge, dass die Sozialbehörde eine zusätzliche Geldspritze bekommt. Hoffentlich werden dann die gesparten Gelder wenigstens für andere Bedürftige ausgegeben und nicht der Haushalt mangels Verbrauch der Mittel gekürzt.

  • Ob § 2072 BGB hier eingreift, ist fraglich. Ich würde sagen, dass die Heimbewohner das ausstreiten müssen, wer der Ärmste ist. Welcher Zeitpunkt ist denn maßgeblich die Testamentserrichtung oder der Tod? Im Zweifel müsste das Testament wohl allen damaligen und heutigen Bewohnern des Heims und ggf. deren Erben und meinetwegen auch dem Sozialleistungsträger bekannt gegeben werden. Dann wird schon irgendwer einen Erbscheinsantrag stellen.

  • 2072 trifft hier nicht zu, da die Armen hier mit einer näheren Bestimmung des Kreises bedacht wurden, und nicht die Armen allgemein.

    Ich hätte auch probleme mit dieser schwammigen erbeinsetzung, "die ärmsten" 2, 3, 5 wo zieht man die grenze? Arm im Materiellen Sinn oder die arm sind im Geiste? Das Heim selbst kann ja aufgrund HeimG nicht erbe sein, dummerweise, sonst wäre noch die Auslegung das heim mit entspr. Auflage solle erben.

    Die Auslegung, dass das Sozialamt nun erben sollte, halte ich für nicht vom Erblasserwillen getragen, untermauert a) durch vorstehende ausführungen zum Thema Überleitung auf die Staatskasse und b) durch die v.a. alten Menschen innewohnende Angst vor dem Rückgriff des Staates ins eigene oder gar das Vermögen naher Angehöriger. Das Sozialamt sollte ganz bestimmt nichts bekommen.

    Ich würde daher das Testament mangels genau bestimmten Erben als ohne wirksame Erbeinsetzung errichtet ansehen, und deshalb unter Berücksichtigung der Enterbung gesetzliche Erbfolge annehmen, evtl. belastet mit der entspr. Auflage, aber auch da wird die Unbestimmtheit sehr zu schaffen machen. Ich als gesetzlicher Erbe würde wohl nichts rausrücken (auch wenn das jetzt geizig klingen mag, ich würde keine Verpflichtung erkennen.)

  • An die Auslegung von Tyrael hatte ich auch schon gedacht, zumal nur die Tochter ausdrücklich enterbt wurde und die anderen beiden Kinder nicht erwähnt wurden.
    Den Erben habe ich erst mal nahe gelegt, sich an einen Rechtsanwalt zu wenden. Mal sehen was kommt.

    @ Papenmeier
    soll ich mir eine Liste der Heimbewohner geben lassen und allen das Testament mit Eröffnungsprotokoll zu senden ?
    Ich halte es aber für überzogen, hier sämtliche Heimbewohner anzuschreiben (auch die Selbstzahler sprich vermeintlich "Reichen")
    Das Testament wurde 2 Monate vor dem Tod errichtet.

    Einmal editiert, zuletzt von hawkwind (28. Oktober 2009 um 10:47)

  • Nach dem Gesetzestext:

    Hat der Erblasser die Armen ohne nähere Bestimmung bedacht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die öffentliche Armenkasse der Gemeinde, in deren Bezirk er seinen letzten Wohnsitz gehabt hat, unter der Auflage bedacht ist, das Zugewendete unter Arme zu verteilen.

    kann man unter Auslegung des Testaments dazu kommen, dass die Solzialbehörde Erbe wurde, jedoch die Auflage hat, das Geld bzgl. der Sozialzahlungen nicht allgemein, sondern nur für die in diesem Heim zum Todesfall wohnhaften Hilfsempfänger zu gleichen Teilen aufzuteilen.

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  • Der Erblasser hat doch sicher gewollt, dass das Erbe nicht an die ärmsten Heimbewohner geht, sondern diesen zu Gute kommt. Kann jetzt der letzte Wille des Verstorbenen wegen falscher Wortwahl im Testament nicht berücksichtigt werden?

    Zu Gute kommen könnte ja z.B. bedeuten: den ärmsten, die keine Angehörigen haben, eine gewisse Mobilität zu ermöglichen, Zimmer anstreichen oder Fernseher anschaffen uvam.

    Könnte nicht ein Vermögensverwalter eingesetzt werden, der versucht, den letzten Willen umzusetzen?

  • Zu Gute kommen könnte ja z.B. bedeuten: den ärmsten, die keine Angehörigen haben, eine gewisse Mobilität zu ermöglichen, Zimmer anstreichen oder Fernseher anschaffen uvam.

    Könnte nicht ein Vermögensverwalter eingesetzt werden, der versucht, den letzten Willen umzusetzen?



    Eben, es könnte viele Lesarten geben, wobei ausnahmslos jeder der Heiminsassen (bzw. seine Angehörigen) das Testament je zu seinen Gunsten lesen wird. Die einzige Möglichkeit die ich sehe ist eben leider per HeimG abgeschnitten.

    Evtl. (also gaanz weit kreativ gedacht) könnte der Verstorbene tats. sich das so vorgestellt haben, dass jemand kommt und dann den Nachlass verteilt, was über eine Testamentsvollstreckerkonstruktion machbar wäre, aber dafür fehlen mir wirklich die konkreten Anhaltspunkte.

  • Hat "die ärmsten Bewohner" denn zwingend eine wirtschaftliche Bedeutung? Ich meine nicht unbedingt, aber hier ist ja auch nur ein Auszug des Testaments zitiert. Arm dran sein könnte ja auch der Bewohner, dem alle Zähne - bis auf einen für Zahnweh - ausgefallen sind.

  • Hat das Pflegeheim vllt. einen Förderverein, so daß man da irgendwas machen kann (d.h. daß auf diesem Wege das Geld in irgendeiner Weise den Bewohnern zugute kommt)?

  • Also wenn ich Erbe oder Betreuer eines Heimbewohners wäre, der nichts auf dem Konto hat(te) und bei dem die Kosten schon von der Sozialhilfe getragen werden/wurden, dann würde ich einen Erbscheinsantrag stellen, dass mein Heimbewohner Alleinerbe ist und für die anderen möglichen Erben das Aufgebotsverfahren beantragen. Was dann?

    Bezüglich Information an alle: Soll es so schwer sein, eine Liste der Heimbewohner zu bekommen?

    Ich würde das Wort arm streng materiell sehen, weil es hier um die Verteilung von Vermögen geht. (Wie viel eigentlich? Lohnt sich der Aufwand?) Interessante Zusatzfrage: Wird bei null gekappt oder gewinnt derjenige mit den meisten Schulden?

  • der Richter hat nun den Erbschein erteilt für alle drei Kinder zu je 1/3 .
    Das Testament hat er als unwirksam anerkannt, weil die Unterschrift oben war und nicht unten.
    (sorry hatte ich hier im Ausgangsthema nicht erwähnt)
    Dennoch finde ich es komisch, dass der Richter niemandem ausser den Antragstellern selbst rechtliches Gehör gewährt hat.
    Heute habe ich dann die von mir geforderte Liste der Heimbewohner erhalten.
    Nun überlege ich, ob ich meiner Geschäftstelle die Arbeit machen soll, das Testament noch an alle 66 Heimbewohner zu übersenden.
    Der Nachlaßwwert beträgt ca. 45.000,- €.

  • der Richter hat nun den Erbschein erteilt für alle drei Kinder zu je 1/3 .
    Das Testament hat er als unwirksam anerkannt, weil die Unterschrift oben war und nicht unten.
    (sorry hatte ich hier im Ausgangsthema nicht erwähnt)



    Coole Richterlösung!!! :D

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  • Eine Oberschrift ist nun mal keine Unterschrift.



    Womit wiedereinmal feststeht, dass auch kleine Sachverhaltsinhalte große Wirkung haben können und von daher mit so manchem Kurzvortrags-Sachverhalt-Posting auch evtl. nur halbrichtige Antworten möglich sind...

    Trotzdem, war interessant die Sache im Hinblick auf "arme Hausbewohner" zu erörtern:D

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  • Eine Oberschrift ist nun mal keine Unterschrift.



    Womit wiedereinmal feststeht, dass auch kleine Sachverhaltsinhalte große Wirkung haben können und von daher mit so manchem Kurzvortrags-Sachverhalt-Posting auch evtl. nur halbrichtige Antworten möglich sind...

    Trotzdem, war interessant die Sache im Hinblick auf "arme Hausbewohner" zu erörtern:D



    Eben, dieses kleine aber feine Detail hätte uns nur vom Besonderen dieses Sachverhalts abgelenkt. :strecker

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