(Un)zulässigkeit des "Nachweisverzichts" im Hinblick auf § 1193 II S.2 BGB n.F.?

  • Habe jetzt so einen Fall vorliegen und werde beanstanden, da die Klausel aufgrund Nachweisverzicht am Tage der Beurkundung der Grundschuld im Jahr 2009 erteilt wurde. Zu diesem Zeitpunkt kann die Vollstreckbarkeit nicht vorgelegen haben.
    Unter der Prämisse, dass die Erklärung des Nachweisverzichtes unwirksam ist, ist die Klausel offensichtlich falsch. Ich denke, dass das schon beanstandet werden kann. Da der Nachweisverzicht darauf hinauslaufen kann, wie vorliegend, dass die Vollstreckbarkeit bescheinigt wird, obwohl keine Vollstreckbarkeit vorliegt, also auf eine Erlaubnis zur Falschbescheinigung hinausläuft, kann man sich m.E. durchaus Stöbers Meinung in der 20. Aufl. anschließen.
    Mal sehen, was dabei rauskommt.

  • Bin auch gespannt, aber skeptisch.
    Auch eine offensichtlich falsche Klausel reicht aus, als Beispiel sei hier noch der Fall der Rechtsnachfolgeklausel durch den UdG genannt oder -allerdings nur von unserem LG entschieden- eine Rechtsnachfolgeklausel des Notars auf Grund privatschriftllicher Erklärung, die noch nicht mal angeheftet war. Nachdem das meine Kollegin "um die Ohren" bekam, beanstande ich keine falsche Klausel mehr.

  • Skeptisch kann man durchaus sein. Aber nachdem zumindest das LG Lübeck sich mit der Wirksamkeit des Nachweisverzichtes auseinandersetzt und sich auf die herrschende Meinung beruft (Zöller und Stöber in den Vorauflagen), kann man zumindest einen neuen Versuch wagen, nachdem Zöller in der 29. Aufl. und Stöber in der 20. Aufl. genau das Gegenteil verteten. Zöller schreibt explizit, dass das Vollstreckungsorgan verpflichtet ist, die Klausel auf ihre Wirksamkeit im Hinblick auf § 1193 BGB zu überprüfen. Insoweit ist es mit der herrschenden Meinung nicht mehr so weit her.

  • Wie seht ihr das denn im folgenden Fall:
    Die Grundschuldbestellungsurkunde ist im Jahre 1980 beurkundet, die Grundschuld sofort fällig. Die Erschienenen ermächtigen den Notar jederzeit eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen (...).
    Eine solche wurde nie erteilt. Nun wird die Urkunde bei uns verwahrt und mir liegt ein Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung (hinsichtlich der dinglichen Haftung)vor. Das Risikobegrenzungsgesetz gab es ja nun 1980 noch nicht. Muss ich daher die Klausel einfach erteilen?

    Und wie seht ihr das mit dem Nachweisverzicht aus, wenn Grundstückseigentümer und somit dinglicher Schuldner inzwischen jemand anderes ist?

  • Die Vorschrift des § 726 I ZPO findet in deinem Fall keine Anwendung, da der Eintritt der Fälligkeit des Grundschuldkapitals nicht nachgewiesen werden muss. Der in deiner Frage erwähnte Nachweisverzicht kommt nicht zum Tragen. Die titelumschreibende Zwangsvollstreckungsklausel kann gegen den Rechtsnachfolger auf der Schuldnerseite in dinglicher Hinsicht erteilt werden, wenn alle weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Die Anhörung des Rechtsnachfolgers des Schuldners nach § 730 ZPO steht im Ermessen des Rechtspflegers.

  • Ich denke hier gilt das nicht. Hier ein Zitat aus Ermann, Kommentar zum BGB: "Abs II ist jedoch nur auf Grundschulden anzuwenden, die nach dem 19.8.2008 bestellt werden (Art. 229 § 18 III EGBGB). Früher bestellte Grundschulden bleiben - auch nach einer Revalutierung - bei einer entspr Vereinbarung sofort fällig (BGH ZfIR 2010, 622, 624; Celle ZIP 2009, 1515, 1519) und müssen nicht gekündigt werden. Bestellungszeitpunkt iSd Übergangsvorschrift ist der Zeitpunkt der Beurkundung der Grundschuld bzw der Beglaubigung der Unterschrift des Grundschuldbestellers (Böttcher NJW 2010, 1647, 1649; Volmer MittBayNot 2009, 1; Kalkbrenner ZNotP 2008, 401, 403). Der Gesetzeswortlaut ist allerdings nicht eindeutig, da das BGB den Begriff der Bestellung uneinheitlich verwendet (vgl § 1113 II, § 1105 II, §§ 1032, 1205 und § 1189 I S 2), sodass auch daran zu denken wäre, auf den Zeitpunkt der Einigung der Parteien (so Dörrie ZBB 2009, 292, 302) oder den der Eintragung im Grundbuch abzustellen. Da die Parteien aber auf den Zeitpunkt der Eintragung im Grundbuch keinen Einfluss haben, ist es sachgerecht, zur Vermeidung einer Rückwirkung des Gesetzes auf das untechnische „Bestellen” der Sicherheit bei dem Notar abzustellen."
    M.E. kannst du die Klausel erteilen.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Danke soweit. Aber wieso spielt eurer Meinung nach der Nachweisverzicht keine Rolle? Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde ja bisher nie erteilt. Diese wird ja erst jetzt im Zuge der Umschreibung auf den Rechtsnachfolger beantragt.

    Und insofern stelle ich mir eben die Frage, ob die jetzigen Eigentümer an den Nachweisverzicht gebunden sind.

  • Die Vorschrift des § 1193 I BGB greift in diesem Fall nicht, da es sich um eine vor dem Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes bestellte Grundschuld handelt. Das Kapital dieser Grundschulden ist sofort fällig. Der Nachweis des Eintritts einer bestimmten Bedingung (z. B. Wirksamwerden der Kündigung des Grundschuldkapitals) im Klauselerteilungsverfahren nach § 726 I ZPO ist deshalb nicht erforderlich.

  • Ich habe jetzt auch so einen Fall: Die vollstreckbare Ausfertigung ist unmittelbar nach Beurkundung der Grundschuld erteilt worden.

    Die Entscheidung des Landgerichts Lübeck finde ich nachvollziehbar, die Ausführungen im Stöber 20. Auflagen überzeugen mich hingegen nicht so recht.

    Nachdem einige von euch in der Zwischenzeit wohl moniert haben bin ich neugierig, ob es hierzu neue gerichtliche Entscheidungen gibt. Ich habe leider keine gefunden außer BGH vom 25.10.2012, wonach das Vollstreckungsgericht nicht die materielle Richtigkeit der Klauselerteilung zu prüfen haben soll.

    Danke.

    Oft macht man sich das Leben schwer, obwohl es gar nicht nötig wär. ;)


  • Die Entscheidung des Landgerichts Lübeck finde ich nachvollziehbar, die Ausführungen im Stöber 20. Auflagen überzeugen mich hingegen nicht so recht.


    Mich schon, ebenso die in Zöller neueste Auflage. Aber das ist ja wohl ohnehin dasselbe.

    Nachdem einige von euch in der Zwischenzeit wohl moniert haben bin ich neugierig, ob es hierzu neue gerichtliche Entscheidungen gibt.
    Danke.


    Zu meinem obigen Fall wurde der Zwangsversteigerungsantrag vor Entscheidung zurückgenommen, so dass es keiner Entscheidung mehr bedurfte.
    Zwei weitere Fälle sind beim LG Hamburg anhängig, aber noch nicht entschieden.

  • Aber selbst wenn mir die Ausführungen von Stöber o. Zöller irgendwann einleuchten würden, bleibt immer noch die Entscheidung vom BGH, wonach mich das Ganze eigentlich nichts angehen soll. :gruebel:

    Oft macht man sich das Leben schwer, obwohl es gar nicht nötig wär. ;)

  • manches ist so unglaublich, dass mir die Argumente ausgehen... Ich habe K-und L-Anträge aus einer neueren Grundschuld (nach Stichtag) vorliegen. Die Klausel wurde direkt am Urkundstag erteilt, Nachweisverzicht durch den Schuldner liegt vor. Unabhängig davon, welcher Meinung man sich bzgl. der Wirksamkeit der Klausel bzw. der Prüfpflicht anschließt, ist es hier aber so, dass mit Zustellung der Grundschuldbestellungsurkunde auch die Kündigung zugestellt wurde, die Kündigung ist aus Januar 2013! Somit ist die Kündigungsfrist definitiv nicht abgelaufen, der Gläubiger darf noch nicht vollstrecken. Der Gläubiger stellt sich aber auf den Standpunkt, Titel, Klausel, Zustellung liegen vor, mehr dürfe das Versteigerungsgericht nicht prüfen, dem Schuldner steht ja §767 ZPO offen.... Wenn ich von der Kündigung nichts wüßte, ok, je nach Meinung - s.bisheriger thread- aber ich hab doch den Beleg, dass er noch nicht vollstrecken darf.... so blind kann man sich doch nicht stellen müssen ..... mir fällt nur grad die treffende Begründung nicht ein- wer kann helfen?

    Ergänzung: Kann ich evtl. einfach argumentieren: Möglich ist die Vollstreckung nur wegen schon fälliger Beträge ( s.a. Stöber 15.1 zu §15), hier liegt der Gegenbeweis vor, dass die Beträge nicht fällig sind. ?

    2 Mal editiert, zuletzt von NIC (26. April 2013 um 08:58) aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Richtig, so blind muss man sich nicht stellen. Die Klausel dürfte gesetzeswidrig erstellt sein. Das ist vom ZVG-Gericht zu beanstanden.
    Das LG Hamburg hat uns übrigens in einer ersten Entscheidung vom 08.03.2013, 328 T 21/13 Recht gegeben, der Nachweisverzicht dürfte unwirksam sein. Da es sich dabei um einen spezielleren Fall handelte, warten wir mal eine weitere Entscheidung,-liegt z.Zt. vor-, ab, ob das "dürfte" durch ein "ist" ersetzt wird.

  • Ich muss hier nochmal nachhaken...

    Die Erteilung der Klausel (ob richtig oder falsch) darf/soll ich nicht prüfen. Soweit - naja!
    Aber muss ich nicht auch den § 751 ZPO prüfen.
    Immerhin tritt Fälligkeit erst 6 Monate nach Kündigung ein.
    Ein Verzicht auf diese Vollstreckungsvoraussetzung durch den Schuldner soll nach dem Münchener Kommentar (RNr. 32 zu § 751 ZPO) vor Beginn der Zwangsvollstreckung nicht zulässig sein.

  • @ babs

    Der Fall einer Fällgikeit nach Kündigung fällt m. E. nicht unter § 751 ZPO (vgl. auch Zöller/Stöber § 751 Rn. 2 mitte), sondern unter § 726 I ZPO.

    Eine Abhängigkeit von einem Kalendertag i. S.v. § 751 liegt nur vor, wenn der Tag ohne weiteres nach dem Kalender bestimmt werden kann.

  • Wenn der Notar die Klausel am Tag der Bestellung der Grundschuld erteilt, ist offenkundig, dass eine Fälligkeit nicht vorliegen konnte. Die Klauselerteilung war offensichtlich fehlerhaft, da die Erteilung erkennbar erfolgte, ohne dass die Voraussetzungen des § 1193 BGB vorgelegen haben. Die Zurückweisung durch das Vollstreckungsgericht ist daher nicht zu beanstanden. Es kann dabei offen bleiben, ob ein Nachweisverzicht auch nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes noch wirksam erklärt werden kann.

    (LG Hamburg v. 18.04.2013, 328 T 32/13, von mir zusammengefasst, für Grundschulden, die nach dem 19.08.2008 bestellt wurden.)

  • oh prima, danke! Ist die Entscheidung bereits irgendwo veröffentlicht? Ich kann sie noch nicht finden. Ich hätte grosses Interesse an der Entscheidung.

  • Kai hat sich gerade angeboten, sie für das Forum aufzubereiten. Ich schicke sie ihm Montag zu.
    Versprich Dir aber nicht zuviel davon. Sehr viel umfangreicher als meine Zusammenfassung ist sie auch nicht.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!