Wahrheitsgemäße Aussagen- Beratungshilfe notwendig

  • Wenn ich ein Schreiben erhalte "Sie werden beschuldigt...." , dann sage ich doch zunächst, dass ich das anders sehe oder wende mich an die Polizei und frage nach, was das für ein Sachverhalt ist und wie die auf mich kommen. Oder als Zeuge: dann gehe ich doch hin, mache meine Aussage und gut ist.



    Völlig richtig, wenn es tatsächlich einen offensichtlich und nachweislich Unschuldigen trifft. Da gibt es aber immer auch Fälle im Graubereich. Bei Zeugen, die nur Zeugen und nicht Betroffene sind, meine ich auch, daß es da wohl kaum BerH braucht.
    Anders bei Betroffenen, bei denen verschiedene Delikte und Strafen in Betracht kommen. Dort kann eine schriftliche Stellungnahme (die ja von der BerH ohnehin nicht umfaßt ist, aber auf deren Sinnhaftigkeit im Beratungsgespräch hingewiesen werden kann) oder auch nur eine Beratung zum Aussageverhalten durchaus zu einer anderen/milderen Strafe führen. Und auch dafür ist der Strafverteidiger da. Konsequenterweise dann auch die BerH.

  • Klar, manche Fälle sind relativ kompliziert und das kann man im Rahmen der BerH-Antragstellung kaum beurteilen.
    Es gibt aber auch andere Fälle.

    Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten:
    1. Klappe halten
    2. Die Wahrheit sagen
    3. Lügen
    In sehr vielen Fällen, kann der Betroffene problemlos alleine beurteilen, für welche er sich entscheidet (Einschränkungen der geistigen Kapazitäten jetzt mal ausser Acht lassend).
    Mal als Beispiel eine (einfache) Körperverletzung. Dass die Aussage "Natürlich habe ich ihn vermöbelt und ich habe es genossen, morgen mache ich das wieder" keine gute Idee ist, sollte der Betroffene selbst erkennen können.

  • @ S.H.
    Um bei Deinem Fall zu bleiben:

    Vielleicht entscheidet sich der Bürger für ein Geständnis. Okay, denn dies wirkt strafmindernd. Er denkt sich also, gebe ich mal zu, dass ich ihn getreten und in die Fresse gehaun und gewürgt und gebissen habe. Nur weiß die Polizei in diesem Moment nicht, dass er nicht nur getreten und in die Fresse gehaun, sondern auch gewürgt und gebissen hat.

    Oder aber, man soll sich zur Sache XY äußern. Okay, schreibe ich also, klar habe ich gemacht, aber ich habe mich ja nur wehren wollen (Notwehr). Blöd, denn vielleicht weiß ja die Polizei noch gar nicht so wirklich, wer denn nun, dies und das gemacht hat.

    Das Problem ist, dass man das Ganze eben nicht absehen kann.

  • S.H.: Ob das manche Betroffene erkennen können ist zumindest zweifelhaft, denn oft steht deren Körperkraft im reziproken Verhältnis zu ihren geistigen Fähigkeiten.:D

  • Das größte Problem in der ganzen Prüfung für die Erteilung des Scheins ist aus meiner Sicht ohnehin, dass sie latent materielles Strafrecht betrifft, welches im Rahmen der Beweisaufnahme des Straf- oder Ermittlungsverfahren zu erfolgen hat.
    Pauschale Antworten (-genau wie die erfolgreiche Taktik des Zumüllens mit AG Bad Schwartau-Entscheidungen, die keiner zur Kontrolle noch nachliest-(der vorherige Thread war insoweit etwas peinlich, weil reflexartig Textbausteine kamen, die für den Kollegen aber natürlich so natürlich nicht gelten.)) helfen aber wenig weiter.
    Einzelfallprüfung ist alles. Und die gesunde Vorstellung was man denn machen würde, wenn man die arme Sau selbst wäre. Und wir als juristisch Vernünftige halten wohl mehrhaltlich erstmal die Klappe gegenüber Ermittlern und holen uns rechtliche Auskünfte. Wir sind doch nicht bescheuert. Billig und gerecht denkend ist es, von seinen Abwehrrechten gegenüber dem Staat Gebrauch zu machen.
    Diese Schutzrechte pauschal durch wirtschaftliche Zwänge auszuhölen ist eine Gefahr für den Rechtsstaat, weil dann nämlich nur reiche Beschuldigte effektiv eine Chance auf Entlastung u. Ausnutzen ihrer sonstigen Rechte haben.

    Klar darf man die Vorstellung haben, man könne Polizei und Behörden grundsätzlich vetrauen. Wer wachen Auges Medien verfolgt sollte sich m. E. aber eher ein gesundes Mißtrauen gegenüber unseren Sicherheitsbehörden zulegen.
    Zustände wie in einer Bananenrepublik kommen hier ja zum Glück noch relativ selten vor. Wer aber in der Justiz arbeitet, der sollte auch ganz genau wissen, dass es im Einzelffall auch immer wieder Fälle gibt, in denen Fehler passieren, sei es fahrlässig oder gar vorsätzlich.

  • Also, bei Zeugen seh ich keine Notwendigkeit für BerH.

    Aber um das klarzustellen, Zeugen müssen nciht bei der Polizei erscheinen, das wird ihnen aber kein Polizist sagen.

    Bei Beschuldigten ist ein Schein aus meiner Sicht immer gerechtfertigt. Der Beschuldigte wird sich mit jemanden beraten müssen, wie er sich im konkreten Fall verhält. Das kann kein Polizist oder Freund oder Referent sein, denn diese könnten über das Gespräch als Zeugen vernommen werden. Mir als Anwalt kann der Mandant offen sagen, was er getan hat, ich werde vor Gericht das Zeugnis verweigern.

  • @ HorstSergio:
    Untersuchungen belegen, dass der Ausgang eines Strafverfahrens auch in Deutschland tendenziell vom sozialen Status des Beschuldigten abhängt.

  • Okay. Und ist das jetzt ein Argument für eine rechtliche Gleichstellung gegenüber reichen Angeschuldigten oder eins dagegen?
    Ohne jetzt nochmal die Suchfunktion anschmeissen zu wollen: wir hatten diese Diskussion bereits einmal, anhand der Frage der Mutwilligkeit.

  • Aber um das klarzustellen, Zeugen müssen nciht bei der Polizei erscheinen, das wird ihnen aber kein Polizist sagen.



    Das ist eine sehr gewagte Behauptung. Ich sehe regelmäßig die Protokolle und mir haben Zeugen und Beschuldigte auch schon die Vorladungen gezeigt. Daher kann ich feststellen, dass diese Aussage nicht den Tatsachen entspricht.

  • Aber um das klarzustellen, Zeugen müssen nciht bei der Polizei erscheinen, das wird ihnen aber kein Polizist sagen.



    Das ist eine sehr gewagte Behauptung. Ich sehe regelmäßig die Protokolle und mir haben Zeugen und Beschuldigte auch schon die Vorladungen gezeigt. Daher kann ich feststellen, dass diese Aussage nicht den Tatsachen entspricht.

    Tja, da können wir sicher lange drüber streiten. Dass ein Zeuge von der Polizei explizit darauf hingewiesen wurde, dass er einer Vorladung nicht zu folgen braucht, ist mir noch nicht untergekommen.

  • Wenn alle Menschen immer alles lesen und dann auch noch verstehen würden, wäre vieles einfacher und ich hätte weniger arbeit. Und so deutlich steht es da meines Wissens nicht, aber das schau ich Montag nach.

    Aber im Ernst, die meisten Leute, denen ich sage, dass sie als Zeuge nicht bei der Polizei erscheinen müssen, sind überrascht.

  • Und wenn der Beschuldigte eine Einstellungsverfügung als Angebot der STA erhält ? Wie würdet ihr da den Verweis an die STA sehen, wenn er BerH beantragt um wissen zu wollen, was das bedeutet ? Ich meine schon, dass ich hier an die STA selbst und die Belehrungspflicht verweisen kann. Das betrifft doch nur eine allg. Erläuterung! Wie gesagt: ich verweise in solchen Fällen immer an anwaltliche Beratungsstellen /- Stunden. Damit ist den Leuten auch geholfen und ich muß mich der Frage der Mutwilligkeit etc. nicht mehr stellen.

    Was die Qualität Polizei/STA betrifft. Klar machen die auch mal Fehler ( wie wir alle ). Aber das kann genauso dem beratenden Anwalt passieren. Nicht jeder Anwalt ist ein guter Anwalt. Da kann der Bürger genauso Pech haben. Und ich finde schon, dass man bei aller evtl. persönlicher Erfahrung ( z.B. DDR / Fehler bei der Polizei / Aussagen wärend der Ausbildung etc.. ) unserer Polizei schon noch ein gesundes und gutes Vertrauen entgegenbringen kann. Wie der Justiz auch.
    Wir sind keine Bananenrepublik!

  • Was die Qualität Polizei/STA betrifft. Klar machen die auch mal Fehler ( wie wir alle ). Aber das kann genauso dem beratenden Anwalt passieren. Nicht jeder Anwalt ist ein guter Anwalt. Da kann der Bürger genauso Pech haben. Und ich finde schon, dass man bei aller evtl. persönlicher Erfahrung ( z.B. DDR / Fehler bei der Polizei / Aussagen wärend der Ausbildung etc.. ) unserer Polizei schon noch ein gesundes und gutes Vertrauen entgegenbringen kann. Wie der Justiz auch.
    Wir sind keine Bananenrepublik!

    Das sagt ja auch niemand. Ich denke es wird auch hier niemand bestreiten, dass man von der Grundannahme ausgehen darf, dass sich unsere Behörden an Recht und Gesetz halten und dass unser Staat in vielem vorbildlich funktioniert. Polizist ist ein ehrenwerter Beruf.
    Fehler eines selbst gewählten Verteidigers kann man indes nicht mit denen des Staates gleichsetzen. Der Staat besitzt das Gewaltmonopol und hat beim Ausüben dieser Gewalt gegen seiner Bürger schlicht keine Fehler zu machen. Ein anwaltlicher Fehler ist in dieser Hinsicht wohl eher unter "selbst verschuldete Unfreiheit" zu subsumieren.

    Darum geht es hier aber gar nicht. Aus dem vorgenannten Grundvertrauen eine Vertrauenserwartung zu entwickeln entspricht letztlich nicht dem Gedanken an einen mündigen Bürger in einem freiheitlichem Staat.
    Der beschuldigte Bürger hat das äußerst wichtige Recht, eine massiv skeptische innere Distanz zu den gegen ihn gerichteten Ermittlungsbehörden zu besitzen. Er handelt in fast allen Fällen im eigenen Interesse schlicht unvernünftig, wenn er mit blindem Vertrauen und ohne Rücksicht auf rechtliche Risiken Aussagen abgibt. Wie gesagt: wir würden das wohl kaum selbst so machen, ohne uns vorher zumindest mit Freunden oder Kollegen besprochen zu haben, die strafrechtlich bewandert sind. Dass dem Beschuldigten die Ermittler bei Ihrer Arbeit dabei letztlich nichts Böses wollen (er vielleicht gar selbst "böse" gehandelt hat) hilft eher wenig, wenn man selbst in den Fokus der Untersuchung käme (und es ist für unsere Frage natürlich egal ob man schuldig oder unschuldig ist).

    Man sollte sich m. E. systematisch ab und zu bewußt machen, dass wir nicht Teil der strafverfolgenden Exekutive sind, sondern unsere Arbeit in der Dritten Gewalt machen. Und die dient (auch in diesem Bereich, wenn auch nur von Ferne aus dem Hintergrund) eben gerade auch dazu, die anderen Gewalten zu kontrollieren.
    (Ohne jetzt eine weitere Nebendiskussion aufwerfen zu wollen: Objektiv betrachtet ist es teilweise leider doch schon sehr weit gekommen. Allein Schlagwörter wie DNA-Massentests, Online-Durchsuchungen, Fingerabdruck im Reisepass, der Fall Daschner oder eskalierende Polizeitaktik beim G8-Gipfel geben objektiv Anlass, eben kein blindes Vertrauen gegenüber unseren Freunden und Helfern zu besitzen sondern Sorge mit Blick in die Zukunft zu entwickeln.)

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