Vertreter für herrenloses Grundstück

  • Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung

    Ich zitier` mal aus § 8 Kommunalabgabengesetz NRW:

    Zitat


    Abs. 7 Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung oder Anlage...

    Abs. 9 Der Beitrag ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück



    Das (fossile) Problem ist, dass hier öffentliche Last und Persönliche Schuld durcheinander gebracht werden. Für die persönliche Heranziehung des Grundstücksberechtigten bedarf es eines rechtskräftigen Lesitungsbescheides, für die öL nicht - die entsteht kraft Gesetzes.

    Also ist die Anmeldung in Rangklasse 3 völlig in Ordnung.

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

  • Zitat

    Das (fossile) Problem ist, dass hier öffentliche Last und Persönliche Schuld durcheinander gebracht werden.

    Ja - aber nicht von mir.
    Ohne einen Abgabenpflichtigen kann ein Grundstück nicht öffentlich belastet werden.

    Zitat

    Für die persönliche Heranziehung des Grundstücksberechtigten bedarf es eines rechtskräftigen Lesitungsbescheides, für die öL nicht - die entsteht kraft Gesetzes.

    Nein.
    Das Gesetz vollzieht sich insoweit nicht von selbst.
    Das Grundstück wird nur dann öffentlich belastet, wenn der Beitrag auch entstanden ist (Akzessorietät).
    Voraussetzung für die Entstehung des Beitrags ist die Bekanntgabe eines Beitragsbescheides / Leistungsbescheides gegenüber einem Abgabenpflichtigen.

    Ohne Bekanntgabe kein Beitrag und ohne Beitrag keine öffentliche Belastung des Grundstückes.

    Wäre die von lupo vertretene Auffassung richtig, könnten Zweckverbände / Gemeinden nach Erlass eines entsprechenden Duldungsbescheides die Immobiliarvollstreckung gegen den Grundstückseigentümer betreiben, ohne dass zuvor die Bestandskraft des Grundabgabenbescheides eintreten musste.
    Das kann nicht richtig sein.

    Zitat

    Lt. Stöber gelten öffentliche Grundstückslasten als glaubhaft gemacht, wenn von der berechtigten Stelle eine spezifizierte Aufstellung eingereicht wird (Rn. 6.21 zu § 10 ZVG).

    Die besten "spezifizierten Aufstellungen" würden aber nicht über den Umstand hinweghelfen, dass es im Ausgangsfall "gerichtsbekannt" keinen Abgabenpflichtigen und damit keine öffentliche Belastung des Grundstückes mehr geben kann.

  • Die öffentliche Last knüpft unmittelbar an die Sachliche Beitragspflicht (=Fertigstellung) an. Nach Fossil's Logik würde die öL untergehen, wenn ein potentieller Bescheidempfänger stirbt oder sein Eigentum aufgibt....
    Das im Normalfall vorrangig aus der persönlichen Beitragspflicht vollstreckt wird ist klar, aber hier geht das offensichtlich nicht.

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

    2 Mal editiert, zuletzt von lupo (28. März 2011 um 16:08) aus folgendem Grund: ergänzt

  • Zitat

    Die öffentliche Last knüpft unmittelbar an die Sachliche Beitragspflicht (=Fertigstellung) an.

    Glaube ich nicht! Fundstelle?

    Zitat

    Nach Fossil's Logik würde die öL untergehen, wenn ein potentieller Bescheidempfänger stirbt oder sein Eigentum aufgibt....

    Nach meiner Logik funktioniert das wie folgt:

    Die Abwasserleitung wird hergestellt.
    Anschließend ermittelt die Gemeinde, wie hoch der Kostenanteil ist, den jeder Eigentümer zu tragen hat.
    Die Kostenanteile werden durch Leistungsbescheid geltend gemacht.
    Erst mit Bekanntgabe dieses Leistungsbescheides wird der Bescheid wirksam und die Abgabenforderung und damit die öffentliche Belastung des Grundstückes entstehen.

    Stirbt der Abgabenpflichtige haften persönlich seine Rechtsnachfolger.
    Dinglich haftet immer das Grundstück.
    Grundstücksderelektion führt ebenfalls nicht dazu, dass die persönliche und dingliche Haftung entfällt.
    Da geht also nix unter.

    Anders sieht es aus, wenn sich der potentiell Abgabenpflichtige vor der Bekanntgabe des Bescheids durch Tod oder Derelektion seiner Abgabenpflicht entzieht.

    Deshalb tun die Gemeinden ja auch gut daran, vor Durchführung der beabsichtigten Baumaßnahme Geld einzusammeln.

  • Zitat

    Die öffentliche Last knüpft unmittelbar an die Sachliche Beitragspflicht (=Fertigstellung) an.



    Glaube ich nicht! Fundstelle?

    .



    Das ergibt sich - wie bereits ausgeführt - aus den kommunalen Abgabengesetzen, für Erschließungsbeiträge aus dem BBauG.

    ich verlinke mal auf ein Urteil des VG Greifswald und verweise auf die RN 19 der Urteilsbegründung (bezüglich Voraussetzungen einer anmeldefähigen Forderung im Insolvenzverfahren)

    http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal…90043526&st=ent

    Zitat

    Die jedenfalls für das Beitragsrecht vertretenen Gegenauffassung, wonach es eines Festsetzungsbescheids zur Begründung der persönlichen Beitragspflicht bedürfe, um eine anmeldefähige Forderung entstehen zu lassen .... vermag nicht zu überzeugen. Ungeachtet dessen, dass der Beitrag bereits im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht voll ausgeprägt und als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht (vgl. § 7 Abs. 6 KAG M-V) und die Argumentation der Forderungsentstehung erst durch Bescheid deshalb auch für das Beitragsrecht nicht zutrifft, hat die Auffassung zur Konsequenz, dass im Falle eines Bestreitens durch den Insolvenzverwalter (oder durch einen anderen Gläubiger) ...usw.

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.


  • ... Also ist die Anmeldung in Rangklasse 3 völlig in Ordnung.



    Nichts ist in Ordnung - Die öffentliche Last mag nämlich zwar entstanden sein, sie ist jedoch nicht fällig, womit es sich bei ihr nicht um einen nach § 10 I Nr. 3 ZVG zu berücksichtigenden "Rückstand" handelt, vgl. Stöber, Nr. 6.17a) zu § 10.

    Entweder wird also die Fälligkeit vor Zuschlagserteilung noch herbeigeführt, dann könnte nach Anmeldung Berücksichtigung aus dem Erlös erfolgen, oder es ist diese Last gegen den Ersteher fällig zu stellen.


  • Entweder wird also die Fälligkeit vor Zuschlagserteilung noch herbeigeführt, dann könnte nach Anmeldung Berücksichtigung aus dem Erlös erfolgen, oder es ist diese Last gegen den Ersteher fällig zu stellen.



    Die Fälligkeit ist vom anmeldenden Gläubiger gewollt - es sind ja Bescheide ergangen - ob richtig oder nicht, kann dem Gericht egal sein. Der Eintritt der Fälligkeit ist i.d.R. mit der schriftlichen Festsetzung verknüpft gemäß der zugrunde liegenden Satzung.

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

  • Also in meinem Fall ist nach der maßgeblichen Satzung beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Festsetzungsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. Zur Fälligkeit ist geregelt, dass der Beitrag drei Monate nach Bekanntgabe des Beitragsbescheides fällig wird bzw. wenn mit dem Festsetzungsbescheid nicht zugleich eine Zahlungsaufforderung (Leistungsbescheid) erfolgt, wird der Beitrag drei Monate nach Bekanntgabe der Zahlungsaufforderung fällig.

    Der Verband hat mit der "spezifizierten Forderungsaufstellung" auch eine Kopie des Leistungsbescheides vorgelegt und mitgeteilt, dass dieser dem RA ... als Vertreter bekannt gemacht worden ist.

    Da der RA ... weder Eigentümer noch (mit ausreichendem Wirkungskreis bestellter) Vertreter des Eigentümers ist, ist der Leistungsbescheid diesem zwar zugegangen, aber die Forderung ist nicht fällig geworden. Damit ist sie nicht rückständig und im Rang des § 10 I 3 ZVG nicht berücksichtigungsfähig.
    In der Zwangsversteigerung ist zwar der Bescheid an sich nicht zu überprüfen, aber zur Feststellung der Rangklasse die Rückständigkeit der Forderung anhand der eingereichten Unterlagen.

  • ..also scheitert die Zulassung der Forderung daran, dass im (ersten) Festsetzungsbescheid kein Leistungsgebot enthalten ist.

    Wie übersteht denn nun die öL in der Praxis das Verfahren?
    Der Ersteher wird doch davon ausgehen, dass er lastenfrei erwirbt.

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

  • lupo: In der Versteigerung gehen grundsätzlich bestehende öfffentliche Lasten im Rahmen der dinglichen Haftung unter. Nur die persönliche Haftung bleibt.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Wie übersteht denn nun die öL in der Praxis das Verfahren?



    Ganz einfach: Da sie noch nicht fällig und damit auch nicht rückständig ist, erlischt sie eben nicht.

    Zitat

    Der Ersteher wird doch davon ausgehen, dass er lastenfrei erwirbt.



    Der umsichtige Interessent wird sich vor dem Termin hinsichtlich öffentlicher Lasten erkundigen und dabei die Auskunft erhalten, daß er unmittelbar nach Erwerb mit der Fälligkeit dieses Beitrags ihm gegenüber wird rechnen müssen.

    S. zur vorliegenden Thematik Stöber, Nr. 7.2h) zu § 52 und 3.5 aE zu § 56.


  • Ganz einfach: Da sie noch nicht fällig und damit auch nicht rückständig ist, erlischt sie eben nicht.

    Der umsichtige Interessent wird sich vor dem Termin hinsichtlich öffentlicher Lasten erkundigen .....
    S. zur vorliegenden Thematik Stöber, Nr. 7.2h) zu § 52 und 3.5 aE zu § 56.



    Mal abgesehen, dass es "den Umsichtigen Interessenten" zu selten gibt, wird es bei normaler Sachlage so laufen.



    Ohne jetzt penetrant werden zu wollen, als Erwerber würde ich mich aber im geschilderten Fall querstellen, wenn man mir die Rechnung präsentiert.

    Zum einen kann die persönliche Schuld nur einmal geltend gemacht werden. Das ist mit dem Feststellungsbescheid gegen den nicht mehr greifbaren Alteigentümer erfolgt.

    Zum anderen würde ich einwenden, dass die öL. doch fällig war, da die Anschlusssatzung die Fälligkeit an den Erlass des Feststellungsbescheides knüpft (Erlassdatum + X Monate ergibt Fälligkeitszeitpunkt). Ob das fehlende Leistungsgebot im 1. Bescheid ausschlaggebend sein kann, dass die Rückständigkeit nicht eintritt, ist fraglich.

    Aber egal, letztlich war das Problem vermeidbar, wenn Anschluß-Satzung oder Festsetzungsbescheid richtig gewesen wären.

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

  • lupo: In der Versteigerung gehen grundsätzlich bestehende öfffentliche Lasten im Rahmen der dinglichen Haftung unter. Nur die persönliche Haftung bleibt.



    das wäre auch meine Sorge, wenn ich in dieser Sachlage anmeldende Gemeinde wäre, wobei m. E. die persönliche Haftung auch schon aufgebraucht ist.

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

  • Nochmals:

    Wird die öffentliche Last vor Zuschlag fällig, hat der Ersteher mit ihr nichts zu schaffen und sie kann auf Anmeldung Berücksichtigung am Erlös finden.

    Wird sie nach Zuschlag fällig, trifft sie den Ersteher und hat im Versteigerungsverfahren nichts verloren.


    Mithin kommt es entscheidend darauf an, ob Fälligkeit eingetreten ist. Nach dem hiesigen Kommunalabgabengesetz sind die Bestimmungen zur Fälligkeit in der speziellen Abgabensatzung treffen. Beispielhaft hat der hiesige Zweckverband bestimmt, daß Wasserversorgungs- gebühren "einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides" oder Schmutzwasserbeseitigungsbeiträge "in vier Raten jeweils am ...., erstmals an dem ..., der der Bekanntgabe des Bescheides folgt" fällig werden.

    Hier wäre im Ausgangsfalls eine Berücksichtigung des Beitrags mangels Fälligkeit nicht möglich.

    Selbstverständlich sähe das anders aus, regelte die Satzung den Eintritt der Fälligkeit ausgehend vom Erlaß des Bescheides.
    Welche konkrete Bestimmung im Ausgangsfall zur Anwendung kommt, ist bislang nicht mitgeteilt.



  • Ich habe den Ausgangsfall laut Schilderung in #107 aber dahingehend verstanden, dass ein Feststellungsbescheid (=Bekanntgabe) noch zu Lebzeiten des richtigen Eigentümers ergangen ist.
    Der aus irgendwelchen Gründen nachgeschobene Leistungsbescheid gegen den Vertreter nach 787 bringt natürlich nichts.

    Es gibt wichtigen und unwichtigen Aktenstaub.

    Einmal editiert, zuletzt von lupo (30. März 2011 um 15:54) aus folgendem Grund: fehler berichtigt


  • Ich habe den Ausgangsfall laut Schilderung in #107 aber dahingehend verstanden, dass ein Feststellungsbescheid (=Bekanntgabe) noch zu Lebzeiten des richtigen Eigentümers ergangen ist.



    Dieser Bescheid soll aber, s. #115, noch keine Fälligkeit zur Folge haben, womit wir im Ergebnis festhalten können:

    Zitat


    Der aus irgendwelchen Gründen nachgeschobene Leistungsbescheid gegen den Vertreter nach 787 bringt natürlich nichts.

  • ich hänge mich hier mal dran.
    Ich habe nun während eines schon länger laufenden Verfahrens auch den Verzicht des Eigentümers auf das Eigentum.
    Beide betreibenden Gläubiger sind kurz vor Rücknahme der Anträge, da sich die Anfangsermittlungen zur Altlastenproblematik als so haarsträubend heruasstellen, dass eine Versteigerung unmöglich erscheint.
    Man könnte also denken, dass ich gar keinen Vertreter gem. §787 ZPO mehr benötige, wenn die Anträge nun zurückgenommen werden. Aber an wen stelle ich dann gem. §32 ZVG zu?
    Nur für den Aufhebungsbeschluss einen Vertreter zu bestellen, halte ich eigentlich für blödsinnig, aber rechtlich scheint es notwendig, oder?
    Insbesondere, da die Gläubiger dann noch Kosten für den Vertreter zahlen müssen, nur um aus dem Verfahren herauszukommen....

    Bin für jeden Tip dankbar!

  • Das denke mal an § 26 ZVG. Eigentumsänderungen nach der Beschlagnahme sind nicht beachtlich. Dann stelle an den alten Schuldner zu. So würde ich das hier machen.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
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