§ 765a ZPO durch Insolvenzschuldner

  • Ich weiß, der Fall ist ja schon älter, aber nochmal:
    Das BVerfG (BVerfGE 51, 405-409) hat zu KO Zeiten entschieden, dass der Schuldner mit der unanfechtbaren Eröffnung des KO Verfahrens seine materiellrechtliche Handlungsfähigkeit verliert und ihm jegliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis entzogen wird. Dies geht auf den KO Veralter über. Die prozessuale Handlungsfähigkeit (also der 765a Antrag) setzt die materiell-rechtliche hinsichtlich des Streigegenstandes voraus. Was bedeutet: Ist die Sache von der KO Beschlagnahme erfasst, kann der Schuldner gar nichts mehr tun. Er kann nicht einmal (und darum ging´s in der BVerG-Entscheidung) Verfassungsbeschwerde einlegen, weil sein Grundstück "verschleudert" worden sei (sic). Damit dürfte eigentlich alles gesagt sein. Übrigens steht der InsOVerw mit einem Bein im Regress, wenn er sich um das lfd. ZV Verfahren nicht ausreichend kümmert (Verkehrswert pp). "Meine" InsOVerw geben daher das Objekt regelmäßig aus der Masse frei, um sich diesbzgl. den Rücken frei zu halten.

    Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihre Justizbehörde

  • Zu der Entscheidung des BVerfG vom 18.07.79 gäbe es mehr zu sagen als drinsteht. Allein wenn man die (danach ergangene) gegenteilige - und m.E. durchaus überzeugende - Entscheidung des OLG Celle vom 30.07.81 (ZIP 1981, 1005) durchliest, kommen einem schon erhebliche Zweifel, ob das BVerfG die Problematik tatsächlich tiefergehend durchdacht hat.

    Das BVerfG sagt - etwas überspitzt ausgedrückt - in der Konsequenz eigentlich nur: Wenn das Insolvenzverfahren rechtskräftig gegen Dich eröffnet ist, Schuldner, dann kann das, was danach mit Dir und Deinem Eigentum passiert noch so unbillig und rechtswidrig sein, Rechtsschutz kriegst Du selbst dann nicht mehr, wenn ein Rechtsmittel des Insolvenzverwalters unzulässig wäre, weil Belange der Masse gar nicht tangiert sind. Kann das Art. 19 IV GG-konform sein?

  • Meine Eigentümerin ist insolvent. Das hier zu versteigernde Jausrundstück fällt in die Insolvenzmasse.

    Die Eigentümerin vertr. durch ihre Mutter hat hier nunmehr Antrag gem. § 765 a ZPO gestellt. Hauptargumente: Eigentümerin ist schwer alkoholkrank. Macht zur Zeit einen Entzug. Hierfür ist geregelte häusliche Umgebung wichtig. Teilweise wird der Entzug auch stationär durchgeführt. Die Mutter der Eigentümerin, die ein Wohnrecht an einer Wohnung in dem Haus hat kümmert sich zur Zeit um alles auch um den schulpflichtigen Sohn der Eigentümerin.
    Beigefügt sind diverse ärztliche Atteste.

    Sowohl der Gläubiger als auch der Insolvenzverwalter lehnen eine einstw. Einstellung ab.

    Unabhängig von der Problematik, ob die Argumente der Eigentümerin hier für eine Einstellung ausreichen, stellt sich für micht die Frage, ob sie überhaupt noch ein Antragsrecht gem. § 765 a ZPO aufgrund des eröffneten Insolvenzverfahrens hat oder ob ich den Antrag gleich als unzulässig zurückweisen müsste.

    Was haltet Ihr davon ?

  • s. BGH, Beschluss vom 16.10.2008 - IX ZB 77/08

    Leitsatz: Im eröffneten Insolvenzverfahren kann dem Schuldner, der eine natürliche Person ist, bei Vollstreckungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters nach 148 Abs. 2 InsO auf Antrag Vollstreckungsschutz nach 765a ZPO gewährt werden, jedenfalls soweit dies zur Erhaltung von Leben und Gesundheit des Schuldners erforderlich ist.

    Vollstreckungsschutz gem. § 765a ZPO ist also grundsätzlich zulässig, auch im eröffneten Insolvenzverfahren.

    Zuständig ist das Insolvenz- und nicht das Vollstreckungsgericht.

  • Die Entscheidung ist nachvollziehbar, trifft m.E. aber hier hinsichtlich der Zuständigkeit nicht zu. Zumindest auf den ersten Blick betrifft die Zuständigkeit des InsO-Gericht gem. § 148 lediglich Vollstreckungsmaßnahmen des Inso-verwalters gegen den Inso-Schuldner.
    Diese Konstellation liegt nicht vor.

  • Die Entscheidung ist nachvollziehbar, trifft m.E. aber hier hinsichtlich der Zuständigkeit nicht zu. Zumindest auf den ersten Blick betrifft die Zuständigkeit des InsO-Gericht gem. § 148 lediglich Vollstreckungsmaßnahmen des Inso-verwalters gegen den Inso-Schuldner.
    Diese Konstellation liegt nicht vor.



    Ich habe mit der Entscheidung auch so meine Probleme, da im vorliegenden Fall nicht der Insolvenzverwalter die Versteigerung betreibt, sondern -anscheinend- ein Gläubiger des Schuldners.

  • Die Eigentümerin ist, solange der Grundbesitz dem Insolvenzbeschlag unterliegt, nicht am Versteigerungsverfahren beteiligt; Schuldner ist verfahrensrechtlich der Verwalter. Nur dieser wäre nach § 765a ZPO antragsberechtigt. Auf die Belange Dritter (hier der Gemeinschuldnerin und ihrer Angehörigen) kommt es nicht an.

  • Entscheidend ist das hier:

    Die Eigentümerin ist, solange der Grundbesitz dem Insolvenzbeschlag unterliegt, nicht am Versteigerungsverfahren beteiligt; Schuldner ist verfahrensrechtlich der Verwalter.



    Die in #47 zitierte Entscheidung betrifft das Insolvenzverfahren und ist hier nicht einschlägig.

  • Entscheidend ist das hier:

    Die Eigentümerin ist, solange der Grundbesitz dem Insolvenzbeschlag unterliegt, nicht am Versteigerungsverfahren beteiligt; Schuldner ist verfahrensrechtlich der Verwalter.



    Die in #47 zitierte Entscheidung betrifft das Insolvenzverfahren und ist hier nicht einschlägig.

    Das stimmt, aber die Entscheidung gibt die Richtung vor.

    Zitat aus der Entscheidung:

    Zitat

    Als Generalklausel des Schuldnerschutzes (Musielak/Lackmann, aaO § 765a Rn. 1) kann § 765a ZPO, der vom Bundesverfassungsgericht auch in Zwangsversteigerungsverfahren angewandt wird (vgl. BVerfGE 46, 325, 331 ff; 49, 220, 227 f), einem Schuldner grundsätzlich auch nach Insolvenzeröffnung mit Rücksicht auf die auch im Insolvenzverfahren zu beachtenden Grundrechte (Art. 2 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 GG) und die Wertentscheidungen des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 f; BVerfG <Kammer> NJW 2004, 49) gegen einzelne Verwertungsmaßnahmen Vollstreckungsschutz vermitteln. Insbesondere das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung eines möglichen Vollstreckungsschutzes die dem Schuldner in einer Zwangsvollstreckung zu gewährenden Grundrechte zu berücksichtigen. Ergibt die Abwägung, dass die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen (BVerfGE 52, 214, 220 f; BVerfG NJW-RR 2001, 1523; BVerfG NJW 2004, 49). Es ist aber Aufgabe der staatlichen Organe, Grundrechtsverletzungen nach Möglichkeit auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist deshalb so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird (BVerfGE 52, 214, 221 ff; BVerfGK 6, 5, 10).

    Die von mir fett markierte Sätze würde ich in der Begründung, warum ich den 765a-Antrag des insolventen Schuldners für zulässig erachte, anführen :).

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • ...
    Das stimmt, aber die Entscheidung gibt die Richtung vor.

    Zitat aus der Entscheidung:

    Zitat

    Es ist aber Aufgabe der staatlichen Organe, Grundrechtsverletzungen nach Möglichkeit auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist deshalb so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird (BVerfGE 52, 214, 221 ff; BVerfGK 6, 5, 10).


    Die von mir fett markierte Sätze würde ich in der Begründung, warum ich den 765a-Antrag des insolventen Schuldners für zulässig erachte, anführen :).



    Das sehe ich nicht so und insbesondere gibt der Beschluß des BGH bezogen auf den vorliegenden Fall auch keine Richtung vor.

    Im entschiedenen Fall ging es um Vollstreckungsmaßnahmen des Verwalters gegen den Gemeinschuldner nach § 148 II InsO. Nach dieser Vorschrift kann der Verwalter zwecks Übernahme der Masse die Herausgabe von im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Sachen im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. Es kann daher (auch ohne den BGH) keinem Zweifel unterliegen, daß im Rahmen einer solchen, gegen den Gemeinschuldner persönlich gerichteten Vollstreckung diesem auch der Anspruch auf Vollstreckungsschutz zusteht.

    Davon zu unterscheiden sind jedoch trotz Insolvenz zulässige Vollstreckungsmaßnahmen Dritter, die gegen den Verwalter (in der Rolle des Schuldners) erfolgen.

  • Ich muss da hiro zustimmen. Die Entscheidung gibt die Richtung vor. Auch wenn der Schuldner grundsätzlich keine Verfügungsbefugnis über sein Vermögen hat, muss er die Möglichkeit haben, gegen Eingriffe in sein Vermögen vorzugehen, wenn dies eine Verletzung schutzwürdiger Persönlichkeitsrechte darstellt.
    Ich würde aber auch hier die Zuständigkeit des Versteigerungsgerichts bejahen.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Der Antrag nach § 765a ZPO ist durch den Schuldner des Vollstreckungsverfahrens zu stellen.

    Das ist bei einer Vollstreckung gemäß § 148 II InsO der Gemeinschuldner und deshalb steht ihm auch das Antragsrecht zu.

    Schuldner im Versteigerungsverfahren ist jedoch ausschließlich der Verwalter, was das Antragsrecht des Gemeinschuldners hier ausschließt.

  • Ich denke, wie Bang-Johansen, dass die Entscheidung nicht einschlägig ist. Es handelte sich dort um eine Vollstreckungsmaßnahme des Verwalters gegen den Gemeinschuldner. In der Begründung wurde zwar erwähnt, dass § 765a ZPO auch in der Versteigerung einschlägig sei, aber mehr nicht.

  • Man kann sicher die Ansicht des nicht bestehenden Antragsrechtes vertreten. Die zwingend folgende Frage ist dann aber, was im Interesse eines dennoch selbstverständlich (in so einem Fall auch von Amts wegen) zu gewährleistenden effektiven Grundrechtsschutz zu veranlassen ist.
    Man kann vor einer zu besorgenden Gefahr für Leib und Leben eines Dritten in Folge eines staatlichen Eingriffs ja nicht einfach die Augen verschließen.

  • Ich denke, wie Bang-Johansen, dass die Entscheidung nicht einschlägig ist.


    Das die Entscheidung nicht einschlägig ist, ist klar. Maßnahmen des Insolvenzverwalters gegen den Gemeinschulder (deshalb hier auch - zutreffend - die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts) sind was anderes als eine Zwangsversteigerung in das dem Schuldner gehörende, aber jetzt in der Insolvenzmasse und damit der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegende Grundstück.

    Dennoch gibt die Entscheidung die Richtung vor.

    Ich wiederhole:
    Es ist aber Aufgabe der staatlichen Organe, Grundrechtsverletzungen nach Möglichkeit auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist deshalb so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird.

    Wenn - wie weiter oben diskutiert - der Insolvenzverwalter sich (aus teilweise durchaus nachvollziehbaren Gründen, ich will ihm da gar keinen Vorwurf machen) nicht um die Versteigerung kümmert, muss dem Schuldner die Möglichkeit bleiben, als "ultima ratio" (!) einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen. Das lese ich aus dem oben erneut zitierten Satz, insbesondere "Grundrechtsverletzungen <...> auszuschließen" und "verfassungsrechtlichen Schutzpflichten" heraus.

    Und, sehr zutreffend:


    Man kann vor einer zu besorgenden Gefahr für Leib und Leben eines Dritten in Folge eines staatlichen Eingriffs ja nicht einfach die Augen verschließen.


    Eben.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Natürlich passt die Entscheidung nicht ganz. Sie spricht aber dem Schuldner ein eigenes Antragsrecht gem. § 765 a ZPO auch dann zu, wenn die Insolvenz eröffnet ist. Wieso sollte das nur gelten, wenn der InsoV vollstreckt?

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
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