Alles anzeigenDer Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch ist in meinen Augen eine Schenkung des Geldanspruches an den Erben. ...
Diese Sicht ist grundlegend falsch. Eine Schenkung durch Nichtstun gibt es nicht. Das Gesetz verlangt, dass der Schenker aus seinem Vermögen einen anderen bereichert. Es wird also ein aktives Tun des Schenkers erwartet. Ebenso ist die aktive Einigung des Schenkers und des Beschenkten über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung notwendig (§ 516 I BGB).
Im Rahmen der Betreuung muss man den Begriff der Schenkungen etwas weiter auslegen. Auch wenn die Nichtforderung des Pflichtteils keine Schenkung im engeren rechtlichen Sinne darstellt, ist der Betreuer doch gehalten, dem Betreuten zustehende (Vermögens-)ansprüche zu realisieren, es sei denn diesem steht die klare Wille des Betreuten entgegen, der den Sachverhalt auch noch überschauen kann.
Bei Anwendung des engegen Schenkungsbegriffs gäbe es z. B. ansonsten Probleme mit Fällen, in denen der Betreute gemeinsam mit einem Angehörigen im Eigenheim lebte und mit dem Angehörigen kein Mietvertrag bestand, da dieser die Pflege übernahm. Nun ist der Betreute im Heim, der Angehörige lebt immer noch kostenfrei im Haus. Wenn du als Betreuer ihn nun weiter ohne Zahlung irgendwelcher Kosten bzw. Miete dort wohnen lässt, dies also einfach dulden würdest, liegt nach deiner Auffassung kein Rechtsgeschäft und damit keine Schenkungen vor. Bei mir würdest du spätestens im Rahmen der Prüfung der Rechnungslegung dennoch in Erklärungsnot geraten, da dies aus meiner Sicht nicht akzeptabel wäre, insbesondere wenn die (möglichen) Mieteinnahmen zu Deckung der Heimkosten benötigt werden würden.
Entscheidet der Betreuer einseitig, den Pflichtteil nicht geltend zu machen, muss er hiervon noch nicht einmal den Erben in Kenntnis setzenund es bedarf erst recht nicht die Einigung von Erben und Pflichtteilsberechtigtem. Es sind also zwei grundlegend unterschiedliche Handlungen.
Das ist richtig. Der Betreuer muss bei Nichtgeltendmachung keinen Verzichtsvertrag schließen und diese löst auch keine Genehmigungspflicht aus.
Und nein, ich denke nicht, dass das Betreuungsgericht böse ist. Es soll uns einfach unsere Arbeit machen lassen. Manchmal liegt es einfach an der Fülle der Aufgaben, die uns nicht sofort reagieren lässt. Und da lasse ich einfach mal den Bericht an das Gericht liegen, wenn ich Sozialhilfeanträge am Monatsende zu stellen habe. Manchmal gibt es eben auch etwas wichtigeres als den außerplanmäßigen Bericht wegen eines möglichen Pflichtteilsanspruches. Und da erwarte ich einfach auch mal ein wenig Verständnis von Seiten der Rechtspflegerschaft. Ihr habt wohl auch nicht nur die eine Akte auf dem Tisch und könnt sehr wohl die Fülle der Tätigkeiten überblicken, die von den Betreuern zu erledigen sind.
Ein gewisses Verständnis habe ich für diese Ansicht, sofern (zuverlässige) Berufs- oder Vereinsbetreuer betroffen sind. Allerdings benötigt das Betreuungsgericht spätestens beim nächsten Vergütungsantrag eine Information zur Geltendmachung des Pflichtteils. Ansonsten lässt sich ggf. nicht korrekt beurteilen, ob der Betroffene vermögend oder mittellos ist.
Bei ehrenamtlichen Betreuern (insbesondere Fam.-Angehörigen) bietet sich eine zeitnaher Hinweis bzw. eine Nachfrage jedoch sehr an.
Und zum Schluss noch ein Thema. Der Betreuer ist nicht von der Vertretung ausgeschlossen. Die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegen einen gemeinsamen Bruder sind Parallelerklärungen. Der Betreuer hat für sich und seinen Betreuten jeweils separat zu entscheiden, ob er den Pflichtteil geltend macht oder nicht. Dabei kann er sogar auf unterschiedliche Ergebnisse kommen. Es handelt sich aber gerade nicht um eine Auseinadersetzung des Nachlasses, sondern um die Inanspruchnahme von Rechten, welche Betreuer und Betreuter nebeneinander und jeder für sich aus eigenem Recht haben. Dass der Anspruchsgegner in beiden Fällen identisch ist, führt zu keinem Vertretungsausschluss.
Ein Interessengegensatz und damit eine mögliche Bestellung eines Ergänzungsbetreuers kann aber durchaus auch in diesen Fällen in Betracht kommen, wenn der Betreuer zunächst seinen eigenen Pflichtteil in trockenen Tüchern haben möchte, weil z. B. der Nachlass schon zu einem Großteil verbraucht wurde und eine Realisierung des Anspruches im Hinblick auf das sonstige "Vermögen" des Erben schwierig werden könnte.
Es lassen sich auch noch andere Fällen finden, in denen der Betreuer ggf. ein Interesse hat, dass der Pflichtteil für seinen betreuten Bruder nicht oder erst später geltend gemacht wird.