BGH zu Schadensersatzansprüchen bei überlasteten Behörden

  • 2. Ich gehöre nicht der Geschäftsleitung oder der sonstigen Justizverwaltung an aber es nervt, dass immer die Verwaltung die Vorwürfe abbekommt. Die Sparpolitik wird woanders und viiiieeeeel weiter oben gemacht.


    Danke! Das tut gut.


    Das kann ich nicht so ganz teilen. Wenn die Verwaltung vor Ort 18 Monate derartige Zustände hinnimmt ohne etwas zu unternehmen, wird sie zu recht gescholten.
    Sicherlich kann die Verwaltung nichts für die Sparzwänge, hat sich aber gegenüber den ihr vorgesetzten Behörden stark zu machen, wenn solche Situationen wie hier entstehen.


    Kann man natürlich so machen: Rechtspfleger und andere Justizmitarbeiter schreiben Überlastungsanzeigen, die Gerichtsverwaltungen schreiben Personalforderungen, bei den jeweiligen Empfängern wird gelocht und abgeheftet, und alle fühlen sich gut. Nur die Akten bleiben weiter unbearbeitet. Macht aber nichts, denn wir sind ja durch unsere Absicherungsschreiben aus der Haftung raus. Ist zweifellos ein Konzept, aber nicht meines.

  • @GC: Meinst du nicht, du solltest jetzt mal ein bißchen konkreter werden.
    Die Quintessenz deines Postings lautet doch: ob Überlastung angezeigt wird oder nicht, der Empfänger ignoriert das (wird gelocht und abgeheftet). Was ist denn eigentlich dein Konzept ? Akten weiterbearbeiten bis zum Umfallen? Überstunden? Es gibt noch ein Leben außerhalb der Justiz. Ich habe immer gern gearbeitet, aber ich arbeite um zu leben, ich lebe nicht um zu arbeiten.

  • Kann man natürlich so machen: Rechtspfleger und andere Justizmitarbeiter schreiben Überlastungsanzeigen, die Gerichtsverwaltungen schreiben Personalforderungen, bei den jeweiligen Empfängern wird gelocht und abgeheftet, und alle fühlen sich gut. Nur die Akten bleiben weiter unbearbeitet. Macht aber nichts, denn wir sind ja durch unsere Absicherungsschreiben aus der Haftung raus. Ist zweifellos ein Konzept, aber nicht meines.


    Auch das kann ich nicht teilen. Es geht nicht darum, aus unhaltbaren Zuständen einen Verwaltungsakt anzulegen und gut wars. Es geht im Rahmen der Fürsorgepflicht auch darum, dem Mitarbeiter den Rücken zu stärken und ihn nicht "im eigenen Saft" schmoren zu lassen. Der BGH hat gerügt, daß trotz mehrfacher Anzeigen nichts unternommen wurde, ich glaube, daß hätte er auch getan, wenn lediglich "gelocht und abgeheftet" wurde, was vielleicht ja auch so geschah.
    Letztendlich hat aber nicht nur der Mitarbeiter den Rücken krumm zu machen für unzumutbare Sparvorgaben, sondern auch die Gerichtsleitung, Ministerien pp. Wenn sich schon am mangelnden Personal nichts ändern läßt, sollte das in solchen Fällen zumindest kommuniziert werden und gemeinsam nach Lösungen gesucht werden. Ich denke, das geschieht viel zu wenig. Und wenn ich den BGH richtig verstehe, ist nicht der Mitarbeiter am entstandenen Schaden schuld, sondern Verwaltung und obere Behörden. Also, den Schuh sollte sich die Verwaltung nun schon mal anziehen.

  • Amun:

    Wenn ein Haftungsfall in der Presse publik gemacht wird, dann weiß man in der Regel auch, wer ihn fabriziert hat. So etwas spricht sich -gerade bei kleineren Gerichten- herum.



  • Ja, hier liegt offenbar nicht ein Versagen des einzelnen überlasteten oder überforderten Beamten vor, sondern ein Versagen des Systems. Der BGH hat ja klar festgestellt, dass vom AG bis hinauf bis zum Justizministerium für eine Abhilfe hätte gesorgt werden müssen.
    ...
    Die BGH-Entscheidung ist eine Ohrfeige für die verfehlte Personalpolitik (= Sparpolitik)



    Schade nur, dass genau das in den meisten Medien verkürzt dargestellt wurde. In einigen Beiträgen habe ich gestern nur vernommen, dass der Staat für verzögerte Bearbeitung laut BGH - Urteil haftbar gemacht werden kann. Die weiteren Ausführungen hat man einfach unter den Tisch fallen lassen.

  • Selbst wenn man diese "weiteren Ausführungen" nicht unter den Tisch hätte fallen lassen, würden sich die Verantwortlichen nach meiner Erfahrung einen feuchten Kehricht darum scheren. Denn solche angeblichen Einzelfälle passieren selbstverständlich immer woanders.

  • Auch die Öffentlichkeit, sprich Otto Normalbürger, würde die Hintergründe nicht verstehen und nur mal wieder sehen, dass die deutschen Beamten einfach zu faul sind und zu viel Geld dafür bekommen.

  • Selbst wenn man diese "weiteren Ausführungen" nicht unter den Tisch hätte fallen lassen, würden sich die Verantwortlichen nach meiner Erfahrung einen feuchten Kehricht darum scheren. Denn solche angeblichen Einzelfälle passieren selbstverständlich immer woanders.



    Das ist leider wahr ...

  • Wie ich heute auch der hiesigen Presse erfahre, ging es um folgendes:

    Ein Bauträger hat mitte der 90er
    (FOLIA IST NICHT SCHULD)
    45 WEG für ca. 16 Mio EUR erstellt und auch verkauft. Die Kaufpreiszahlung war von der Eintragung der Vormerkung abhängig. Diese Eintragung hat sich über 18 Monate hingezogen, weil der Rechtspfleger wohl hoffnungslos überfordert war. Dies hat er wohl auch mehrmals der Verwaltung mitgeteilt.
    Der Bauträger ging pleite, und die finanzierende Sparkasse forderte nun Schadenersatz.
    Das OLG hat eine Schuld des Rechtspflegers verneint, daraufhin prüfte der BGH ob der Justizverwaltung eine Schuld trifft.

    Im übrigen wies Herr Döring (Justizminister in SH) darauf hin, dass sich die Sache Mitte der 90er abgespielt habe, und seit dem habe sich vieles verbessert. Immherin habe das Land 15 Rechtspfleger eingestellt.

    Für micht heißt das: Er sieht keinen Handlungsbedarf.

    Jens

  • In der Süddeutschen Zeitung vom heutigen wird der Fall (auf S. 1) ziemlich ausführlich dargestellt, das heißt, die Überlastungsanzeigen des Grundbuchrechtspflegers wie auch die Hilferufe der Beteiligten an den Direktor werden erwähnt. Ob die Hilferufe nach außen (LG und weiter) getragen worden sind, wird allerdings nicht mehr aufgeführt.

    Leider kommt der Staat dann gut weg, wenn die Schuld beim Landtag liegt (mangelde Haushaltsausstattung). Dann könnte man über eine Entschädigung wg. der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie nachdenken. Das heißt, dass sich am Grundproblem wohl nicht viel ändert, denn das liegt im jeweiligen Landeshaushalt.

    Bei uns hat es vor langer Zeit (und vor meiner Zeit) hier ein Fällchen gegeben.... drei Grundbuchrechtspfleger sind abgesoffen. Weder der Grundbuchleiter noch der Geschäftsleiter noch der Direktor wurden damit erhört, das ist irgendwo vom LG an aufwärts nicht mehr weiter verfolgt worden (wohl in einem Ministerium, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass LG und OLG so dumm sind, so etwas nicht weiterzuleiten). Bis eines Tages ein Herr eine Grundschuld eingetragen haben wollte, auf seine Frage "Wie lange?" ein "Fragen Sie in einem 3/4 Jahr wieder nach!" zu hören bekam und dann in seiner Eigenschaft als Abgeordneter des Landtags eine kleine Anfrage hierzu startete. Danach bekamen alle beteiligten Rechtspfleger deutliche Flecken in die Personalakten, der Geschäftsleiter wurde wohl zwangsweise woanders hin gesteckt (O-Ton eines Mitarbeiters: "Das war das beste, was ihm passieren konnte"). Weitere Konsequenzen sind mir nicht bekannt. Ach ja, doch: Danach war das Grundbuchamt etwa doppelt so stark wie vorher.

    Was ich noch nicht ganz verstehe: Die SZ schreibt vom AG Oldenburg? Sonst höre ich Schleswig-Holstein und OLG Lübeck? Sollte da die Seriosität dieser Zeitung Kratzer bekommen?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Seit Mitte der 90er Jahre hat sich -ausgerechnet im Personalbestand- vieles verbessert?

    Ich möchte diese Aussage nicht weiter kommentieren. Mit der Wahrheit hat sie jedenfalls nichts zu tun.

  • Ich kenn mich leider da oben in der Ecke geografisch überhaupt nicht aus, aber auf irgendeinem 3. Sender gestern haben sie gesagt die Wohnanlage war auf? in? Fehmarn und das GBA am AG Oldenburg.

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • Wir hatten mal ein ähnliches Problem. Vor mehreren Jahren wollte in der Zivilabteilung niemand mehr arbeiten, weil wir einen Aktenrückstand von ca. 2800 Akten hatten. Über Monate wurden keine KFB's mehr geschrieben. Wir haben und zusammengesetzt, Serviceeinheiten gebildet und richtig reingehaun. Heute ist die Zivilabteilung seit Jahren tagesfertig, die letzte Beschwerde gab es 1997. Das Prinzip der Serviceeinheiten wurde ja mittlerweile überall eingeführt. Das war allerdings kein Verdienst unserer Verwaltung, sondern einzelner Mitarbeiter. Die Verwaltung fand das alles nicht so schlimm. Heute gibt es bei uns wieder eine Abteilung, die völlig abgesoffen ist. Die Leute haben einfach keine Lust, eine Identifikation mit der Behörde ist einfach nicht da. Die Verwaltung ignoriert das Problem einfach. Was willste als Rechtspfleger da machen, jedes Gespräch, ob mit dem GL oder den Mitarbeiter ist einfach nur zum Heulen. Also warten wir mal ab. Das kann es doch nicht sein. GL und Direktor werden sich hüten, diese Überlastung weiter nach oben zu reichen. Es sieht ja dann so aus, als wenn sie ihren Laden nicht in den Griff bekommen. Also schreiben die RA DAB's und ich gebe seit Jahren die gleiche dienstliche Erklärung ab.

    Was die Personalsituation angeht, hier ist jedes zweite Zimmer nicht besetzt. Wir haben eine Menge "Aufenthaltsräume", "Raucherzimmer" und sogar Spielzimmer für Kinder.

  • Was ich noch nicht ganz verstehe: Die SZ schreibt vom AG Oldenburg? Sonst höre ich Schleswig-Holstein und OLG Lübeck? Sollte da die Seriosität dieser Zeitung Kratzer bekommen?


    Gemeint ist das AG Oldenburg in Holstein. Der Fall spielte lt. tagesschau auf der Ostseeinsel Fehmarn.

    :klugschei

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Nachtrag: mein Kollege hat eine Deutschlandkarte: es gibt noch ein winziges?:oops: Nest Oldenburg in Holstein. Wenn das ein Amtsgericht hat ist sicher das gemeint.
    Ulf war schneller

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • Hab mal von nem Fall gehört, bei dem DAB nicht gegen den Rechtspfleger erhoben wurde, der im Rückstand war, sondern gegen dessen Direktor bzw. Präsidenten mit der Begründung, dass dieser zum reibungslosen Ablauf der Dienstgeschäfte für genügend Personal sorgen müsse.;)



    Kommst wohl aus Hamburg? Von dem Fall hab ich auch gehört. Im ersten Jahr DAB gegen Sachbearbeiter, weil der RA auf seinen Lohnsteuerpfüb lange warten musste. Antwort: Personelle Notlage, viele Anträge blablabla. Nächstes Jahr war die Wartezeit nicht kürzer, dieses Mal DAB gegen die Oberen, weil nicht Sorge dafür getragen wurde, dass der erste Fall nochmal eintritt. Das Ergebnis kenne ich leider nicht.

  • Letztendlich hat aber nicht nur der Mitarbeiter den Rücken krumm zu machen für unzumutbare Sparvorgaben, sondern auch die Gerichtsleitung, Ministerien pp. Wenn sich schon am mangelnden Personal nichts ändern läßt, sollte das in solchen Fällen zumindest kommuniziert werden und gemeinsam nach Lösungen gesucht werden. Ich denke, das geschieht viel zu wenig. Und wenn ich den BGH richtig verstehe, ist nicht der Mitarbeiter am entstandenen Schaden schuld, sondern Verwaltung und obere Behörden. Also, den Schuh sollte sich die Verwaltung nun schon mal anziehen.



    Das sollte auch imo im Idealfall so sein.

    Nur: passt das (realistischer Weise) in das tatsächliche (informelle) System der Verwaltung? Es ist einfach keine Geste der Stärke, wenn man "nach oben" (nach ganz ganz oben wäre wohl effektiver :D ) berichtet, dass man ein Problem hat. Die Damen und Herren der Verwaltung sind doch oftmals auf der Durchreise in Richtung "nach oben". Man empfiehlt sich offenbar nicht für "Höheres" für das Erkennen von Problemen. Probleme hat es nicht zu geben.

  • Was meint ihr denn wohl, was passieren wird?
    Meine Prognose: es wird in einiger Zeit ein Umlauf durch die Behörde gehen, in dem seitens des Ministeriums darauf hingewiesen wird, dass Grundbuchsachen mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten sind.
    Und damit hat es sich.
    Ähnliches gab es hier vor ca. 2 Jahren nach einem Regressfall. Es wurde darauf hingewiesen, dass "Grundbuchsachen mit der gebotenen Sorgfalt zu bearbeiten sind".
    Wie das zu bewerkstelligen ist, interessiert niemanden. Es wird auch nach der Entscheidung des BGH nichts geschehen.

  • Für uns an der Basis sollte das Urteil zumindest als "Anreiz" dienen, im Fall der Fälle ruhig mal eine Überlastungsanzeige (oder auch 2 oder 3) zu schreiben.

    Ich weiß, dass es viele Kollegen gibt, die das niemals machen würden - auch wenn sie noch so abgesoffen wären.
    Da wäre es jetzt vielleicht Zeit zum Umdenken.

    Mehr als das und dann zu hoffen und zu beten können wir aber wohl kaum tun.

    Ulf

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