Notariatsreform in Baden-Württemberg

  • Ich wundere mich ein bisschen, dass 5 - 8 Fälle am Tag "einfach bodenlos" sind. Wieviele schaffst Du denn am Tag, Andreas? Und wie zählst Du da?

    Ein Fall könnte ja z. B. auch die Prüfung einer Teilungserklärung nach WEG und die anschließende Anlegung der Grundbücher mit, sagen wir mal 20 Einheiten sein. Oder 100 Einheiten. Ist bei uns ein Fall. Und da da vermutlich was zu beanstanden ist, am selben Tag nicht zu schaffen. Dann vielleicht noch zwei Grundschulden in alle Grundbücher übertragen.... Das geht auch nicht gerade im Affenzahn.

    Wenn Kaufvertrag und Grundschuldurkunde gleichzeitig eingehen, ist das auch nur ein Fall.

    Es sei denn, die Zählweise an den zentralen Grundbuchämtern wäre anders als momentan an den Notariaten.


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Die ganzheitliche Erledigung durch den Rechtspfleger ist beim Grundbuchamt fehl am Platze, weil zuviele Beteiligte in einem Fall "mitmischen". (Notar, Eigentümer, Gläubiger usw.), die alle z.B. zu benachrichtigen sind. Beim Handelsregister mag das noch gehen.
    Z.B. hatte ich einen Fall mit der Eintragung einer Gesamtgrundschuld, welche bei 12 verschiedenen Grundbuchämtern - verstreut in ganz Deutschland - eingetragen wurde. Wenn ich mir hier vorstelle, dass ich selbst erst alle Anschriften der beteiligten Grundbuchämter zusammensuchen muss, dann gute Nacht !.

    Andere Frage:
    Wie werden die Rechtspfleger, die neu auf ein ZGA kommen, eigentlich "eingeschult". Finden hier besondere Schulungen statt oder bekommen sie einfach die Handbücher in die Hand gedrückt.
    Ich kenne auch kaum einen Bezirksnotar, der bereits jetzt in der Lage wäre, nur eine Grundschuld mit folia-egb einzutragen. Die Vorarbeiten machen die Angestellten. Der Notar steckt noch die Karte in das Lesegerät, prüft die Eintragungstexte und signiert dann. Bei diesem Verfahren fallen kaum Rückstände an. Wie diese Bezirksnotare dann auf einem ZGA arbeiten sollen, ist mir rätselhaft.

  • Ja es gab am Anfang je eine Schulung, aber bei manchen (komplizierteren) Sachen ist man dann doch auf das Handbuch angewiesen. Zumal teiweise ja die Reihenfolge genau eingehalten werden muss, damit der Text konfiguriert werden kann.

  • Rückstände werden sich auch in den anderen Bereichen, die 2018 an die Amtsgerichte gehen, bilden.

    Wenn man die Zahlen an AKA hört, mit denen beim Justizministerium operiert wird, dann ...

    Man kann künftig nur noch die Auffassung vertreten: "Gut Ding will Weile haben".

    Ab 2018 wird sich die rechtssuchende Bevölkerung in Baden-Württemberg auch im Bereich Nachlass/Betreuung in Geduld üben müssen. Sie hat bis 2018 ja noch Zeit zum Üben (im Bereich Grundbuch). Bisher war man halt etwas anderes gewohnt.

    Auch im Bereich Beurkundung wird sich wohl manches ändern. Notarielle Dienstleistungen, die zeitaufwändig sind und aber -wie häufig- nur niedere Geschäftswerte haben, werden von den freiberuflichen Notaren sicher bevorzug bearbeitet werden.

  • ollik#391: Keine Bange, wer sich von den Notaren ans GBA meldet, ist in der Lage, Texte einzugeben. Das ist also das kleinste Problem!
    Ein anderes großes Problem ist die ganzheitliche Bearbeitung beim GBA. Da sind bei den Notariaten jede Menge gut ausgebildete MitarbeiterInnen vorhanden, die beim GBA bestens zuarbeiten könnten, aber wegen der ganzheitlichen Bearbeitung nicht gebraucht werden, auf der anderen Seite hat man angeblich zu wenig Personal für GBA, Betreuung und Nachlass. Das alles passt nicht zusammen und zeigt, wie wenig Rücksicht auf den Einzelnen und seine bisherige Leistung genommen wird. Bisher wurden die Mitarbeiterinnen dringend benötigt und jetzt sagt man ihnen, dass sie sich eine Stelle außerhalb der Justiz suchen sollen - sie sind überflüssig.

  • ollik#391: Keine Bange, wer sich von den Notaren ans GBA meldet, ist in der Lage, Texte einzugeben. Das ist also das kleinste Problem!
    Ein anderes großes Problem ist die ganzheitliche Bearbeitung beim GBA. Da sind bei den Notariaten jede Menge gut ausgebildete MitarbeiterInnen vorhanden, die beim GBA bestens zuarbeiten könnten, aber wegen der ganzheitlichen Bearbeitung nicht gebraucht werden, auf der anderen Seite hat man angeblich zu wenig Personal für GBA, Betreuung und Nachlass. Das alles passt nicht zusammen und zeigt, wie wenig Rücksicht auf den Einzelnen und seine bisherige Leistung genommen wird. Bisher wurden die Mitarbeiterinnen dringend benötigt und jetzt sagt man ihnen, dass sie sich eine Stelle außerhalb der Justiz suchen sollen - sie sind überflüssig.

    Ich habe die Aussage des JM so verstanden, dass im Bereich des 'gehobenen Dienstes' jede Frau/Mann gebraucht wird (statistisch). Im Bereich der 'Service-Einheit' ist dagegen (statistisch) jeder 2. Mitarbeiterin zuviel. Ihr Wissen spielt dabei keine Rolle. So sieht es auch der Rechnungshof (statistisch).

    alle glauben wohl: Zahlen lügen nicht.:wechlach:

  • @ Jacques: Ich erwarte nicht, dass von Seiten der Rechtspfleger gegen Recht und Gesetz verstoßen wird. Dies entspricht auch nicht im Geringsten meiner eigenen Arbeitsweise. ABER: Wenn mir das Wasser bis zum Hals steht, fange ich an zu schwimmen. Nicht alles was man rügen kann, muss man rügen und bestehende Auslegungs- und Ermessenspielräume kann man nutzen.
    @ Andreas: In Bayern, wo gut funktionierende Grundbuchämter auf hochgerüstete Notariate treffen, bedeutet die Rüge eines Schreifehlers eine Verzögerung von einigen Tagen. In Baden-Württemberg, wo wir allesamt den Mangel verwalten, bedeutete eine Schreibfehlerrüge derzeit eine Verzögerung von mehreren Monaten!

  • Auch im Bereich Beurkundung wird sich wohl manches ändern. Notarielle Dienstleistungen, die zeitaufwändig sind und aber -wie häufig- nur niedere Geschäftswerte haben, werden von den freiberuflichen Notaren sicher bevorzug bearbeitet werden.


    Nun komm mal wieder runter. Hier (und auch sonst) ist noch keiner weggeschickt worden, weil er eine Grundschuld über € 10.000,00 eintragen oder eine überschuldete Erbschaft ausschlagen wollte. Vielmehr spricht die Anzahl der Notariate in Wörth, Kandel, Ludwigshafen/Rhein und Viernheim eher dafür, dass auch im bisherigem System nicht alles so super lief.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • @ Jacques: ...Wenn mir das Wasser bis zum Hals steht, fange ich an zu schwimmen. Nicht alles was man rügen kann, muss man rügen und bestehende Auslegungs- und Ermessenspielräume kann man nutzen. ...

    Die Verantwortung für die Dauer der Bearbeitungszeit beim Grundbuchamt liegt -sofern es um Beanstandungen geht- allein beim Grundbuchrechtspfleger. Und wenn er -trotz 10.000 Rückständen- meint, beanstanden zu müssen, dann soll er es tun. Auch bei Schreibfehlern. Wir als Notare können nur versuchen, noch genauer zu arbeiten. Letztendlich haben den Fehler ja wir und nicht der Grundbuchamtsrechtspfleger gemacht. Diesen Schuh müssen wir uns als Notare anziehen.

    Ich habe mir zwíschenzeitlich auf Frage der Mandantschaft, wie lange der Vollzug denn dauern würde, angewöhnt mit den Achseln zu zucken. Wenn die Eintragungsnachricht vorliegt, dann ist der Antrag vollzogen. Rückfragen bei mir sind zwecklos, da ich ja beim zuständigen Grundbuchamt den zuständigen Rechtspfleger in der Regel nicht erreiche und wenn ich ihn erreiche, auch dieser mir keine Aussage zum Zeitpunkt des Vollzugs machen kann.

    Ich wiederhole mein Statement: Gut Ding will Weile haben.

    Weder Notar noch Grundbuchamtsrechtspfleger kann an der Situation etwas ändern. So wie es jetzt ist, ist es von der Politik gewollt.

  • Auch im Bereich Beurkundung wird sich wohl manches ändern. Notarielle Dienstleistungen, die zeitaufwändig sind und aber -wie häufig- nur niedere Geschäftswerte haben, werden von den freiberuflichen Notaren sicher bevorzug bearbeitet werden.


    Nun komm mal wieder runter. Hier (und auch sonst) ist noch keiner weggeschickt worden, weil er eine Grundschuld über € 10.000,00 eintragen oder eine überschuldete Erbschaft ausschlagen wollte. Vielmehr spricht die Anzahl der Notariate in Wörth, Kandel, Ludwigshafen/Rhein und Viernheim eher dafür, dass auch im bisherigem System nicht alles so super lief.

    In Württemberg reißen sich die freiberuflichen Notare nicht um Grundbuchberichtigungsanträge, Nachverpfändungen von landwirtschaftlichen Flächen, Kaufverträge über Grundstücksflächen von 0 m² sowie Ab- und Zuschreibungsanträge.

    Ich weis nicht, ob die pfälzer Notare solche Angelegenheiten gerne für das badische bzw. des württembergische Rechtsgebiet übernehmen.

  • In Württemberg reißen sich die freiberuflichen Notare nicht um Grundbuchberichtigungsanträge, Nachverpfändungen von landwirtschaftlichen Flächen, Kaufverträge über Grundstücksflächen von 0 m² sowie Ab- und Zuschreibungsanträge.

    Ich weis nicht, ob die pfälzer Notare solche Angelegenheiten gerne für das badische bzw. des württembergische Rechtsgebiet übernehmen.


    Das ist keine Frage des "Reißens" (das sollen Notare eh' nicht tun), sondern eine Frage der Urkundsgewährungspflicht. Ach ja, ich vergaß, die Notaraufsicht in BaWü steckt vermutlich auch noch in den Kinderschuhen oder wartet auf Dienstanweisungen.
    Vielleicht sind aber auch nur zu wenige Notarstellen ausgeschrieben...

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Kleines Beispiel gefällig?

    Ich schicke einen von 35 Miterben in einem Erbfall mit ca. 40.000 Euro Nachlasswert und einem 10 -seitigen Erbscheinsantragsentwurf zu einem Notar, damit dieser den Entwurf beurkundet.

    Ergebnis: Der Erbe ruft nach 1 Woche verzweifelt bei mir an und berichtet davon, dass er inzwischen 7 (!!) Notare (freie und Amtsnotariat) in seiner weiteren Umgebung angerufen hat, aber dort entweder auf Arbeitsüberlastung mit der Bitte sich einen anderen Notar zu suchen oder auf einen möglichen Beurkundungstermin in ca. 3 Monaten verwiesen wurde.....

    Das liebe Leute ist die Praxis, wie ich sie immer wieder erleben muss....ist inzwischen fast so, wie wenn man beim Augenarzt einen Termin ausmachen will aber nur Kassenpatient ist....traurig...beide Fälle.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Wie gesagt: Da gibt's wohl nicht genug Notarstellen.
    In Randbereichen von Rheinland-Pfalz, Hessen, Sachsen, Thüringen, Saarland, Teilen von NRW (Eifel!) und auch in Nordbayern, wäre das kein Problem.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • @ Jacques: Ich erwarte nicht, dass von Seiten der Rechtspfleger gegen Recht und Gesetz verstoßen wird. Dies entspricht auch nicht im Geringsten meiner eigenen Arbeitsweise. ABER: Wenn mir das Wasser bis zum Hals steht, fange ich an zu schwimmen. Nicht alles was man rügen kann, muss man rügen und bestehende Auslegungs- und Ermessenspielräume kann man nutzen.

    Ich stimme dir zu, dass man seinen Ermessensspielraum nutzen sollte. Allerdings unabhängig von der Arbeitsbelastung.
    Die Rechtspfleger haben "das Wasser bis zu Halse" definitiv nicht selbst verschuldet. Und warum sollte man sich dann in die Gefahr der Haftung begeben? Oder glaubst du, dass der Dienstherr im Ernstfall von sich aus von der In-Regressnahme absieht, eben weil die Rückstände ja wegmussten? Ich glaube es kaum. Und unter dem Eintragungstext steht halt die Unterschrift des Rechtspflegers und nicht die des beurkundenden Notars, der einen im Haftungsfall auch nicht mehr retten kann/will.

  • ollik#391: Keine Bange, wer sich von den Notaren ans GBA meldet, ist in der Lage, Texte einzugeben. Das ist also das kleinste Problem!
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    Also ich war schon auf mehreren Notariaten mit älteren Notaren. Dort muss man froh, sein, wenn diese Notare noch selbst die Signaturkarte in das Lesegerät schieben können. Kaum einer ist in der Lage, zu einem Grundbuchfall die entsprechenden Texte selbst vorzubereiten. Wozu auch, das macht die Angestellte. Ich nehme an, dass wegen der wenigen Stellen auf den Nachlass- und Betreuungsgerichten einige Notare an das ZGA zwangsversetzt werden. Die haben von den Feinheiten des EGB keine Ahnung.

  • Ich wundere mich ein bisschen, dass 5 - 8 Fälle am Tag "einfach bodenlos" sind. Wieviele schaffst Du denn am Tag, Andreas? Und wie zählst Du da? (...) Wenn Kaufvertrag und Grundschuldurkunde gleichzeitig eingehen, ist das auch nur ein Fall.


    Das folgende Statement von Prinz (# 387) hat meine Aussage / Befürchtung ja schon deutlich relativiert.

    In meinen Augen gehört die ganzheitliche Bearbeitung dringend gründlich überdacht. Unser Verhältnis mittlerer Dienst : Rechtspfleger beträgt etwa 1:2. Wobei der mD auch die ganzen Beauskunftungen, ZVG-Vermerke etc. noch macht. Dafür ist der mD auf seine Aufgaben voll spezialisiert und macht die gut. Wenn wir das alles mitmachen sollen, brauchen wir für denselben Arbeitsanfall - der Rechtspfleger ist schwerlich schneller als der (zumal meist maschinenschreibgewohnte) mD - dasselbe Quantum an Rechtspflegern dazu, das wir gerade an mD abgegeben haben. Das ist doch - mit Verlaub - betriebswirtschaftlich völliger Schwachsinn. Bzw. wenn das Land sich einbildet, das machen zu müssen, braucht es logischerweise entsprechend mehr Rechtspfleger als sonst.

    (Aber wem sage ich das ...)

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Mittlere Beamte sind bei uns praktisch Fehlanzeige, die gibt es in BaWü generell immer weniger, weil fast nur noch Justizfachangestellte ausgebildet werden. Und von denen haben - zumindest bei uns - die meisten keine Signaturkarte und können auch nicht die Eintragungen eintragen, die vom Gesetz her vom mittleren Dienst eingetragen werden dürfen (ZVG-Vermerk, Grundstücksteilungen, wenn ich mich recht entsinne aus der Ausbildung, Beschriebsänderungen). Das zumindest dürfte am zentralen GBA gegeben sein.


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Der mD darf nur die Zerlegung, aber keine Teilung machen. Aber das nur nebenher.

    Auf die Angestelltenkarte hat man hier früher auch gesetzt. Mittlerweile werden wieder spürbar vermehrt Beamte im mD ausgebildet. Ich weiß nicht, ob fiskalische Gründe dafür ausschlaggebend waren, aus der Sicht einer Verwaltung ist es jedenfalls vorteilhaft, weil die mittleren Beamten tendenziell* flexibler einsetzbar sind und deutlich geringere Einarbeitungszeiten in neuen Sachgebieten brauchen.

    * tendenziell, wohlgemerkt. Bei den Beamten wie bei den Angestellten gibt es immer solche und solche. Neu eingestellte Angestellte habe zudem seit einiger Zeit die Pflicht, sich entsprechend ihrem Sachgebiet fortzubilden, was bedeutet, dass sie hier (im Familienbereich) eine Grundschulung von 1 1/2 Wochen und später noch mal eine Aufbauschulung von einer Woche haben. Man hat festgestellt, dass sich eben doch nicht alles nebenher erlernt, insbesondere mit Grundlagen ist das schwer bzw. es besteht auch die Gefahr, dass sich über lange Zeit ein Habenwirschonimmersogemacht-weißauchnichtwarum festsetzt. Wenn eine Angestellte (oder ein Angestellter) diese Schulungen (theoretisch) durch alle Abteilungen durch macht, hätte sie/er genausogut gleich in Pegnitz aus die Schule gehen können.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

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