Neue Spitzfindigkeit nach § 133 InsO

  • Ich habe hier eine Argumentation die mir auch noch nicht vorgekommen ist. Ich stelle diese mal zur Diskussion:

    Die Krankenkasse beauftragt das Hauptzollamt mit der Vollstreckung. Dieses schreibt den Insolvenzschuldner an und daraufhin überweist der Schuldners (= Rechtshandlung des Schuldners) den offen stehenden KK-Beitrag.

    Argumentation der Gegenseite: Wir sind von Zwangsvollstreckung ausgegangen und damit davon, dass keine Rechtshandlung des Schuldners vorliegt. Wer aber nicht weiß, dass überhaupt eine Rechtshandlung des Schuldners vorliegt, kann auch nicht annehmen, dass diese Rechtshandlung des Schuldners die Gläubiger benachteiligt.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • nicht spitzfindig, sondern ein wenig dummdreist, weil die Folgen eines Vollstreckungsauftrages ja vorherzusehen sind: entweder freiwillige Zahlung oder Vollstreckung, quasi Schrödingers Katze.

    PS: ich habe da auch noch IX ZR 155/08 und IX ZR 13/12 im Angebot, welche zwar den Sachverhalt nicht genau treffen, man sich aber da Anregungen holen kann.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Wie man sehen kann, habe ich einen Moment leicht gezuckt. Damit dürfte die Aussage wohl mit dem Atribut "probieren geht über studieren" zu versehen sein.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wurde hier auch schon von den usual suspects probiert. Dabei hilft zwar für den Verwalter auch der obige Hinweis auf die Wissenszurechnung des Vollstreckungsorgans weiter. Das ist aber gar nicht erforderlich. Denn es kommt nicht darauf an, dass der Anfechtungsgläubiger vom "Rechtshandlungscharakter" Kenntnis hat. Subjektive Tatbestandsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO sind allein der Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis auf Seiten des Anfechtungsgegners. Die Spitzfindigkeit wird daher auch nicht auf das Gesetz, sondern allein auf die folgende missverständliche Aussage des BGH (Beschl. v. 06.02.2014 - IX ZR 148/13, Rn. 2 m.w.N.) gestützt:


    "Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und seine Kenntnis bei dem Anfechtungsgegner sind mithin auf die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners bezogen. Der Anfechtungsgegner muss zum Zeitpunkt ihrer Vornahme (§ 140 InsO) gewusst haben, dass die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt und dass der Schuldner dies auch wollte."




    Das wird nun von bestimmten Gläubigergruppen uminterpretiert und ergänzend im obigen Sinne ausgelegt, wobei aber verkannt wird, dass der BGH damit nicht die Qualität der Rechtshandlung, sondern nur deren gläubigerbenachteiligendes Ergebnis gemeint hat. So wird der folgende einschränkende Satz des BGH (Urt. v. 24.10.2013 - IX ZR 104/13, Rn. 14) gerne und oft überlesen:

    "Deshalb muss der Anfechtungsgegner auch die Rechtshandlung, welche die Gläubigerbenachteiligung ausgelöst hat, nicht in allen Einzelheiten kennen."




    Im Ergebnis: ein untauglicher Versuch.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Doch ein etwas verschrobenes Weltbild :gruebel::

    Der Anfechtungsgegner schreibt an den Insolvenzschuldner: "Bitte überweisen sie den Gesamtbetrag bis zum 17. November 2008. Anderenfalls müssen wir die Beiträge im Rahmen der Zwangsvollstreckung einziehen lassen."

    Er kommentiert in seiner Klageerwiderung: "Bei dem genannten Schreiben handelt es sich um eine freundliche Zahlungserinnerung".

    Sehr freundlich, kann ich nur sagen :D!

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Doch ein etwas verschrobenes Weltbild :gruebel::

    Der Anfechtungsgegner schreibt an den Insolvenzschuldner: "Bitte überweisen sie den Gesamtbetrag bis zum 17. November 2008. Anderenfalls müssen wir die Beiträge im Rahmen der Zwangsvollstreckung einziehen lassen."

    Er kommentiert in seiner Klageerwiderung: "Bei dem genannten Schreiben handelt es sich um eine freundliche Zahlungserinnerung".

    Sehr freundlich, kann ich nur sagen :D!

    Früher habe ich über solche Klageerwiderungen auch gelächelt. Dann wurde mir die Entscheidung 1 U 98/10 des Hans. OLG (NZB zurückgewiesen durch IX ZR 96/11) unter die Nase gerieben.

  • Hintergrund der Entscheidung IX ZR 148/13 sind Zahlungen der Schuldnerin auf eine Verbindlichkeit bei einem Dritten, für die sich der Anfechtungsgegner (Gesellschafter der Schuldnerin) verbürgt hatte, ausserhalb des Jahreszeitraumes des § 135 Abs. 2 InsO. Da der Gesellschafter nicht in die Geschäftsführung involviert war und daher keine Kenntnis von den Zahlungen hatte, soll er nach Auffassung des BGH auch keine Kenntnis von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Zahlungen gehabt haben.

    Normalerweise erfolgen Schuldnerzahlungen jedoch an Stellen, deren Kenntnis sich der Anfechtungsgegner zurechnen lassen muss.

  • Dann wurde mir die Entscheidung 1 U 98/10 des Hans. OLG unter die Nase gerieben.

    Wie aus der BGH-Entscheidung hervorgeht, hat der Kollege die Entscheidung wohl sogar als willkürlich bezeichnet.

    Meine Klageerwiderung war mit Entscheidungen des Hans. Oberlandesgerichts und der Bemerkung, dass einige Entscheidungen nicht zugänglich sind, gespickt. Das nenne ich mal fair. Ich werde mir Abschriften jetzt mal direkt vom Gericht zuschicken lassen. Dann sehen wir weiter.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Früher habe ich über solche Klageerwiderungen auch gelächelt. Dann wurde mir die Entscheidung 1 U 98/10 des Hans. OLG (NZB zurückgewiesen durch IX ZR 96/11) unter die Nase gerieben.

    Lass mal raten: Krankenkasse mit einem T am Anfang!?

    Im übrigen gilt auch an dieser Stelle: der richtige Sachvortrag macht die Musik. Denn es kommt laut BGH auf die "objektivierte Sicht des Schuldners" an, also ob dieser mit der angekündigten Vollstreckung tatsächlich rechnen musste (Urt. v. 15.05.2003 - IX ZR 194/02; Urt. v. 20.01.2011 - IX ZR 8/10). Und nachweislich wird nach einer solchen Mahnung kurzfristig auch vollstreckt, auch von der Krankenkasse mit T am Anfang. Es kommt eben darauf an, welchen Argumentationsaufwand man in den Klageverfahren betreibt.

    Meine Klageerwiderung war mit Entscheidungen des Hans. Oberlandesgerichts und der Bemerkung, dass einige Entscheidungen nicht zugänglich sind, gespickt. Das nenne ich mal fair. Ich werde mir Abschriften jetzt mal direkt vom Gericht zuschicken lassen. Dann sehen wir weiter.

    Ich melde hier gesteigertes Interesse an.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Früher habe ich über solche Klageerwiderungen auch gelächelt. Dann wurde mir die Entscheidung 1 U 98/10 des Hans. OLG (NZB zurückgewiesen durch IX ZR 96/11) unter die Nase gerieben.

    Lass mal raten: Krankenkasse mit einem T am Anfang!?

    Im übrigen gilt auch an dieser Stelle: der richtige Sachvortrag macht die Musik. Denn es kommt laut BGH auf die "objektivierte Sicht des Schuldners" an, also ob dieser mit der angekündigten Vollstreckung tatsächlich rechnen musste (Urt. v. 15.05.2003 - IX ZR 194/02; Urt. v. 20.01.2011 - IX ZR 8/10). Und nachweislich wird nach einer solchen Mahnung kurzfristig auch vollstreckt, auch von der Krankenkasse mit T am Anfang. Es kommt eben darauf an, welchen Argumentationsaufwand man in den Klageverfahren betreibt.

    Der 1. Zivilsenat des Hans. OLG geht (ebenso wie die erstinstanzliche zuständige ZK 3 des LG) davon aus, dass aus eben dieser objektivierten Sicht die Mahnschreiben nicht geeignet sind, einen Vollstreckungsdruck zu erzeugen.

  • Früher habe ich über solche Klageerwiderungen auch gelächelt. Dann wurde mir die Entscheidung 1 U 98/10 des Hans. OLG (NZB zurückgewiesen durch IX ZR 96/11) unter die Nase gerieben.

    Lass mal raten: Krankenkasse mit einem T am Anfang!?

    Im übrigen gilt auch an dieser Stelle: der richtige Sachvortrag macht die Musik. Denn es kommt laut BGH auf die "objektivierte Sicht des Schuldners" an, also ob dieser mit der angekündigten Vollstreckung tatsächlich rechnen musste (Urt. v. 15.05.2003 - IX ZR 194/02; Urt. v. 20.01.2011 - IX ZR 8/10). Und nachweislich wird nach einer solchen Mahnung kurzfristig auch vollstreckt, auch von der Krankenkasse mit T am Anfang. Es kommt eben darauf an, welchen Argumentationsaufwand man in den Klageverfahren betreibt.

    Der 1. Zivilsenat des Hans. OLG geht (ebenso wie die erstinstanzliche zuständige ZK 3 des LG) davon aus, dass aus eben dieser objektivierten Sicht die Mahnschreiben nicht geeignet sind, einen Vollstreckungsdruck zu erzeugen.

    Hallo,

    mich würde interessieren, wie denn so ein Schreiben genau ausgesehen hat. Was erzeugt denn dann Vollstreckungsdruck, wenn nicht die Ankündigung der Vollstreckung nach Ablauf einer Frist (meistens mit Termin oder nach einer Woche)? Im Übrigen denke ich schon, das der Gesamtsachverhalt eine Rolle spielt. Wenn zwischendurch der Schuldner vollstreckt worden ist - eben nach diesen Schreiben - hat er sicherlich die objektive Sicht, dass die Kasse nach dem "freundlichen Mahnschreiben" sofort die Vollstreckung einleitet. Das Hans. OLG ist nach meiner Erfahrung sehr Kassenfreundlich.

  • Der 1. Zivilsenat des Hans. OLG geht (ebenso wie die erstinstanzliche zuständige ZK 3 des LG) davon aus, dass aus eben dieser objektivierten Sicht die Mahnschreiben nicht geeignet sind, einen Vollstreckungsdruck zu erzeugen.

    Na zum Glück war ein lieber Kollege aus dem Forum heute für mich bei einem Hamburger Amtsgericht :).

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."


  • Hallo,

    mich würde interessieren, wie denn so ein Schreiben genau ausgesehen hat. Was erzeugt denn dann Vollstreckungsdruck, wenn nicht die Ankündigung der Vollstreckung nach Ablauf einer Frist (meistens mit Termin oder nach einer Woche)? Im Übrigen denke ich schon, das der Gesamtsachverhalt eine Rolle spielt. Wenn zwischendurch der Schuldner vollstreckt worden ist - eben nach diesen Schreiben - hat er sicherlich die objektive Sicht, dass die Kasse nach dem "freundlichen Mahnschreiben" sofort die Vollstreckung einleitet. Das Hans. OLG ist nach meiner Erfahrung sehr Kassenfreundlich.

    Das Schreiben der Kasse sieht regelmäßig so aus, wie in der zitierten Entscheidung ( 1 U 98/10).

    Eine später erfolgte Vollstreckung als Indiz heranzuziehen, halte ich für falsch, da man damit unter Nichtbeachtung von § 140 InsO eine ex-post-Ansicht anstellen würde.

    Na zum Glück war ein lieber Kollege aus dem Forum heute für mich bei einem Hamburger Amtsgericht :).


    Gegen die Kasse beim Amtsgericht Hamburg Mitte oder gegen die andere? Hat er schon berichtet, wie es gelaufen ist?

  • Gegen die Kasse beim Amtsgericht Hamburg Mitte oder gegen die andere? Hat er schon berichtet, wie es gelaufen ist?

    Die andere :wechlach:.

    Ich werde ihm sagen, er soll gleich direkt berichten. Bisher weiß ich nur, dass das Urteil am 01. September 2014 verkündet wird.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • [quote='james','RE: Neue Spitzfindigkeit nach § 133 InsO']
    Hallo,

    mich würde interessieren, wie denn so ein Schreiben genau ausgesehen hat. Was erzeugt denn dann Vollstreckungsdruck, wenn nicht die Ankündigung der Vollstreckung nach Ablauf einer Frist (meistens mit Termin oder nach einer Woche)? Im Übrigen denke ich schon, das der Gesamtsachverhalt eine Rolle spielt. Wenn zwischendurch der Schuldner vollstreckt worden ist - eben nach diesen Schreiben - hat er sicherlich die objektive Sicht, dass die Kasse nach dem "freundlichen Mahnschreiben" sofort die Vollstreckung einleitet. Das Hans. OLG ist nach meiner Erfahrung sehr Kassenfreundlich.

    Das Schreiben der Kasse sieht regelmäßig so aus, wie in der zitierten Entscheidung ( 1 U 98/10).

    Eine später erfolgte Vollstreckung als Indiz heranzuziehen, halte ich für falsch, da man damit unter Nichtbeachtung von § 140 InsO eine ex-post-Ansicht anstellen würde.

    OK..habe mich etwas missverständlich ausgedrückt. Normalerweise wechseln sich "Mahnungen mit Vollstreckungsandrohung" und Vollstreckungen ab. Wenn also der Schuldner nach einer "Mahnung" entsprechend vollstreckt wurde, musste er für alle weiteren davon ausgehen, dass dieses "freundliche Mahnschreiben" eben doch die kurz bevorstehende Zwangsmaßnahme ankündigt.

  • Genau das hatte ich mit "Argumentationsaufwand" gemeint. Der Schuldner kann von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen und wird künftige ZV-Ankündigungen auch so verstehen dürfen. Jedenfalls diese künftigen Mahnungen dürften dann inkongruenzbegründend sein.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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